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Mieterausweisung: Rechtsschutz in klaren Fällen

Verlässt der Mieter die von ihm gemietete Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit bei Mietvertragsende nicht freiwillig, so kann ihn der Vermieter gerichtlich ausweisen lassen. Ist der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar, kann der Vermieter die Ausweisung des Mieters in einem summarischen Verfahren verlangen.

04.03.2022 Von: Andrin Hofstetter
Mieterausweisung

Mieterausweisung – Örtliche und sachliche Zuständigkeit

Der Vermieter hat das Ausweisungsgesuch am Ort der gelegenen Sache, d.h. am Ort des betreffenden Mietobjekts zu stellen (Art. 33 ZPO). Sachlich zuständig für die Behandlung des Ausweisungsgesuchs im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) ist das vom jeweiligen kantonalen Recht bezeichnete Gericht in einem summarischen Verfahren.

Rechtstipp: Sofern eine handelsrechtliche Streitigkeit vorliegt, also Mieter und Vermieter im Handelsregister eingetragen sind, die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist und gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 6 ZPO), ist in Kantonen, welche über ein Handelsgericht verfügen (AG, BE; SG und ZH), das Ausweisungsgesuch beim Handelsgericht anhängig zu machen. Das Ausweisungsgesuch ist ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens direkt beim Gericht einzureichen.

Mieterausweisung – Voraussetzungen für Rechtsschutz in klaren Fällen

Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren gemäss Art. 257 Abs. 1 und 3 ZPO, wenn:

a) der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist und

b) die Rechtslage klar ist. Kann dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein. Eine Abweisung des Gesuchs ist dem Gericht mithin nicht möglich (BGE 140 III 315 E. 5).

Zu Punkt a: unbestrittener oder sofort beweisbarer Sachverhalt

Weil das Urteil, welches im Rechtsschutzverfahren nach Art. 257 ZPO ergeht, materiell rechtskräftig wird und vollstreckt werden kann, wird vom Vermieter als Kläger verlangt, dass er sofort den vollen Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen erbringt, sodass klare Verhältnisse herrschen (BGE 138 III 620 E. 5.1.1). Der Sachverhalt gilt als sofort beweisbar, wenn er ohne zeitliche Verzögerung und ohne besonderen Aufwand nachgewiesen werden kann. Der Beweis ist dabei in der Regel durch Urkunden im Sinne von Art. 254 ZPO zu erbringen (BGE 138 III 123 E. 2.1.1 m. H.).

Wichtiger Hinweis: Für die Verneinung eines klaren Falles genügt es, dass der Mieter als beklagte Partei substanziiert und schlüssig Einwendungen vorträgt, die in tatsächlicher Hinsicht vom Vermieter nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die bereits gebildete richterliche Überzeugung zu erschüttern. Im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen hat demgemäss der Kläger die vom Beklagten substanziiert und schlüssig vorgebrachten Einwendungen in tatsächlicher Hinsicht sofort zu widerlegen, ansonsten ein klarer Fall zu verneinen ist. Offensichtlich unbegründete oder haltlose Bestreitungen des Anspruchs genügen hingegen für die Verneinung eines klaren Falls nicht (BGE 138 III 620 E. 5.1.1). Solche Bestreitungen vermögen die anspruchsbegründenden Tatsachen des Vermieters nicht zu widerlegen und können daher auch die bereits gebildete richterliche Überzeugung nicht erschüttern.

Ein klarer Fall ist in tatsächlicher Hinsicht immer dann zu bejahen, wenn das Gericht aufgrund der Aktenlage zur Überzeugung gelangt, der Anspruch der klagenden Partei sei ausgewiesen und eine eingehende Abklärung der beklagten Einwände könne daran nichts ändern.

Zu Punkt b: klare Rechtslage

Eine klare Rechtslage ist gegeben, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die Rechtslage nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände erfordert (BGE 141 III 23 E. 3.2; 138 III 123 E. 2.1.2).

