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Fälschung: Auswirkungen von "falscher" Rechnungslegung

In der Praxis führt die Unterscheidung zwischen der rechtlich zulässigen Optimierung der Buchhaltung (Bilanzpolitik) und der unerlaubten Manipulation in der Rechnungslegung regelmässig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Problemen. Nachfolgend soll auf einige Punkte in diesem kontroversen Spannungsfeld eingegangen werden.

01.11.2022 Von: Susanne Grau
Fälschung

Das schweizerische Recht kennt keinen Tatbestand der Manipulation in der Rechnungslegung (über die bilanzpolitischen Gestaltungsräume informiert der Beitrag „Bilanzpolitik“). Der Versuch, mit der Revision des Strafgesetzbuchs 1991 einen Straftatbestand «falsche Buchführung» einzuführen, wurde wieder fallen gelassen. Es stellen sich im Zusammenhang mit der Rechnungslegung weitere Fragestellungen etwa in Bezug auf verwendete Belege und Unterlagen. Zum einen kann es sich dabei um eine klassische Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 Strafgesetzbuch und zum anderen um eine Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 i.V.m. Art. 10 StGB handeln. Einige Praxisfälle sollen helfen, ein wenig Licht in die verschiedenen Fragestellungen und Probleme zu bringen. Mit der Thematik der strafbaren falschen Buchführung befasst sich zunächst Art. 325 (Strafgesetzbuch) StGB, welcher die ordnungswidrige Buchführung ahndet. Wird die Buchführung unterlassen und kommt es zum Konkurs, droht die Strafbarkeit gemäss Art. 166 StGB. Beide Delikte setzen die Buchführungspflicht voraus. Die «Bilanzfälschung» fällt schliesslich unter die Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1. Bestraft wird, wer eine echte, aber inhaltlich unwahren Urkunde, darunter fällt auch die Jahresrechnung, erstellt und diese zu Täuschungszwecken verwendet.

Strafbare falsche Gefälligkeitsrechnungen

In einem anerkannten Urteil vom 24. Mai 2012 (6B_571/2011) hat das Bundesgericht interessante Präzisierungen zum Stellenwert von Rechnungen gemacht. Es ging um einen Geschäftsführer und Finanzverantwortlichen in einer Aktiengesellschaft. Die Gesellschaft hatte den Zweck der Projektierung, Planung und Ausführung von Industriebauten. Eine Person erstellte auf Anregung des Geschäftsführers falsche Rechnungen für Lieferungen und für Handwerksarbeiten, welche in Wahrheit zugunsten der Privatliegenschaft des Geschäftsführers ausgeführt worden sind. Die Rechnungen waren zu Unrecht an die erwähnte Aktiengesellschaft adressiert. Zudem waren sie inhaltlich unwahr, da darin anstelle der tatsächlichen – an die Privatadresse des Geschäftsführers gelieferten – andere Gegenstände und Artikel aufgeführt wurden (beispielsweise Werkzeuge anstelle von Besteck; Teile einer Werkstatteinrichtung anstelle von Briefkasten und Schlauchwagen).

Eine Rechnung gilt rechtlich nicht als Urkunde, weil sie grundsätzlich nur die Behauptung enthält, der Empfänger schulde dem Aussteller einen Betrag für eine Leistung. Man spricht hier von einer sogenannten Parteibehauptung. Eine Rechnung wird aber zur Urkunde, wenn sie als Beleg Eingang in eine kaufmännische Buchhaltung findet. Nach dem erwähnten Bundesgerichtsurteil wird eine sogenannte Gefälligkeitsrechnung von Beginn an zur Urkunde, wenn der Rechnungssteller mit dem Rechnungsempfänger bewusst zusammengewirkt hat. Wenn die Zweckbestimmung einer Rechnung als Buchhaltungsbeleg bejaht werden kann, entsteht die inhaltlich unwahre Urkunde bereits mit deren Erstellung und nicht erst mit der Verbuchung in der Buchhaltung des Rechnungsempfängers (mit Hinweis auf BGE 129 IV 130).

