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Arbeitsbekleidung: Wer muss dafür aufkommen?

Egal ob nun eine Hose mit dutzenden Taschen für den Elektriker oder ein Kittel für die Chemielaborantin: Wer nicht gerade im Büro arbeitet, muss meist spezielle Arbeitsbekleidung tragen. Doch wer muss diese bezahlen?

19.01.2022 Von: Andrin Hofstetter
Arbeitsbekleidung

Rechtliches

Auch wenn im Büro ein gutgeschnittener Anzug oder Kleid Niveau und Geschmack ausdrücken, so sind diese Kleidungsstücke etwa auf einer Baustelle nicht nur hinderlich bis ungeeignet, sondern teilweise auch durch diverse Vorschriften schlicht verboten. Doch wer der Frage nachgeht, wer im Zweifelsfall eigentlich für die Arbeitsbekleidung aufzukommen hat, findet nicht sofort eine einfache und klare Antwort. Weder im Obligationenrecht noch im Arbeitsgesetz findet sich der Begriff der Arbeitsbekleidung. Immerhin befassen sich die Artikel 327 und Artikel 327a des Obligationenrechts mit Arbeitsgeräten, Material und Auslagen. Artikel 327 Abs. 1 OR besagt, dass ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer mit den Geräten und dem Material auszurüsten hat, das sie für die Ausübung ihrer Tätigkeiten benötigen. Stellt der Arbeitnehmer im Einverständnis mit dem Arbeitgeber selbst Geräte oder Material zur Verfügung, so ist er dafür angemessen zu entschädigen (Art. 327 Abs. 2 OR). Die Bestimmung von Art. 327 OR ist dispositiver Natur, d.h. in beiden Fällen sind davon abweichende Vereinbarungen zulässig. Ebenfalls bleibt eine anderslautende Übung vorbehalten.

Artikel 327a OR besagt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen hat. Gegenteilige Abreden, wonach der Arbeitnehmer notwendige Auslagen selber oder anteilig zu tragen hat, sind hier unzulässig.

    Weitere Vorschriften, die sich mit Arbeitskleidern befassen, finden sich in Artikel 27 Abs. 1 ArGV 3 und in Art. 28 ArGV 3. Diese Regelungen sind zwingender Natur, davon kann durch Vereinbarung nicht abgewichen werden. Artikel 27 Abs. 1 ArGV 3 besagt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zumutbare und wirksame persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung stellen muss, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen durch technische oder organisatorische Massnahmen nicht oder nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Art. 28 ArGV 3 besagt, dass der Arbeitgeber in angemessenen Zeitabständen für die Reinigung der Arbeitskleider zu sorgen hat, wenn diese durch übelriechende oder sonstige im Betrieb verwendete Stoffe stark verunreinigt werden.

    Regelungen rund um die Arbeitsbekleidung finden sich sodann auch in Gesamt- oder Normalarbeitsverträgen. Ist auf ein Arbeitsverhältnis ein GAV oder ein NAV anwendbar, ist deshalb abzuklären, ob eine entsprechende Regelung besteht.

    Die erwähnten Vorschriften verwenden den Begriff der Arbeitsbekleidung uneinheitlich. Nachfolgend soll deshalb eine kurze Auslegeordnung vorgenommen werden.

    Definitionen

    Schutzausrüstung, respektive die Schutzkleidung umfasst laut Artikel 27 ArGV 3 all das, was einen Arbeitnehmer vor den durch seinen Beruf entstehenden Gefahren oder negativen Einflüssen schützt. Das kann ein schlichter Wärmeschutz sein, für jemanden, der in einem Kühlhaus arbeitet. Allerdings gehören auch Augen- und Gehörschutz ebenso in diese Kategorie, wie Sicherheitsschuhe oder ein Helm.

    Dienstkleidung hat einen uniformen Charakter. Was beim Polizisten der Erkennbarkeit als Ordnungshüter dient, hat auch eine ähnliche Funktion auch bei anderen Arbeitnehmern, nämlich die „Corporate Identity“. Das Tragen von Dienstkleidung ist normalerweise angeordnet, da es im Interesse des Arbeitgebers liegt, ein einheitliches Erscheinungsbild zu schaffen. Dienstkleidung kann auch Schutzkleidung sein, man denke hier bspw. an eine Schussweste der Polizei.

    Arbeitskleidung ist gemäss Artikel 28 ArGV 3 all das, was der Arbeitnehmer für den Umgang mit schmutzigen oder giftigen Stoffen trägt. Damit gehört die Arbeitskleidung im Sinne von Art. 28 ArGV 3 für den Juristen zur Schutzkleidung. Arbeitskleidung im hier verstandenen Sinn ist jede Art von Kleidung, die ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner Tätigkeit trägt. Darin enthalten sind alle Kategorien, namentlich die Schutzkleidung, Dienstkleidung (Uniformen) und die Berufskleidung. Als „reine“ Arbeitskleidung wird Kleidung verstanden, die der Arbeitnehmer in Ausübung seiner Tätigkeit trägt, welche aber weder Berufs-, Dienst- noch Schutzkleidung darstellt.

    Berufskleidung ist die Kleidung, die typischerweise, wenn auch nicht exklusiv, für einen bestimmten Beruf getragen wird (bspw. Anzug bei Rechtsanwälten, aber auch bei Bank- oder Versicherungsangestellten). Berufskleidung ist damit immer Arbeitskleidung. Auch Schutz- und Dienstkleidung ist immer Berufskleidung.

