Change-Projekte erfolgreich gestalten
Zwei Drittel aller Change-Projekte scheitern. Diese Diagnose ist schockierend. Wie gross die Defizite tatsächlich sind, zeigt eine aktuelle Studie des IBM Institute for Business Value: 40 Prozent der Befragten glauben, dass sie nicht die nötigen Kompetenzen besitzen, um zukünftige Change-Projekte erfolgreich zu gestalten. Gar 87 Prozent sagen, dass in kritischen Projekten nicht genügend Fokus auf das Managen von Change gelegt wird. Nur 49 Prozent der Organisationen halten ihre Führungskräfte für geeignet, um Change-Prozesse effektiv durchzuführen. Und gerade einmal 20 Prozent der Unternehmen halten sich für erfolgreich beim Managen von Change.
Welches sind die Gründe für diese Defizite im Changemanagement (CM)? Die Studie von IBM liefert einige Erkenntnisse:
- CM-Benefits sind nicht klar (69 Prozent): Dies betrifft die Erfolgskriterien, die es als lohnend erscheinen lassen, in CM zu investieren (Wertzuwachs). Hier müssten spezifische Kriterien definiert werden, mit denen Projektresultate gemessen werden können.
- CM-Aktivitäten sind nicht klar (53 Prozent): Die Benefits aus zufälligen oder Ad-hoc-CM-Aktivitäten sind nicht fassbar, da diese in ihrer Absicht, ihrer Wirkung und ihren Folgen für die Organisation starken Schwankungen und Zufallsfaktoren unterworfen sind. Deswegen könnten Kernaktivitäten definiert werden, die mit jedem erfolgskritischen Projekt in Verbindung stehen. Diese CM-Aktivitäten können spezifisch in jedem Projektplan ausgewiesen werden.
- CM-Rollen sind nicht klar (49 Prozent): Die Rollen der Change Professionals sind weder klar definiert noch gut aufeinander abgestimmt, sodass Aufgaben, Verantwortlichkeiten und das genaue Zusammenspiel nicht explizit bekannt sind und somit auch nicht genutzt werden können.
- Mangel an gut ausgebildeten CM-Ressourcen (43 Prozent): Viele Organisationen haben Veränderungswünsche, aber kein geeignetes Wissen und/oder keine geeigneten Fähigkeiten dazu. Unzureichend ausgebildete Personen werden aber trotzdem mit Change-Projekten betraut. Stattdessen müsste der schnelle Aufbau von CM-Know-how und -Skills betrieben und prominent in der Organisation verankert werden.
- CM ist zu teuer (26 Prozent): Der Aufbau neuer Ressourcen, die Nutzung neuer Tools und Verfahren oder auch ein systematisches CM-Training können kostenintensiv sein. Wie teuer es in Zukunft werden kann, wenn in diesen Bereich nicht genügend investiert wird, wäre allerdings als Gegenrechnung aufzumachen.
Alle diese Aspekte sind durch Managemententscheidungen beeinflussbar, also eindeutig hausgemacht. Die Zielrichtung muss sein, organisationsweit Wissen und Kompetenzen aufzubauen, um die zukünftige Daueraufgabe «Change» zu meistern.
Lernen von den «Change Architects»
Gemäss der Studie von IBM nehmen nur 20 Prozent der befragten Unternehmen die Herausforderungen des CM ernst, die sogenannten «Change Architects». Ihre Ergebnisse können sich sehen lassen: 75 Prozent ihrer Projekte sind erfolgreich und erreichen die vorab definierten Ziele. Welches sind die erfolgskritischen Faktoren der «Change Architects»? Sie zeigen sich auf den drei folgenden Ebenen:
1. Neue Führungsphilosophie und -konzepte: Führen auf allen Ebenen
Change ist nicht mehr nur Sache der etablierten Führungskräfte, wie der Change-Vordenker John P. Kotter hervorhebt. Der Kreis der Change-Verantwortlichen und der Kompetenzträger muss systematisch erweitert werden, indem Rollenmodelle über die gesamte Organisation wirken und neue und leidenschaftliche Change-Leader auf allen Ebenen der Organisation aktiviert und genutzt werden. Diese Change-Leader müssen systematisch trainiert und befähigt werden.