Strafrechtliche Konkretisierungen zur manipulierten Rechnungslegung im Betrugsfall «Erb»

Inwiefern Manipulationen von Jahresrechnungen strafbar sind, ist nicht immer einfach festzustellen und zu entscheiden. Im Betrugsfall «Erb» hat sich das Bundesgericht ausdrücklich mit dieser Frage auseinandergesetzt (BGE vom 27. August 2015, 6B_462/2014). Demnach sind die kaufmännische Buchführung und ihre Bestandteile (Belege, Bücher, Buchhaltungsauszüge über Einzelkonten, Bilanzen oder Erfolgsrechnungen) bestimmt und geeignet, Tatsachen von rechtlich erheblicher Bedeutung zu beweisen. Die Rechnungslegung muss ein genaues und vollständiges Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vermitteln. Eine falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung, wenn sie ein falsches Gesamtbild der Buchführung zeichnet und dabei Buchungsvorschriften und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der Erklärung zu gewährleisten. Die massgebenden Grundsätze finden wir in den Bestimmungen der ordnungsmässigen Buchführung (Art. 957a OR) und der ordnungsgemässen Rechnungslegung (Art. 958 OR).

Im Fall «Erb» haben die Beteiligten die Jahresabschlüsse verschiedener Gesellschaften in Verletzung der geltenden Rechnungslegungsregeln erstellt mit dem Ziel, die Banken über die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage zu täuschen und bestehende Kredite zu verlängern oder neue zu erhalten.

Gemäss ständiger Praxis kommt der kaufmännischen Buchführung daher hinsichtlich der in ihr aufgezeichneten wirtschaftlichen Sachverhalte erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Die Beteiligten haben im erwähnten Verfahren anerkannt, dass die Jahresabschlüsse (insbesondere die Einzelabschlüsse) und ein Grossteil der monierten Abschlussbuchungen in Verletzung der geltenden Rechnungslegungsregeln erstellt wurden. Zur Erklärung und Entschuldigung wird vorgebracht, die unwahren Einzelabschlüsse seien in offensichtlich steueroptimierender Absicht erstellt worden und hätten insbesondere weniger Erträge ausgewiesen, als tatsächlich erwirtschaftet worden seien. Diese Erklärungen reichten natürlich nicht aus, um die grundsätzliche Strafbarkeit des verpönten Vorgehens zu rechtfertigen.

Steuerbetrug

Nicht selten führen steuerliche Gründe und Motive zu Manipulationen in der Buchführung und Rechnungslegung. Das Steuerrecht ahndet strafbares Verhalten als Steuerbetrug oder Steuerhinterziehung (vgl. Art. 175 f. DBG und Art. 56 StHG). Beide Tatbestände stehen im Steuerrecht «quasi» nebeneinander. Ein Steuerbetrug begeht, wer vorsätzlich zum Zwecke einer Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung der Steuerbehörden gebraucht (Art. 186 DBG und Art. 59 Abs. 1 StHG). Die Tat ist vollendet, wenn die gefälschten Urkunden der Steuerverwaltung in Hinterziehungsabsicht eingereicht werden.

Wer ein Delikt im Bereich Urkundenfälschung begeht mit der Absicht, ausschliesslich Steuervorschriften zu umgehen, wird (nur) nach dem Steuerstrafrecht beurteilt (BGE 108 IV 27). Wird die zum Zwecke der Steuervermeidung gefälschte Urkunde auch für andere, nicht ausschliesslich steuerliche Zwecke verwendet, was bei einer manipulierten Buchhaltung und Jahresrechnung regelmässig passiert, erfolgt eine Verurteilung in beiden Rechtssphären (BGE 101 IV 53 Ziff. 1; BGE 122 IV 25 Ziff. 3c; BGE 133 IV 303).

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