Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks
Der Besitz des betroffenen Nachbarn darf jedoch nicht unzumutbar gefährdet und beeinträchtigt sowie das Hammerschlagsrecht erst nach rechtzeitiger Vorankündigung durchgeführt werden. Bei Inanspruchnahme des Hammerschlags- und Leiterrechts ist eine Entschädigung geschuldet.
Gesetzliche Grundlagen
PBG ZH § 229
EG ZGB 155 Kanton Wallis
EG ZGB 1 § 61 Kanton Schwyz
EG ZGB § 111 Kanton Zug
Etc.
StGB: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung
Begriff Hammerschlags- und Leiterrecht
Der Begriff des Hammerschlags- und Leiterrecht ist weitgehend selbsterklärend: Dieses Recht nimmt in Anspruch, wer an der Aussenwand des eigenen Hauses, welches an der Grenze zum Nachbargrundstück steht, eine Reparatur vornehmen und dazu eine Leiter anstellen will, um darauf stehend einen Nagel einzuschlagen.
In ZGB 695 wird dieses Recht als eine Befugnis des Grundeigentümers bezeichnet, «zum Zweck der Bewirtschaftung oder Vornahme von Ausbesserungen und Bauten das nachbarliche Grundstück zu betreten».
Das Hammerschlagsrecht berechtigt zu einem vorübergehenden direkten Eingriff in das Nachbargrundstück.
Das Hammerschlagsrecht regelt eine Form des nachbarrechtlichen Eingriffs in das Eigentum.
Das Hammerschlagsrecht im Rechtssystem
Systematisch ist das Hammerschlagsrecht im Schweizerischen Zivilgesetzbuch unter den Beschränkungen des Grundeigentums, genauer im privaten Nachbarrecht von ZGB 684 ff. und hier unter dem Wegrecht geregelt (Marginale von ZGB 695). Gemäss Hammerschlagsrecht muss ein Grundeigentümer Eingriffe in sein Eigentum dulden. Das Hammerschlagsrecht ist insofern eine Beeinträchtigung des Privateigentums. Das Hammerschlagsrecht ist daher dem Zivilrecht und nicht dem öffentlichen Recht zu zuordnen.
Gemäss der Bundesverfassung wird das Privatrecht vom Bund bestimmt. Die Kantone sind zur Rechtsetzung privaten Rechts nur insofern ermächtigt, als ihnen das Bundesrecht die Kompetenz dazu einräumt. ZGB 695 stellt eine solche seltene Kompetenzzuweisung dar. Die Kantone sind frei, wie sie das Hammerschlagsrecht formell regeln wollen; am häufigsten ist es in den Einführungsgesetzen zum ZGB, vereinzelt und vermehrt wird es nun in den kantonalen Baugesetzen (z.B. Zürich) aufgenommen. ZGB 695 statuiert daher einen echten Vorbehalt zu Gunsten des kantonalen Rechts.
Machen die Kantone von der fakultativen Kompetenz zum Erlass von Bestimmungen über das Hammerschlagsrecht keinen Gebrauch und gilt das Hammerschlagsrecht auch nicht nach kantonalem Gewohnheitsrecht (z.B. Thurgau), so wird es gleichwohl in einem minimalen und unklaren Umfang nach Bundesrecht gewährleistet.
Inhalt des Hammerschlagsrechts
Sinn des Hammerschlagsrechts ist es, einem Grundeigentümer zu erlauben, Arbeiten an seiner Grenzbaute oder Grenzvorrichtung auf deren grenznah an das Nachbargrundstück anstossenden Seite auszuführen. Gegenseitig mit dem Hammerschlagsrecht belastet, sind daher nur die unmittelbar aneinanderstossenden Grundstücke. Es kann demnach kein entfernteres, günstig gelegenes Grundstück beansprucht werden.