2. Eindeutige Priorisierung: Change Wichtigkeit geben
Organisationen müssen zudem lernen, zwei «Betriebssysteme» gleichzeitig zu bedienen. Wie John P. Kotter betont, müssen Unternehmen lernen, sich mehrerer Rationalitäten und Logiken parallel zu bedienen: Innovative Change-Vorhaben, die sich häufig der Netzwerkform und deren Logik bedienen, werden ebenso ständiger Bestandteil des Geschäfts sein wie effiziente Routineprojekte, die sich meist herkömmlicher hierarchischer Organisationsformen und deren Logiken bedienen. Beide sind zwei gleichberechtigte Teile des Business, die bei der Organisationsgestaltung zu berücksichtigen sind. Die zunehmende Wichtigkeit von CM wird besonders vermittelt über die konsequente und konsistente Teilhabe von Mitarbeitenden in fortlaufenden Change-Projekten. Nur so kann eine reife, Change-getriebene und -kompetente Unternehmenskultur entstehen. Dafür ist auch eine Änderung des reinen Top-down-Kommunikationsstils und der tradierten Kommunikationsmittel erforderlich: Dialogische Kommunikationsformen unter Einbeziehung von Social Media müssen geschaffen und umfassend praktiziert werden, nicht nur für den Wissensaustausch, sondern auch als multiple institutionalisierte Feedbackmöglichkeiten – ein Aspekt, den auch die Studie von IBM betont. Ein nächster Schritt wäre es, Zeit für Mitarbeitende freizusetzen, um sich als «Virtual Change Agents» in innovativen Projekten zu engagieren, wie dies Google bereits heute tut.
3. Konsequente Organisationsentwicklung: Fit für den Change werden
Das Investment in Change-Wissen und die Befähigung zu adäquatem Handeln müssen konsequent gesteigert werden. Gegenwärtig nimmt dies 5 Prozent oder weniger aller Projekt-Budgets ein. Gemäss der Studie von IBM wären jedoch mindestens wären 11 Prozent nötig, um effektiv zu sein. Der Aufbau von Change-Kompetenz sollte auch durch Karriere-Leitplanken geschehen. So sehen «Change Architects» 42 Prozent mehr als andere Firmen formelle Karrierewege für «Change Agents» vor. Sie bauen zudem systematisch Change-bezogene Trainings auf und fördern den firmenweiten Austausch von Change-Wissen und Best Practices. Die Zielvorstellung ist der Aufbau eines organisationalen Change-Wissensbestands, in dem spezifische Anwendungsbereiche von Change, verschiedene Projektarten und die entsprechenden Ressourcen enthalten sind.
Change-Kultur systematisch fördern
Erfolgreiches CM, welches den zukünftigen Anforderungen gerecht werden will, macht einen Paradigmenwandel im Umgang mit Change nötig: Zum einen ist eine neue Geisteshaltung nötig, die sich vom halbherzigen Tun abwendet und ein Engagement von ganzem Herzen anstrebt. Zum anderen legen Studien wie jene von IBM, aber auch Change-Experten wie John P. Kotter dringend nahe, eine Change-Kultur mit den entsprechenden Kompetenzen systematisch zu fördern. Meilensteine dafür sind:
- die ständige Erhöhung der strategischen Bedeutung von Change-Projek-ten gegenüber Routineprojekten.
- die Zuweisung angemessener Ressourcen für Change-Vorhaben.
- die Förderung von Netzwerkstrukturen, z.B. durch die elaborierte Nutzung von Social Media, sowohl zum Wissens austausch als auch zu Projekt-und Prozess-Feedbacks.
- die Etablierung systematischer, aufeinander abgestimmter Trainings für CM, die zum Aufbau von Wissens- und Kompetenzpools im Thema CM führen.
Neues Rollenverständnis ist nötig
Die hier skizzierte Verteilung von CM-Leadership und ihre Ausweitung über alle Ebenen der Organisation jenseits hi erarchischer Positionen und formaler Rollen hat Konsequenzen: sie beinhaltet ein verändertes Verständnis der Rollen des Managements als Treiber und Initiator von Change.
Die Transformation und Integration von Führung in neue Organisationsformen, Strukturen und Praktiken ist bereits in vollem Gange. Dies zeigen Beispiele aus den sogenannten evolutionären Organisationen, in denen Change-Aufgaben nach Selbstorganisationsprinzipien eigenständig aufgenommen und geregelt werden.