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Coaching und Entwicklung: Führungskräfte im Spannungsfeld

Coaching ist zum Modewort geworden. In «New Work»-Modellen steht die Führungskraft im Spannungsfeld zwischen dem flexiblen Wechseln von Führen und Coachen. Doch das sind zwei ganz unterschiedliche Rollen.

18.09.2020 Von: Clivia Koch
Coaching und Entwicklung

Die Rolle als Führungskraft

Als Vorgesetzte(r) vereinbaren Führungskräfte Ziele. Sie tragen die Entscheidungsverantwortung, planen, organisieren und kontrollieren, beurteilen, stellen die Kommunikation sicher und ergreifen unter Umständen disziplinarische Massnahmen. Sie sind verantwortlich für die Ergebnisse der Organisation.

Also besteht eine wesentliche Aufgabe für die Führungsperson darin, Entscheidungen zu treffen. Sie legt die internen Regeln und den Rahmen der Arbeit fest, gibt den Mitarbeitenden Orientierung und vereinbart mit ihnen die gewünschte Richtung. Vor allem behält sie die Übersicht in schwierigen Situationen.

In schwierigen Zeiten und in einem immer komplexeren Umfeld sind die Führungskräfte besonders gefordert. In einer solchen Situation ist es schwierig, Ruhe zu bewahren und analytisch vorzugehen. Als Führungskraft wird man nicht geboren. Es ist «learning on the job».

Es stellt sich schnell heraus, dass immer zu wenig Zeit zur Verfügung steht, allen und allem gerecht zu werden. Deshalb erachte ich es als zentral, dass Vorgesetzte die Fähigkeit beherrschen, ihre Mitarbeitenden so zu befähigen, dass diese ihr ganzes Potenzial zur Geltung bringen können. Eine gute Führungskraft zeichnet sich gerade durch ihr Können aus, Entscheidungen an der richtigen Stelle abzugeben.

Coaching und Entwicklung

Im Coaching geht es darum, den Menschen in seinen Bemühungen zu unterstützen, selbstverantwortlich, selbstgesteuert und kompetent aus seinen Ressourcen heraus sein Leben zu entwickeln. Menschen lassen sich in der Regel nur aus freien Stücken coachen, wenn sie etwas verändern wollen und eine Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand als eine Spannung oder als Unterschied wahrgenommen wird. Erst wenn diese Erwartungen und Interessen der Menschen einbezogen werden, lässt sich ein Coaching-Prozess planen. Der Coach fragt danach, was die Person in ihrem Tun bei der ihr übertragenen Aufgabe tatsächlich motiviert, oder was sie leitet, um sie so zu einem selbstverantwortlichen Handeln zu bringen.

Coaching in Unternehmen selbst steht in der Kontroverse

Soll Coaching dem Einzelnen/der Einzelnen nutzen oder dem Unternehmen? Meine über 30-jährige Berufserfahrung in verschiedenen Hierarchiestufen führten mich immer mehr zu Fragen der Organisationsentwicklung und schliesslich zur Frage der Begleitung von Key-Personen. Was ist nun sinnvoll und trägt zur Verbesserung der Prozesse und des Arbeitsklimas bei? Die Führungskraft als Coach? Die Gefahr ist gross, zum Therapeuten, zur Therapeutin oder zum Erzieher, zur Erzieherin mit einem pädagogischen Späterziehungs-Auftrag zu mutieren.

Fraglich ist, ob dieses Vorgehen im Sinne von Führung noch zielkonform ist. Öffnet sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin und gibt Gefühle preis, die keineswegs ins Business gehören und nicht für die Ohren einer Führungskraft gedacht sind, ist der emotionale Schutzraum nicht mehr gegeben. Mitarbeitende wollen ihre Probleme und Herausforderungen ohne Gesichtsverlust im Unternehmen bewältigen. Erlangt die Führungskraft über heikle private Themen Kenntnisse, können diese zu einem Zielkonflikt führen.

Sind wir bald alle Coaches?

