Emotionen erkennen: Schlüsselkompetenz einer guten Führungskraft
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Laut der Definition des amerik. Psychologen David Matsumoto sind Emotionen kurze, bio-psycho-soziale Reaktionen auf spezifische Ereignisse, die Konsequenzen für unser Wohlbefinden haben und meist eine sofortige Handlung erfordern.
Emotionen sind biologisch, weil sie zu spezifischen Veränderungen in unserem Gehirn, z. B. dem limbischen System (=Emotionszentrum), und im autonomen Nervensystem führen. Zudem sind sie psychologisch, weil sie kognitive Prozesse wie eine aktivierte Motivation zur Annäherung bzw. Vermeidung oder eine Öffnung bzw. Verengung der Wahrnehmung beinhalten. Zuletzt besitzen sie eine soziale Komponente, welche zwei Aspekte enthält: Einerseits spielen Emotionen eine zentrale Rolle in der sozialen Interaktion, andererseits drücken wir sie nach aussen über Mimik und Körpersprache aus, um sie (unbewusst) an unser soziales Umfeld zu kommunizieren (Matsumoto & Sung Hwang, 2013).
Emotionen erkennen
Vor allem der soziale Aspekt ist für Führungskräfte besonders interessant. Denn die Emotionen der eigenen Mitarbeitenden gezielt zu erkennen und wertschätzend darauf einzugehen, ist eine absolute Stärke und Schlüsselkompetenz, die auch als kognitive Empathie bezeichnet wird. Studien zeigen, dass Führungskräfte mit einer hohen Emotionserkennungsfähigkeit beruflich erfolgreicher sind (Byron, 2007), ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker binden und effektiver motivieren (Rubin, Munz, Bommer, 2005).
Wie können Sie als Führungskraft die Emotionen Ihrer Mitarbeitenden zuverlässig entschlüsseln? Die Forschung ist sich einig: Die Mimik ist der primäre Kanal für die Emotionserkennung, da sie die Bühne unserer Emotionen ist. Mittels über 3.000 Studien wurden 12 Primäremotionen identifiziert, welche kulturübergreifend gleich ausgedrückt werden. Sieben davon zeigen sich rein in der Mimik (Ärger, Angst, Überraschung, Ekel, Verachtung, Trauer & Freude) und bei den weiteren Fünf (Interesse, Scham, Schuld, Liebe und Stolz) kommt neben der Mimik ergänzend die Körpersprache hinzu.
Interessanterweise zeigt die aktuelle Forschung auch, dass wir fast jede zweite Emotion im Gesicht unseres Gegenübers falsch interpretieren (Eilert & Langwara, 2017). Doch das Gute ist, man kann seine Emotionserkennungsfähigkeit trainieren und das Lesen von Emotionen in der Mimik erlernen. Vor allem derer, die von unserem limbischen System unbewusst ausgelöst werden. Diese zeigen sich im Gesicht in Form von Mikroexpressionen, was kurze Muskelbewegungen zwischen 40-500 Millisekunden sind. Das heisst, noch bevor wir mit unserem präfrontalen Kortex denken können, fühlen wir die Emotion und zeigen diese im Gesicht. Das sogenannte Pokerface gibt es also nicht, oder erst nach 500 Millisekunden.
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Ein Beispiel aus der Praxis
Tabea (Führungskraft & Teilnehmerin einer meiner Mimikresonanz®-Trainings) führt regelmässig Mitarbeitergespräche durch. So auch mit Tobias, der kürzlich zum Manager befördert wurde. In seiner neuen Rolle fühlt er sich wohl. Doch er merkt, dass er mit all den ihm neu zugeteilten Themen etwas überfordert ist. Bei einem weiteren Gespräch fragte Tabea ihn, wie es ihm in seiner neuen Rolle ergeht. Tobias antwortete: „Ich fühle mich wohl und die Aufgaben gefallen mir.“ Während er über die neuen Aufgaben spricht, zieht Tobias für Millisekunden die Augenbrauen hoch und zusammen (Wellenform). So kann Tabea seine Emotionen erkennen. Ein zuverlässiges Zeichen für die Primäremotion Angst. Tobias verspürte in diesem Moment nämlich Sorge (gehört zur Wortfamilie Angst) und wollte dies aber nicht verbal an Tabea kommunizieren, da er dachte, dass die Durchführung all dieser Aufgaben von ihm erwartet werden. Tabea erkannte die Sorge, die sich in Form einer Mikroexpression zeigte und nahm das Ganze mit einer Resonanzaussage auf: „Es freut mich, dass du dich in deiner neuen Rolle wohl fühlst. Mein Gefühl sagt mir, dass du etwas besorgt bist, wenn du an all die Aufgaben denkst.“ Tobias verspürte in diesem Moment eine totale Erleichterung und antwortete: „Ja, ich wollte es eigentlich nicht ansprechen, aber ich mache mir Sorgen um die Menge der Aufgaben. Ich weiss nicht, wie ich das alles zeitlich schaffen soll.“ Dank dieser Resonanzaussage und dem vorherigen Erkennen der Emotion konnte das Gespräch in die richtige Richtung gelenkt werden. Das Grundbedürfnis nach Sicherheit, das hinter der Primäremotion Angst steht und Tobias in diesem Moment wichtig war, konnte somit erfüllt werden.
Emotionen gezielt zu erkennen, ist eine absolute Stärke und Schlüsselkompetenz einer jeden Führungskraft und unterstützt dabei, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter wertschätzend einzugehen.
Doch nicht nur Ihre Mitarbeitende haben Emotionen, auch Sie als Führungskraft. Umso wichtiger ist es, eine gesunde Haltung gegenüber Emotionen zu haben. Denn jede erlebte Emotion wird durch einen Trigger ausgelöst, hat eine wichtige Funktion und möchte ein dahinterstehendes Bedürfnis erfüllen. Die innere Haltung, dass in jeder Emotion die Kompetenz zur Erfüllung eines wichtigen Bedürfnisses steckt, steigert nicht nur unser Wohlbefinden, sondern beeinflusst auch unsere psychische Gesundheit (Ford & Gross, 2018).
Praxis-Tipp Emotionen erkennen
Zum Schluss habe ich noch einen Tipp, wie Sie Ihre Emotionserkennungsfähigkeit und gleichzeitig Ihre Resilienz verbessern können.
Die Resonanzatmung: Atmen Sie in einem Rhythmus von fünf Sekunden ein und fünf Sekunden aus und beobachten Sie dabei einfach Ihren Atem. Diese Atemtechnik bringt Ihr ganzes System in einen kohärenten Zustand und erhöht Ihre Herzratenvariabilität (HRV). Eine höhere HRV steht im Zusammenhang mit einer verbesserten Emotionserkennungsfähigkeit und einer höheren Stresstoleranz. Führen Sie die Atmung optimaler Weise 15 Minuten am Tag durch, welche Sie auch in kleine Bausteine über den Tag hinweg verteilen können.