      Beschaffung/Kostentragung

      Berufskleidung ist nach vorliegender Ansicht Material im Sinne von Art. 327 OR und nicht Auslage im Sinne von Art. 327a OR. Damit ist, vorbehältlich einer anderweitigen Abrede oder Übung, der Arbeitgeber verantwortlich, Berufskleidung bereitzustellen und er trägt dafür auch die Kosten. Stellt der Arbeitnehmer die Berufskleidung im Einverständnis mit dem Arbeitgeber zur Verfügung, hat der Arbeitgeber angemessene Entschädigung zu leisten. Wie erwähnt gilt dies, sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde oder eine andere Übung besteht. Aufgrund des dispositiven Charakters von Art. 327 OR sind selbstverständlich auch Regelungen zulässig, welche die Kostentragungspflicht zwischen Arbeitgeber und –nehmer aufteilen.

      Bezüglich Schutzkleidung besteht keine Möglichkeit, eine von Art. 27 Abs. 1 ArGV 3 abweichende Regelung zu vereinbaren. Diese Bestimmung ist zwingend, womit der Arbeitgeber verpflichtet ist, Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen und deren Kosten zu tragen.

      Dienstkleidung (Uniform) dürfte mehrheitlich durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und bezahlt werden, da das Tragen in seinem Interesse erfolgt. Grundsätzlich wäre es aber zulässig, die Beschaffung und Kostentragung von Dienstkleidung (Uniform) auf den Arbeitnehmer zu überwälzen. Die Beschaffung und die Kostentragung von Berufskleidung, welche nicht Schutzkleidung darstellt, darf dem Arbeitnehmer überbunden werden.

      Arbeitskleidung, welche weder Berufs-, Dienst- noch Schutzkleidung darstellt, also „reine“ Arbeitskleidung, ist ohnehin vom Arbeitnehmer zu beschaffen und zu bezahlen.

      Reinigung und Unterhalt

      Artikel 327 OR regelt die Kostentragungspflicht für Arbeitsgeräte und Material. Als dispositives Recht erstreckt sich die Bestimmung auch auf die Reinigung und den Unterhalt. Das bedeutet wiederum, sofern nicht anders vereinbart oder üblich ist, dass der Arbeitgeber auch für die Reinigung und den Unterhalt der Berufskleidung zuständig ist. Freilich können auch hier davon abweichende Abreden getroffen werden.

      Bei Schutzkleidung gehört die Reinigung und der Unterhalt wiederum zwingend in den Aufgabenbereich des Arbeitgebers. Davon abweichende Vereinbarungen sind unzulässig.

      Arbeitskleidung, welche weder Berufs-, Dienst- noch Schutzkleidung darstellt, also „reine“ Arbeitskleidung, ist vom Arbeitnehmer zu reinigen und zu unterhalten.

        Eigentum

        Wurde die Berufskleidung vom Arbeitgeber beschafft und bezahlt und ist nichts anderes verabredet, bleibt der Arbeitgeber auch deren Eigentümer. Der Arbeitnehmer ist blosser Besitzdiener. Gestützt auf das Weisungsrecht kann der Arbeitgeber in diesem Fall bestimmen, wann die Tragung der Berufskleidung verboten ist (bspw. für den privaten Gebrauch). Ist der Arbeitgeber Eigentümer der Berufskleidung, kann der Arbeitnehmer als Nichteigentümer auch nicht gültig ein Retentionsrecht an derselben geltend machen.

        Ist hingegen vereinbart, dass der Arbeitnehmer die Berufskleidung zu beschaffen und zu bezahlen hat, wird er im Regelfall auch deren Eigentümer und kann über sie grundsätzlich frei verfügen (womit er grundsätzlich diese Berufskleidung auch privat tragen darf). Einschränkungen dieser umfassenden freien Verfügbarkeit können sich hingegen aus der gesetzlichen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber ergeben.

        Quellen

        Sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber steht es bei der Wahl der Arbeitsmittel frei, diese von einem ihm passenden Anbieter vor Ort zu besorgen. Im Zweifelsfall gibt das Gesetz hier nur bestimmte (Material-) Eigenschaften der Kleidung vor (Schutzkleidung muss den Arbeitnehmer selbstredend vor den Gefahren und negativen Einflüssen der Arbeit schützen). Alles Weitere liegt (innerhalb gewisser, auch sittlicher Grenzen) beim Arbeitgeber.

        Fazit

        Dem Arbeitgeber kommt im Endeffekt ein grosser Ermessensspielraum beim Thema Berufskleidung zu. Grundsätzlich gilt:

        • Nur Schutzbekleidung ist zwingend vorgeschrieben und muss vom Arbeitgeber gestellt und bezahlt werden. Dazu gehört auch Reinigung und Unterhalt.
        • Berufskleidung kann, muss aber nicht vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und bezahlt werden. Regelungen sind zulässig. Gleiches gilt für Reinigung und Unterhalt.
        • Berufskleidung, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt und bezahlt, bleibt in seinem Eigentum. Er kann den Arbeitnehmern verbieten, Berufskleidung in der Freizeit zu tragen.
        • Berufskleidung, die der Arbeitnehmer zur Verfügung stellt und bezahlt, ist sein Eigentum. Er kann über die Berufskleidung frei verfügen. Einschränkungen der freien Verfügbarkeit können sich aus der gesetzlichen Treuepflicht ergeben.
        • Reine Arbeitskleidung ist vom Arbeitnehmer zu beschaffen und zu bezahlen.
        • Weisungen des Arbeitgebers bezüglich Berufskleidung dürfen nicht widerrechtlich, unmöglich oder unsittlich sein. Die Anordnung des Arbeitgebers etwa, nur kurze Röcke zu tragen, wäre unsittlich und müssten nicht befolgt werden.
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