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Architekturwettbewerb: Der gesamte Ablauf

Der Ausdruck "Architekturwettbewerb" ist eine in der Baubranche übliche Kurzbezeichnung für ein Verfahren mit dem Zweck, einem Bauwilligen mehrere Lösungsvorschläge für ein Bauvorhaben zu verschaffen.

18.07.2018
Architekturwettbewerb

Statt dass der Bauwillige mehreren Architekten je einen eigenen Projektierungsauftrag mit entsprechender Vergütungspflicht erteilt, lädt er beim Architekturwettbewerb verschiedene Architekten ein, ihm unentgeltlich oder gegen eine geringe Entschädigung ein Projekt einzureichen, dies unter Aussetzung von Preisen für die zu erarbeitenden Projekte.In der Praxis spielt der Architekturwettbewerb, insbesondere für grössere Bauvorhaben, deren Projektierung überdurchschnittliche Anforderungen stellt, eine grosse Rolle. Allerdings finden sich dazu nur wenige einschlägige Gerichtsentscheidungen. Der Architekturwettbewerb wird dabei häufig beherrscht von der SIA-Ordnung 152, bei der es sich um vorformulierte Wettbewerbsbedingungen handelt, welche vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein in Zusammenarbeit mit Vertretern des Bundes Schweizer Architekten aufgestellt wurden.Diese Bedingungen haben allerdings aus sich heraus keine Geltung, sie bedürfen der Übernahme im Einzelfall.

Drei Phasen

Der typische Architekturwettbewerb wickelt sich in drei Phasen ab, nämlich erstens der Eröffnung des Wettbewerbs, zweitens der Einreichung der Projekte sowie drittens dem Preisentscheid, im Einzelnen wie folgt:

Eröffnung des Wettbewerbs

Der Architekturwettbewerb wird dadurch eröffnet, dass ein Bauwilliger (der Veranstalter) Architekten einlädt, ihm aufgrund bestimmter Unterlagen (Wettbewerbsbedingungen, Wettbewerbsprogramm) ein Bauprojekt einzureichen, wobei sich die Einladung an individuell bestimmte Architekten richten kann (geschlossener Wettbewerb) oder an einen generell bestimmten Kreis, z.B. für die Mitglieder eines Architektenverbandes oder die Architekten einer politischen Gemeinde (offener Wettbewerb). Der Veranstalter kann dabei die Wettbewerbsteilnahme von einer Anmeldung abhängig machen; das Wettbewerbsprogramm soll den Teilnehmern namentlich Klarheit verschaffen über die Wettbewerbsaufgabe, die Darstellung der Aufgabenlösung sowie den Termin, bis zu dem die Lösung abzugeben ist.

Ideenwettbewerb
Beim so genannten Ideen - Architekturwettbewerb werden Vorschläge erwartet für die Lösung von Aufgaben, die nur in allgemeinen Zügen umschrieben und abgegrenzt werden. Die Lösung der Wettbewerbsaufgabe ist in Plänen festzuhalten, allenfalls auch in einem Modell. Einen wichtigen Bestandteil des Wettbewerbsprogramms bildet sodann der Abgabetermin.

Einreichung der Projekte

Die Einreichung der Projekte (Wettbewerbslösung) bildet die zweite Stufe des Architektenwettbewerbs. Sie hat nach den Wettbewerbsbedingungen regelmässig anonym zu erfolgen, so dass die einverlangten Pläne, Modelle usw. mit einem Kennwort zu versehen sind.

Preisentscheid

Die dritte und letzte Stufe des Architektenwettbewerbs bildet die Beurteilung der Projekte und die daran anschliessenden Preisentscheidungen. Meist sind mehrere Preise ausgesetzt, in der Regel handelt es sich dabei um Geldleistungen, doch kommen auch andere Vorteile zu Gunsten des Gewinners in Betracht. Die Preise vermögen allerdings die Kosten der Wettbewerbsteilnehmer oft nicht zu decken.