Coaching ist «en vogue» und Coaches schiessen wie Pilze aus dem Boden. Dabei gibt es keine eindeutige Definition für dieses Betätigungsfeld. Viele bezeichnen sich nach ein paar Jahren Berufserfahrung so. Sie steigen nach einer drei- bis vierwöchigen Ausbildung um – auf Coaching. Oft glauben sie so, ihren beruflichen Frust zurück zu lassen. Wenn man Glück hat, moderieren sie allenfalls ein nettes Gespräch, geben mehr oder weniger passable Ratschläge. Vor allen geben sie grosszügig Alltagsweisheiten von sich. Sie nennen sich Live- oder Business-Coach. Das hat allerdings sehr wenig bis und mit gar nichts mit fundierter Arbeit auf Basis von psychologischen Grundlagen der Sozialwissenschaften und Kommunikation zu tun.

Kratzt man an der Oberfläche, scheint die Coaching-Arbeit eine einfachere Rolle. Eine mit weniger Verantwortung behaftete Rolle zu sein als die der klassischen Führungskraft. Mitunter spielt sicher die Tatsache mit, dass heute viele Führungskräfte zu wenig oder gar nicht auf ihre Rolle vorbereit oder gar unterstützt werden.

Wir wissen, dass sich rund zwei Drittel der Führungskräfte von ihren Unternehmen nicht ausreichend auf die bisherigen Führungsaufgaben vorbereitet sehen. Der fachlichen Kompetenz wird oft mehr Bedeutung beigemessen. Und jetzt sollen sie noch die Rolle des Coaches übernehmen? Bisweilen existiert leider folgende Haltung: Coaching ist etwas, was man einfach noch nebenbei macht. Coaching und Entwicklung bleibt ausserhalb der Führungsarbeit.

New Work – und veraltete Menschenbilder

Mitarbeitende sind erwachsen. Sie wollen Transparenz, Klarheit und einen Rahmen, indem sie sich bewegen und entwickeln können. Führungskräfte müssen sich zu einer Rolle und zur Verantwortung bekennen. Sie schaffen den Rahmen vom «Ich» zum «Wir». Von der Kontrolle zur Eigenverantwortung.

In punkto Menschenbild scheint es mir verfehlt, alles beim Alten zu lassen. Es ist aber genauso nutzlos, dem ganzen einen oberflächlichen Anstrich unter dem Namen «New Work» zu verpassen. So stellten die einen Unternehmen neben Coaches zusätzlich Chief Happiness Officers ein. Diese sollten Mitarbeitende nun glücklich machen. Happiness auf Befehl - damit man produktiver wird? Die Führungskräfte wechseln vom Anzug zu Smart Casual. Sie tragen dazu coole Sneakers und nötigen die Mitarbeitenden zum Du. Das hat nichts aber auch gar nichts mit einem Führungsstil auf Augenhöhe zu tun. Im Gegenteil, dieser Führungsstil geht davon aus, dass Mitarbeitende wie Kinder und nicht wie selbstbestimmte erwachsene Menschen behandelt werden müssen. Problemlösungen – und sind sie noch so schön verpackt – die jemanden herabwerten, bringen uns auch nicht weiter. Hier geht es eher darum, Menschen bei Laune zu halten, während die eigentlichen Machtstrukturen unangetastet bleiben.

Unter dem Modewort agile Führung versteht sich nichts anderes als Führen auf Augenhöhe, Verantwortung zu nehmen und zu geben, Sicherheit zu zeigen und Vorbild zu sein, erkennen der Möglichkeiten und Stärken jedes Mitarbeitenden – dies sind nur ein paar der Grundprinzipien, die schon immer galten. Die Rolle der Führungskraft ist es, der Kreativität und Selbstverantwortung Raum zu geben. Eine Fehlerkultur einzuführen, die ihre unternehmerischen Potenziale unterstützt. Jetzt sind Führungskräfte mehr denn je gefordert. Das Gute an der Zukunft ist nicht die Ungewissheit, sondern dass wir gestalten können.

Coaching und Entwicklung ergibt durchaus dort Sinn, wo es als weiterführende Entwicklungs- und Weiterbildungsmassnahme gesehen wird und dazu dient, den Mitarbeitenden und Führungskräften zu noch mehr Wirksamkeit zu verhelfen. Voraussetzung ist, dass der Coach über eine entsprechende berufliche Erfahrung und Ausbildung verfügt. Dass er oder sie unabhängig vom Unternehmen arbeitet und die Allparteilichkeit gewährleistet ist, was bei einem Angestelltenverhältnis schwer zu garantieren ist. Von einer guten Führungskraft hingegen darf man erwarten, dass sie die grundsätzlichen Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation kennt und in ausreichendem Masse sozial kompetent auftritt.

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