Zahlungsverzug nach Art. 257d OR – häufigster Fall in der Praxis

Der in der Praxis mit Abstand häufigste Fall der Ausweisung von Mietern im Rechtsschutzverfahren in klaren Fällen ist derjenige nach einem Zahlungsverzug des Mieters nach Art. 257d OR. 

Art. 257d OR bestimmt, dass der Vermieter dem Mieter nach der Übernahme der Sache, wenn er mit der Zahlung fälliger Mietzinsen oder Nebenkosten im Rückstand ist, schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen kann, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Die dem Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen anzusetzende Zahlungsfrist beträgt dabei 30 Tage. Bezahlt der Mieter innert angesetzter Zahlungsfrist von 30 Tagen nicht oder nicht vollständig, so kann der Vermieter das Wohnoder Geschäftsmietverhältnis mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf das Ende eines Monats kündigen.

Damit ein klarer Fall einer Zahlungsverzugskündigung im Verfahren nach Art. 257 ZPO bejaht werden kann, ist vorab vorausgesetzt, dass der Mieter mit der Bezahlung von fälligen Mietzinsen oder Nebenkosten im Rückstand war.

Wichtiger Hinweis: War der Mieter hingegen mit anderen Verpflichtungen aus oder im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis in Verzug, wie insbesondere mit der Leistung einer Sicherheit im Sinne von Art. 257e OR, wäre kein Rückstand im Sinne von Art. 257d OR gegeben und daher eine Zahlungsverzugskündigung gestützt auf genannte Bestimmung nicht möglich.

Weiter müssen die Mietzinsen und/oder Nebenkosten fällig sein. Die Fälligkeit bestimmt sich regelmässig nach Vertrag, wobei Mietzinse häufig monatlich im Voraus zu bezahlen sind. Soweit jedoch keine Regelung und auch kein Ortsgebrauch besteht, ist für die Fälligkeit Art. 257c OR zu beachten, wonach der Mietzins am Ende jedes Monats, spätestens am Ende der Mietzeit zu bezahlen ist.

Weitere Voraussetzungen eines Zahlungsverzugs

In tatsächlicher Hinsicht weiter vorausgesetzt wird, dass der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist von 30 Tagen für die rückständigen und fälligen Mietzinsen und/oder Nebenkosten angesetzt hat. Nach konstanter Rechtsprechung ist dabei der ausstehende Betrag präzise anzugeben, entweder in Franken oder unter Angabe der unbezahlt gebliebenen Monate.

Wichtiger Hinweis: Da der Vermieter sofort den Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden zu erbringen hat, sollte die Ansetzung der 30-tägigen Zahlungsfrist – damit deren Zustellung im Bestreitungsfall auch sofort bewiesen werden kann – eingeschrieben erfolgen. Der Nachweis der Zustellung kann dabei mittels Sendungsnummer über die Sendungsverfolgung unter www.post. ch erbracht werden. Mit dem Nachweis der Zustellung der Zahlungsfristansetzung kann weiter sofort errechnet werden, bis zu welchem Tag die Frist von 30 Tagen für den Mieter zur Tilgung des Rückstands läuft.

Zwingend erforderlich ist im Weiteren, dass die ausserordentliche Kündigung dem Mieter ebenfalls mit der Ansetzung der Zahlungsfrist ausdrücklich angedroht wurde. Zu beachten ist, dass bei Mietverhältnissen über eine Familienwohnung die Zahlungsfristansetzung mit Kündigungsandrohung mit zwei separaten Schreiben an die Ehegatten oder die eingetragenen Partner je einzeln erfolgen muss (Art. 266n OR). Die Zahlungsfristansetzung ist dann zugestellt, wenn der Mieter dieselbe tatsächlich in Empfang nimmt. Kann die Sendung postalisch nicht zugestellt werden, gilt sie als zugestellt, wenn der Mieter die Sendung bei der Post in Empfang nimmt. Holt der Mieter die Sendung nicht ab, gilt sie am letzten Tag der siebentägigen Abholfrist dennoch als zugestellt. Innert diesen 30 Tagen sind die rückständigen und fälligen Mietzinsen und/oder Nebenkosten zu tilgen.

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