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Fehlerkultur: Wie Unternehmen aus Fehlern lernen

Fehlermanagement benötigt eine Fehlerkultur, die ohne Scham und Schuldgefühle offen über Fehler redet. Etablieren Sie deshalb Fuck-Up-Meetings, Failure-Partys und Post-Mortem-Schreiben.

08.08.2023 Von: Brigitte Miller
Fehlerkultur

Aus Fehlern lernen – Nobody is perfect

Fehler passieren. Jedem. Denn niemand ist perfekt. Weder Sie, noch Ihr Team, noch Ihre Mitarbeiter. Ein Fakt, der die Unternehmenskulturen und die Gesellschaft durchdrungen hat. So ist es kaum verwunderlich, dass sich auch die Begrifflichkeiten rund um das Schlagwort „Fehler“ verändert haben. Weg von „Wer Fehler macht, ist dumm“ hin zu

  • „Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nie genug“ (Ingrid Steeger),
  • „Wer keine Fehler wahrnimmt, bleibt blöde. Es kommt zu einem Entwicklungsdefizit, wenn jemand den Fehler macht, zu wenig Fehler zu machen“ (Arnold Retzer),
  • „Wäre ein Mensch fehlerlos, wäre er nicht lebensfähig. Kein Kind kann laufen lernen, ohne hinzufallen“ (Gunther Schmidt).

Ganz zu schweigen von dem Mantra-ähnlichen Motto „Fehler sind (Lern-)Chancen“, dass immer wieder zu hören und zu lesen ist. Ja, richtig, auch in diesem Artikel, weil dieses Motto eben von alten Überzeugungen befreit und den Weg zu einer offenen Fehlerkultur ebnet. Immer?! Nein, leider nicht immer.

Mancher Fehler-Mindset boykottiert eine offene Fehlerkultur

Fehler annehmen. Fehler als Chance wahrnehmen. Aus Fehler lernen. Gut – und schön. Nur, wie oft gelingt es Ihnen bei Ihren persönlichen Fehlern? Wie oft gelingt es Ihnen, mit Fehlern, die Ihre Mitarbeiter gemacht haben? Nicht immer, oder? Kommt auf den Fehlern an, oder?

Die eigene Akzeptanz ist eben abhängig vom gemachten Fehler. Ein Fakt, den es innerhalb des Fehlermanagements zu berücksichtigen gilt.

Ebenso den weiterhin geltenden Widerspruch „(…) Jedoch zählt im Zuge der ständig sich beschleunigten Spezialisierung in Wissenschaft und Technik auch die schwindende Bereitschaft zur Irrtums- und Fehlertoleranz. Es schwindet die Bereitschaft, die Fehlerhaftigkeit des Menschen zu akzeptieren. Gleichzeitig herrscht das Bewusstsein, dass das ständig wachsende Fehlerrisiko als Folge des Fortschritts in letzter Konsequenz jeden Fehler verbieten muss. Denn menschliches Verhalten läuft zunehmend Gefahr, den grössten anzunehmenden Unfall zu verursachen. Hinzu kommt, dass die rapide wachsende technische Null-Fehler-Kultur im 20. Jahrhundert begleitet wird von einer rasch expandierenden welt-anschaulich-ideologischen Null-Fehler-Kultur“ (Manfred Osten: Die Kunst, Fehler zu machen, 2006, S. 24 – 25, Suhrkamp-Verlag).

Fehler und Misserfolge als Bestandteil Ihres Unternehmens etablieren  

Um diesen Widerspruch auszuloten, als auch die eigene Akzeptanz gegenüber persönlichen Fehlern, als auch den Fehlern anderer zu erhöhen, sollte der Umgang mit Fehlern mühelos(er) sein. Und damit ist nicht nur das interne, hoffentlich anonyme, Fehlermeldesystem gemeint. Vielmehr geht es darum, Fehler aus ihrer negativ-besetzten Nische zu holen. Gehen Sie ab heute kreativ-offen mit Fehlern in Ihrem Unternehmen um. Etablieren Sie:  

