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Nachlassvertrag: Forderungsverzicht zwischen Gläubiger und Schuldner

Gerät eine Firma in finanzielle Schwierigkeiten, versucht sie in der Regel zuerst, sich ohne Hilfe eines Gerichts mit den Gläubigern zu einigen. Gelingt ihr das nicht, hat sie zwei vom Gesetz vorgesehene Sanierungsinstrumente: den Konkursaufschub und das SchKG-Nachlassverfahren.

21.06.2022 Von: Michael Krampf
Nachlassvertrag

Konkursaufschub

Beim Konkursaufschub muss der Verwaltungsrat zwar die Überschuldung seines Unternehmens beim Gericht anzeigen. Er kann dabei aber einen Antrag auf Konkursaufschub stellen (Art. 725a Abs. 1 OR). Die Bewilligung des Aufschubs setzt eine von einer Revisionsstelle geprüfte Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten voraus, damit der Richter den Umfang der Überschuldung und die Aussicht auf Sanierung beurteilen kann. Dieses Erfordernis gilt auch bei Unternehmen mit einem Opting-out. Weiter müssen die Verfahrenskosten und – sofern einer bestellt wurde – auch die Kosten des Sachwalters sichergestellt werden. Der Verwaltungsrat hat zudem einen Sanierungsplan einzureichen, aus dem hervorgeht, mit welchen Massnahmen und in welchem Zeitraum die Überschuldung beseitigt werden soll. Die einzelnen Massnahmen müssen genau bezeichnet und mit Unterlagen belegt werden (z. B. Forderungsverzichte). Der Richter bewilligt den Konkursaufschub, wenn Aussicht auf Sanierung besteht, d. h., wenn die Überschuldung beseitigt werden kann.

SchKG-Nachlassverfahren

Ein Nachlassverfahren wird durch ein Gesuch des überschuldeten oder insolventen Unternehmens beim Nachlassgericht eingeleitet (Art. 293 SchKG). Mit dem Gesuch müssen verschiedene Unterlagen (Bilanz, Erfolgsrechnung und Liquiditätsplanung) sowie ein provisorischer Sanierungsplan eingereicht werden. Zudem sind die Kosten für das Gericht und des provisorischen Sachwalters sicherzustellen. Diese belaufen sich auf CHF 30 000.– bis 45 000.–. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bewilligt das Nachlassgericht die provisorische Stundung in aller Regel. Denn es darf die Stundung nur verweigern, wenn «offensichtlich» keine Aussicht auf Sanierung oder auf Bestätigung eines Nachlassvertrags besteht (Art. 293a Abs. 3 SchKG).

    Ein Nachlassverfahren hat – im Vergleich zu einer aussergerichtlichen Sanierung – verschiedene Vorteile. Diese sind z. B.:

    • Die Pflicht des Verwaltungsrats, im Falle einer Überschuldung beim Gericht die Bilanz zu deponieren, entfällt, wenn er ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung beim Nachlassgericht eingereicht hat (Art. 293a Abs. 1 SchKG). Das gilt auch für die Revisionsstelle.
    • Es gilt ein umfassendes Betreibungsverbot, also auch für die privilegierten Forderungen (Art. 297 Abs. 1 SchKG). Arreste sind nicht mehr möglich (Art. 297 Abs. 3 SchKG), und Gerichtsprozesse werden sistiert (Art. 297 Abs. 5 SchKG). Für nicht pfandgesicherte Forderungen laufen die Zinsen nicht mehr weiter (Art. 297 Abs. 7 SchKG).
    • Generelle Debitorenzessionen verlieren ihre Wirkung ab erteilter Nachlassstundung für Forderungen, die später entstehen (Art. 297 Abs. 4 SchKG).
    • Dauerschuldverhältnisse wie Miet- oder Leasingverträge (ohne Arbeitsverträge) können mit Zustimmung des Sachwalters sofort aufgelöst werden, wenn sonst die Sanierung scheitern würde. Die Gegenpartei muss entschädigt werden. Falls das Verfahren mit einem Dividendenvergleich abgeschlossen wird, wird die Entschädigung nur entsprechend der im Nachlassvertrag festgelegten Dividende bezahlt (Art. 297a SchKG).
    • Der Verkauf von Anlagevermögen (Maschinen, Liegenschaften) ist später paulianisch nicht anfechtbar, wenn das Nachlassgericht oder ein speziell eingesetzter Gläubigerausschuss den Verkauf genehmigt hat (Art. 285 Abs. 3 SchKG). Dieser Genehmigungsentscheid kann von den Gläubigern nicht angefochten werden – wie das Bundesgericht entschieden hat.
    • Bei einer Betriebsübernahme während der Nachlassstundung muss der Käufer weder alle bestehenden Arbeitsverträge übernehmen, noch haftet er solidarisch mit dem Verkäufer für ausstehende Lohnforderungen (Art. 333b und Art. 333 Abs. 3 OR).
    • Bei einer Massenentlassung muss das Unternehmen keinen Sozialplan aufstellen, wenn das Nachlassverfahren mit einem Nachlassvertrag abgeschlossen wird (Art. 335 k OR).
    • Realforderungen können in Geldforderungen umgewandelt werden (Art. 297 Abs. 9 SchKG). Für das Zustandekommen eines Nachlassvertrags braucht es nicht die Zustimmung aller Gläubiger. Es genügt, wenn die Mehrheit der nicht privilegierten Gläubiger der 3. Klasse zustimmen, die mindestens zwei Drittel der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger, die mindestens drei Viertel der Forderungen vertreten (Art. 305 Abs. 1 SchKG).
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