Das Recht das Nachbargrundstück zu beanspruchen musst möglichst schonend und nur solange als notwendig ausgeübt werden. Sollen Gerüste auf dem Nachbargrundstück gestellt oder der fremde Boden zwecks Zufahrt betreten oder befahren werden, so ist gemäss herrschender Lehre die beanspruchte Fläche begrenzt, entweder durch Gewohnheitsrecht oder durch Gesetz. Anders entschieden hat das Kantonsgericht Wallis (Kantonsgericht Wallis, TCV C1 13 49 vom 20. 6. 2013), welches die Errichtung einer Baupiste durch das ganze oder über mehrere benachbarte Grundstücke hinweg als zulässig erachtete. Dies wird von der herrschenden Lehre teilweise abgelehnt, da sich dies nicht mit der Zweckbestimmung des Hammerschlagsrechts decken würde, welches lediglich auf einen schmalen Landstreifen entlang der Grenze beschränkt sei.
Umsetzung im Kanton Wallis, ein Muster
Der Kanton Wallis regelt, gestützt auf die Ermächtigung von ZGB 695, das Betreten des nachbarlichen Grundstücks in EG ZGB 155. Abs. 1 statuiert den Grundsatz, dass sich der Nachbar das Betreten oder vorübergehende Benutzen seines Bodens durch Abstellen von Material, Aufrichten von Gerüstestangen u.a. gefallen lassen muss, soweit die bauliche Wiederherstellung, Reparatur oder Vergrösserung eines Gebäudes oder einer Grenzmauer oder das Zuschneiden von Grünhecken oder andere Arbeiten der Bewirtschaftung wie Bewässerungs- und Entwässerungsarbeiten oder das Reinigen von Gräben, Brunnen und Leitungen dies unumgänglich notwendig machen. Das hier normierte Hammerschlags- und Leiterrecht kann auch für die Erstellung eines Neubaus herangezogen werden, wenn zwecks Erstellung dieses Neubaus eine Bauzufuhrt über zwei Parzellen notwendig erscheint. Solch ein Anspruch ist gemäss Kantonsgericht Wallis dann gegeben, wenn die verlangte Baustrasse für den Neubau unumgänglich sei, was voraussetze, dass das Bauvorhaben auch wirklich umgesetzt werde, auf dem Grundstück ein direkter Zugang zu einer öffentlichen Strasse fehle und keine bessere alternative Bauzufahrt bestehe (ZWR 2014 143).
Benachrichtigung des Nachbarn und volle Entschädigung als Regel
Der Grundeigentümer der das Hammerschlags- und Leiterrecht beanspruchen möchte, hat seinen Nachbarn rechtzeitig zu benachrichtigen und einen für diesen möglichst schonenden Gebrauch dieser Befugnis zu machen.
Die eigenmächtige Inanspruchnahme des Hammerschlagsrechts, ohne Einwilligung des belasteten Nachbarn, kann unter Umständen als Hausfriedensbruch oder als Sachbeschädigung qualifiziert werden und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Das Hammerschlagsrecht ist kein Selbsthilferecht.
Gestützt auf ZGB 695 haben viele Kantone eine Entschädigungspflicht für die Inanspruchnahme von Nachbargrundstücken festgesetzt, so bspw. auch der Kanton Zürich (PBG 229 Abs. 2) und der Kanton Wallis (EG ZGB 155 Abs. 3). Einige Kantone sehen darüber hinaus eine Sicherheitsleistung durch die Baubewilligung vor, ohne die das Hammerschlagsrecht nicht in Anspruch genommen werden darf, so bspw. der Kanton Wallis in EG ZGB 155 Abs. 3.
Zu entschädigen sind nicht nur nachweisbare Vermögenseinbussen, sondern vielmehr die Nutzung des beanspruchten Grundstückteils neben den bezifferbaren Schäden auch sonstige Unannehmlichkeiten. Der Behörde (im Kanton Zürich Baubewilligunsbehörde, ansonsten vielfach Zivilgerichte) steht für das Festlegen der Entschädigungshöhe ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Wie hoch diese Entschädigung ausfällt, ist umstritten. Gewöhnlich wird volle Entschädigung für durch die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks und allfälliger Schäden geleistet.
Praxis
ZWR 2014 143
Kantonsgericht Wallis, TCV C1 13 49 vom 20. 6. 2013
Baurekursgericht Zürich, BRKE II Nr. 270/2003 vom 16. Dezember 2003 in BEZ 2004 Nr. 18