Fuck-Up-Meetings

In solchen Meetings geht es um eins: Um Fehler. Oder um es englisch auszudrücken: Where, when and how I did fuck up… Jeder, der will, darf seine Misserfolge, Fehler, Fehl-Entwicklungen und Fehl-Entscheidungen mitteilen. Ziel des Ganzen ist: Gemeinsam aus den Misserfolgen lernen zu können

Failure Partys

Party und Fehler? Ja, warum eigentlich nicht. Fehler sind normal. Fehler gehören zum Leben. Deshalb dürfen Fehler ruhig einmal auch „begossen und gefeiert“ werden. Durch das informelle, gar locker-leichte Ambiente wird einzelnen Fehlern und Misserfolgen die Schwere genommen. Und das Beste: Jeder, der kommt, hat selbst Fehler gemacht und möchte auf diese anstossen.

Fehler-Rankings des „Besten oder Kreativstem Fehler des Monats“

So viel kommt ins Ranking. Der beste Mitarbeiter. Der beste Verkäufer. Der beste Mitarbeiter des Kundenservice undundund… Beste Gelegenheit auch mal die besten Top-10-Fehler zu prämieren. Ja, richtig gelesen: Prämieren.

Post-Mortem-Schreiben

Jeder Fehler enthält wichtige Informationen. Jeder Misserfolg muss verdaut und verarbeitet werden. Hier helfen die sogenannten Post-Mortem-Schreiben. Denn ein Post-Mortem-Schreiben ist ein Abschiedsbrief, der persönlich oder auch im Team verfasst wird, um sich mit dem Fehler oder Misserfolg mit all seinen Facetten und Aspekten schriftlich auseinanderzusetzen – und ihn dann loszulassen. Dies reduziert die Fehlerbelastung des einzelnen ungemein. Gleichzeitig wird der Blick nach vorne gerichtet: Was nehmen wir daraus für die Zukunft mit?

Fuck-Up-Meetings und Co stärken Ihre Fehlerkultur: 4 Tipps um aus Fehlern zu lernen

Auch, wenn es bei solchen „Kreativen-Fehler-Events“ darum geht, den eigenen Fehlern spielerischer zu begegnen, bedarf es bei der Planung und Durchführung einer Portion Ernsthaftigkeit und Fingerspitzengefühl. Damit alles gut gelingt, bieten die folgenden Tipps einige Inspiration für die Umsetzung.

Tipp 1: Irritationen aufgreifen

Solche Events mögen bei dem einen oder der anderen Ihrer MitarbeiterInnen schon Verwunderung auslösen. „Jetzt soll ich meine Fehler feiern?“ oder „Einen Abschiedsbrief schreiben?! Wie irre, ist das denn?!“. Nehmen Sie solche Einwände und Aussprüche ernst.

Achten Sie auch auf die Körpersprache. So mancher wird vielleicht nichts offen sagen, aber dafür spricht seine nonverbalen Signale Bände – wie Arme verschränken, Blickkontakt meiden oder gerade aggressiv anschauen.

Kommunizieren Sie deshalb unbedingt den Sinn und Zweck dieser Veranstaltung. „Unser Motto unserer Fehlerkultur lautet: Wir alle machen Fehler. Wir alle dürfen Fehler machen. Und wollen aus diesen lernen. Oft genug reden wir über einzelnen Fehler. Aber leider nicht oft genug. Das wollen wir ändern. Auf der geplanten Failure-Party (oder was immer geplant ist) wollen wir uns zwanglos treffen, um nicht allein Misserfolge für alle ins Rampenlicht zu stellen, sondern diese auch zu feiern. Denn jeder Misserfolg hat uns stets wichtige Erkenntnisse darüber beschert, was nicht funktioniert und wie wir es anders machen müssen. Zwei Gründe, auf die wir anstossen wollen.“

Tipp 2: Bewertungskriterien fürs Ranking festlegen

Ein Ranking funktioniert nur mit nachvollziehbaren Kriterien. Dies gilt auch für das „Top-10-Fehler-Ranking“. Legen Sie also entsprechende Kriterien fest – beispielsweise der Misserfolg, der