Dabei setzt die Entscheidung darüber, wer die Wettbewerbsaufgabe am besten gelöst hat, architektonische Fachkenntnis voraus, weshalb ab und zu Preisgerichte eingesetzt werden. Nach welchen Kriterien die Wettbewerbsprojekte zu beurteilen sind, ist in den Wettbewerbsprogrammen meist nicht ausdrücklich geregelt. Doch ergeben sich häufig aus den programmgemässen Projektanforderungen Anhaltspunkte.

Verbindlichkeit
Die Preisentscheidung wird mit der Mitteilung an die Teilnehmer für den Veranstalter verbindlich, die Preisgewinner haben gestützt darauf einen klagbaren Anspruch auf Entrichtung der Preise. Ist dem Sieger die Weiterbearbeitung der Bauaufgabe (Abschluss eines Architekturvertrages) versprochen, so kann bei Weigerung des Veranstalters, den Vertrag zu schliessen, die fehlende Willenserklärung durch Urteil des Richters ersetzt werden (vgl. insbesondere BGE 97 II 51). Dem Gewinner wird allerdings dadurch nicht geholfen sein, da der Veranstalter vom Architekturvertrag jederzeit zurücktreten kann und dem Gewinner dann nur ein Schadenersatzanspruch verbleibt.

Pflichten des Veranstalters

Der Veranstalter ist an sein Preisversprechen gebunden: Er ist gehalten, die ausgesetzten Preise zu entrichten. Darin eingeschlossen ist die Pflicht, den Architekturwettbewerb durchzuführen und aus den innert der Eingabefrist eingereichten Projekten die Gewinner zu ermitteln.

Regelung von Art. 8 OR

Mit dem offenen Architekturwettbewerb entsteht die Pflicht aus Art. 8 OR, wonach derjenige, der "durch (öffentliches) Preisausschreiben oder Auslobung für eine Leistung eine Belohnung aussetzt, … diese seiner Ankündigung gemäss zu entrichten" hat. Ein öffentliches Preisversprechen kann im Sinne von Art. 8 Abs. 1 OR widerrufen werden, solange die Leistung, für welche der Preis ausgesetzt wurde, noch nicht erfolgt ist.

Programmänderungen

Der Veranstalter ist verpflichtet, den Architekturwettbewerb vom Anfang bis zum Ende so durchzuführen, wie im Wettbewerbsprogramm vorgesehen.

Wichtig: Nach Eröffnung des Wettbewerbes darf er grundsätzlich keine Programmänderungen mehr vornehmen, es sei denn, er habe sich solche ausdrücklich vorbehalten oder handle im Einverständnis aller Teilnehmer.

Namentlich darf er das Programm nicht (eigenmächtig) zum Nachteil der Teilnehmer abändern.

Programmwidrige Projekte

Welche Folgen ein Programmverstoss nach sich zieht, bestimmt sich in erster Linie nach dem Wettbewerbsprogramm. Der Veranstalter ist dabei grundsätzlich frei, welche Sanktionen er im Wettbewerbsprogramm für den Fall von Programmwidrigkeiten vorsehen will.

Praxis-Beispiel:

  • Er kann bestimmen, dass Beilagen, die dem Wettbewerbsprojekt programmwidrig beigelegt werden, zu entfernen und bei der Projektbeurteilung nicht zu berücksichtigen sind.
  • Pläne, die nicht im vorgeschriebenen Massstab angefertigt wurden, können zur Verbesserung zurückgewiesen werden, ebenso Pläne, die "gerollt" eingereicht werden, statt "auf festem Papier aufgetragen".

Schwerer wiegt sodann der Ausschluss vom Preisentscheid, welcher nur für erhebliche Programmverstösse vorgesehen werden sollte.

Urheberrechtlicher Hinweis

Zu beachten gilt, dass den Teilnehmern das Urheberrecht an den von ihnen eingereichten Projekten grundsätzlich erhalten bleibt. Der Veranstalter hat mithin kein Recht, ein Wettbewerbsprojekt durch einen anderen Architekten als den Projektverfassern ausführen zu lassen (wobei vorausgesetzt ist, dass das Projekt überhaupt urheberrechtlich geschützt ist).

