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Kostenüberschreitung: Wenn der Architekt den Kostenvoranschlag falsch einschätzt

Die Schlussabrechnung nach Fertigstellung einer Liegenschaft entspricht in keiner Weise dem ursprünglichen Kostenvoranschlag des Architekten. Die erhöhten Kosten sind nicht auf Änderungswünsche des Bauherrn, sondern auf falsche Schätzung des Architekten zurückzuführen.

15.03.2022 Von: Matthias Streiff
Kostenüberschreitung

Wer haftet für eine Kostenüberschreitung, welche auf falsche Schätzung des Architekten zurückzuführen ist?

Beim Vertragsverhältnis mit dem Architekten handelt es sich um Auftragsrecht. Da der Architekt offensichtlich schlecht geschätzt hat, hat er den Auftrag nicht richtig erfüllt. Er haftet grundsätzlich gemäss OR 398 i.V.m. OR 321e für ungenügende Arbeit, sofern er sich nicht vom gesetzlich vermuteten Verschulden befreien kann (bezüglich Verschulden gibt es eine Beweislastumkehr). Der Bauherr hat den Architekten zwar im Umfang der "richtigen Ausführungen des Auftrages" zu entschädigen, so OR 402, er muss jedoch die ungenügenden Leistungen nicht honorieren. Eine klare, eindeutige Regel, wer bei Kostenüberschreitung in Folge fehlerhafter Kostenschätzung haftet, gibt es nicht.

Wie verhält es sich mit Kostenprognosen und der Toleranz?

Der Kostenvoranschlag ist eine Prognose. Ein angestrebtes Resultat wird kalkulatorisch vorweggenommen. Jede Prognose ist fehlerhaft, oder anders gesagt, unpräzise. Deshalb wird jeder Prognose eine Toleranz für Kostenüberschreitung zugestanden. Die Toleranz beträgt Usanz gemäss 10 %. In diesem Umfang hat ein Bauherr Fehler in der Schätzung grundsätzlich hinzunehmen. Dies, obwohl eine Falschschätzung auch eine ungenügende Auftragserfüllung darstellt. Führt der Architekt verschiedene Reservepositionen in seinem Kostenvoranschlag, so wird die Anwendung der Toleranz in Frage gestellt. Die Haftung des Architekten aus fehlerhafter Prognose folgt der Haftung aus falschen Gutachten. Ein Architekturvertrag nach OR sieht keine Spezialregel für falsche Kostenprognosen vor, anders als Architekturverträge, die dem SIA folgen. Die SIA-Norm 102 differenziert die Falschschätzungen.

Wie verhält es sich mit Kostenprognosen und Pauschalpreisen?

Kostenschätzung und Grobkostenschätzung sind Prognosen. Ihre Schärfe variiert. Eine Kostenzusammenstellung ist eine Abrechnung. Ein Kostendach oder eine Kostenlimite ist eine verbindliche Zusage, dass eine Kostengrenze nicht überschritten wird. Der Pauschalpreis wiederum ist ein Fixpreis, der weder unterschritten noch überschritten wird, egal wie viel oder wie wenig Aufwand beim Unternehmer/Architekten entstanden ist. Bauherr und Architekt tun gut daran, die Titel präzise zu verwenden, nicht dass daraus Unstimmigkeiten und falsche Erwartungshaltungen entstehen.

Empfehlung

Die Parteien sind gut beraten, wenn sie von Anfang an klarstellen, ob sie einen ungefähren Kostenrahmen haben wollen mit offener Abrechnung, oder ob sie eine Kostenlimite benötigen. Eine klare Kommunikation verhindert Missverständnisse und somit Kostenüberschreitung. Es obliegt dem Architekten als Fachmann, den Bauherrn über die verschiedenen Kostenprognosen, Preisgestaltungen und Abrechnungen zu informieren.

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