  • Kosten einsparte – kurz-, mittel- und langfristig,
  • neue Wege ermöglichte: Sei es in der Produktion, in den Arbeitsabläufen,
  • einen Entwicklungsschub bescherte,
  • Schaden vom Team, den Kunden und/oder dem Unternehmen abwendete,
  • für Optimierung sorgte,
  • Denkschienen durchbrechen half,
  • am schnellsten entdeckt und gelöst wurde
  • undundund…

Kommunizieren Sie die Kriterien, die festgelegt wurden. Sorgen Sie für eine hohe Transparenz beim Ranking. Geben Sie nicht allein die jeweiligen Fehler-Rankings bekannt. Benennen Sie auch, was daraus in den einzelnen Abteilungen gelernt wurde und was alle davon lernen können. Definieren Sie für alle den Lernerfolg, den der Fehler bescherte.

Tipp 3: Ursachen-Ketten in Post-Mortems beschreiben

Selten gibt es eine Ursache – und damit auch einen alleinigen Verursacher – für den Fehler und Misserfolg. Vielmehr reihen sich Ursachen an Ursachen an Ursachen. Oder anders ausgedrückt, dem Fehler, der jetzt wahrgenommen und offengelegt wird, gingen viele Fehler voraus. 

Vielleicht wurden Vorgaben schlecht kommuniziert und delegiert. Vielleicht waren die Deadlines unrealistisch. Vielleicht gab es Absprachen im Team, die nicht eingehalten wurde. Vielleicht gab es Umstrukturierungen. Vielleicht gab es zwischen dem oberen und mittleren Management Hierarchie-Gerangel, das sich auf die Ziele auswirkte. Vielleicht wurden die Kundenbedürfnisse falsch eingeschätzt. Vielleicht änderte der Kunde immer wieder seine Anforderungen an das bestellte Dienstleistungs-Paket. Vielleicht haben Sie als Vorgesetzter das Team und die einzelnen Mitarbeiter nicht ausreichend unterstützt.

Es gibt eben viele Ursachen, die ineinander spielen. Legen Sie diese offen. Bitten Sie das Team und/oder die einzelnen Mitarbeiter, die Fehler-Ursachen-Kette im Post-Mortem zu beschreiben. Damit dies mühelos(er) gelingt, nutzen Sie die Warum-Methode:

5x und mehr Warum fragen

Das Team soll den Sachhalt hinterfragen – beispielsweise

  1. Warum ist dieser Fehler passiert? Weil Anton die Abgabe nicht eingehalten hat.
  2. Warum hat Anton die Abgabe nicht eingehalten? Weil er die falschen Fakten erhielt.
  3. Warum hat er die falschen Fakten erhalten? Weil er Daten zur ersten Zieldefinition angefordert hat.
  4. Warum hat er diese Daten angefordert? Weil er das neue Ziel nicht kannte.
  5. Warum kannte er das neue Ziel nicht? Weil er eine Woche auf Schulung war und niemand im Team ihn über die Änderungen konkret informierte.
  6. Warum hat ihn niemand konkret informiert? Weil sich niemand zuständig fühlte und keiner diese Wissenslücke auf dem Schirm hatte.

Tipp 4: Stopp dem Blame-Game

Kreative-Fehler-Events sind ungewohnt. Denn bei solchen Events steht der Fehler im Vordergrund. Aber auch, derjenige, der ihn „verursacht“ hat. Und dabei zeigt sich schnell: Ist der Fehler-Mindset des Einzelnen und/oder des Teams wirklich bejahend offen? Oder treten Sticheleien ans Licht, die wieder das so veraltete, aber dennoch typische Blame-Game offenbaren?

Achten Sie als Vorgesetzter und Führungskraft deshalb unbedingt auf Äusserungen wie

  • „Na, da hast du ja ein Ei gelegt.“
  • „Also, mir wäre dies nicht passiert.“
  • „Mensch, wie peinlich.“
  • „Jetzt können wir, wegen dir, wieder von vorne anfangen.“
  • „Fehler als Lernchance? Wäre schön, wenn du dies beherzigen würdest.“

Unterbinden Sie solche Aussagen. Denn ein Blame-Game fördert nur das Risiko, dass eben nicht offen mit Fehlern umgegangen wird, sondern diese ignoriert und vertuscht werden.

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