Achtung: Die Wettbewerbsbedingungen sehen von dieser Regel oft Abweichungen vor, so namentlich auch die SIA-Norm 152 in Art. 14.1: Gemäss dieser Bestimmung darf der Veranstalter ein prämiertes oder angekauftes Projekt zur Ausführung bringen, allerdings nur für die im Architekturwettbewerb vorgesehene Bauaufgabe. Er erwirbt somit lediglich ein einmaliges Ausführungsrecht, daneben bleibt das Urheberrecht beim Verfasser des Projektes.

Dieser behält namentlich auch das Urheberpersönlichkeitsrecht, worin der Anspruch auf das Ansehen und den Ruf, den das Werk seinem Urheber zu schaffen vermag, eingeschlossen ist. Er hat daher z.B. bei Ausstellung des Projektes Anrecht auf Namensnennung.

Fallbeispiel: In den BGE 84 II 573 zu Grunde liegenden Verhältnissen hatten die Preisgewinner in einem Architekturwettbewerb für die Kirche in Visp die Vergrösserung geplant. Schliesslich wurde ein anderer Architekt mit der Ausführung der vorgesehenen Vergrösserung beauftragt, wobei derselbe in grossen Teilen originelle Ideen der Erstbearbeiter übernahm. Bei der Einweihung der Kirche wurde der Beitrag der erstbeauftragten Architekten (Preisgewinner) in keiner Weise erwähnt, worauf diese erfolgreich auf Zahlung von Schadenersatz und Genugtuung sowie Veröffentlichung des Urteils klagten.

Preisentscheid

Grundsätzlich wird mit dem Preisentscheid darüber befunden, welche Projekte preiswürdig sind. Die Preisentscheidung wird mit der Mitteilung an die Teilnehmer für den Veranstalter grundsätzlich verbindlich, was jedoch eine Anfechtung durch die Teilnehmer nicht ausschliesst: Deren Anspruch auf Einhaltung der Wettbewerbsbedingungen umschliesst auch den Anspruch auf Behebung von Fehlern des Preisentscheids. Dabei handelt es sich um den Erfüllungsanspruch, der den Wettbewerbsteilnehmern gegenüber dem Veranstalter zusteht.

Praxis-Beispiel:

  • Ein Teilnehmer wurde zu Unrecht von der Preisentscheidung (Preisbeurteilung) ausgeschlossen, weil das Preisgericht zu Unrecht verspätete Einreichung angenommen hatte.
  • Das Preisgericht verfügt den Ausschluss eines Projektes in der irrtümlichen Annahme, es weiche erheblich vom Wettbewerbsprogramm ab.
  • Es wird ein Projekt prämiert, das von der Preisentscheidung hätte ausgeschlossen werden müssen. Dieser Vorwurf wird in der Praxis oft erhoben. So hatte sich die Wettbewerbskommission des SIA etwa mit einem Fall zu befassen, in welchem geltend gemacht wurde, ein Preisgewinner habe mit einem Preisrichter in einem nahen verwandtschaftlichen Verhältnis gestanden, weshalb er nicht teilnahmeberechtigt gewesen sei.

Prozessuale Fragen

Oft sehen die Wettbewerbsbedingungen vor, der Entscheid des Preisgerichts sei "endgültig", "nicht anfechtbar" oder "der Rechtsweg sei ausgeschlossen". Ein solcher Klageausschluss ist nach der Lehre ungültig, ein Verzicht auf das Recht, den Richter anzurufen, ist mit Art. 27 ZGB nicht vereinbar. Insbesondere kann im Rahmen eines Architekturwettbewerbs nicht gültig auf die Anfechtung des Preisentscheides verzichtet werden. Erst und nur dann, wenn das Preisgericht den Streitfall nicht zu schlichten mag, sind die ordentlichen Gerichte zuständig, wobei für die Anrufung der Wettbewerbskommission bzw. der ordentlichen Gerichte je eine 30-tägige Frist zur Verfügung steht.

Zur Behandlung von Klagen gegen Preisentscheide sind dabei grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zuständig, allerdings können die Wettbewerbsbedingungen vorsehen, dass die Klage vor einem Schiedsgericht anzuheben ist.

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