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Aktionsrichtung quer: Von der Abteilungsdenke zur crossfunktionalen Organisation

Die grosse Mehrzahl aller klassischen Unternehmen ist noch immer in Silos organisiert. Solche Strukturen sorgen für Abgrenzung, Bereichsegoismen und Ineffizienz. Die grösste Umsatzverschwendung entsteht aus einem Mangel an crossfunktionaler Zusammenarbeit. Wer das überwindet, kann sich Wettbewerbsvorteile sichern.

18.08.2021 Von: Anne M. Schüller
Aktionsrichtung quer

Aktionsrichtung quer

„Quer“ wird in Zukunft zu einem massgeblichen Stichwort in der organisationalen Struktur. Innovationen entstehen kollaborativ und interdisziplinär. Bürokratie muss bereichsüberlappend abgebaut werden. Die Digitalisierung läuft sowieso quer durch das gesamte Unternehmen, sie betrifft alles und jeden. Mit der Agilisierung ist es das Gleiche. Sie muss jeden Winkel im Unternehmen erfassen. Auch eine Kundenreise, die Customer Journey, verläuft quer durch die Unternehmenslandschaft über mehrere Abteilungsgrenzen hinweg.

Die vornehmliche Arbeitsrichtung in Topdown-Organisationen hingegen ist vertikal: Nach unten laufen Befehle, nach oben Berichte. Die Beschäftigten sind in Abteilungen organisiert und arbeiten liniengetreu für ihre jeweiligen Chefs. Die Hierarchie darf nicht übergangen werden. Gemacht wird am Ende das, was die jeweilige Führungskraft will. Jede Menge Anweisungs-, Abstimmungs- und Kontrollaktivitäten sorgen für einen irre hohen Verwaltungsaufwand, verursachen Blockaden und kosten wertvolle Zeit.

Eine crossfunktionale Organisation ist für die Zukunft besser gerüstet. Sie agiert horizontal. Kundenprojekte werden in fachübergreifenden Teams entwickelt, um reibungslos aufeinander abgestimmte zügige, hochwertige und zugleich inspirierende Kundenerfahrungen sicherzustellen. Denn der Kunde entscheidet sich nicht für oder gegen eine Abteilung, sondern für oder gegen ein Unternehmen. Abteilungsgrenzen, Abstimmungsprobleme und Zuständigkeiten sind ihm egal.

Funktionssilos sind organisationale Anomalien

In Silos stehen die einzelnen Bereiche zueinander in Konkurrenz. Sie verfolgen vorgegebene Eigenziele, auf die eine Punktlandung gefordert und bei Erreichen bonifiziert wird. Abgrenzungsstrategien sind die Folge. In die Hoheitsgebiete anderer greift man nicht ein. Und „die da“ lassen das auch nicht zu. Statt gemeinsame Lösungen ins Auge zu fassen, schiebt man einander den „Schwarzen Peter“ zu, wenn Fehler passieren. Und schuld sind natürlich immer die anderen.

„Wenn ich mit anderen Abteilungen zusammenarbeite, schade ich mir selbst. Mein Bonus bemisst sich schliesslich nach dem, was ich in meinem Bereich leiste“, sagte mir kürzlich der Abteilungsleiter eines Maschinen- und Anlagenbauers. So entsteht eine „Win-lose“-Mentalität, die Sieger und Besiegte produziert. Im fortwährenden Kampf um Budgetressourcen und die Aufmerksamkeit von ganz oben reibt man sich beim internen Schaulaufen auf, statt gemeinsam den Kunden zu dienen. Talente werden gebunkert, damit nur ja keine andere Abteilung auf sie aufmerksam wird.

Der Austausch zwischen den einzelnen Fachbereichen ist in Siloorganisationen nicht nutzenbestimmt, sondern vorrangig politisch getrieben. Es herrscht eine ausgedehnte Absicherungsmentalität. Alles braucht ewig, während es die Silos rauf und runter wandert. Entscheidungsstaus, Insellösungen und Versäumnisse sind die logische Folge. Vieles wird doppelt gemacht, manches gar nicht, einiges bleibt ewig liegen, das meiste wird in unterschiedlicher Qualität abgeliefert.

Abteilungsgeprägte Strukturen müssen abgebaut werden

Silostrukturen sind mit der Flexibilität, die die Märkte und Kunden heute und morgen verlangen, nicht kompatibel. Sie sorgen für unnatürliche Hürden bei der interdisziplinären Zusammenarbeit. Durch einen Verwaltungsapparat, der letztlich vom Kunden bezahlt werden muss, und eine aufgeblähte Mess- und Steuerungsbürokratie sorgen die einzelnen Bereiche ja überhaupt erst für ihre Daseinsberechtigung.

Zudem werden immer mehr Tätigkeiten, die etwa im Marketing, im Einkauf, in der Rechtabteilung, in HR und Controlling anfallen, von künstlichen Intelligenzen übernommen. Der verbleibende Rest wird idealerweise in unterstützenden und beratenden Einheiten, sogenannten Servant Units, erledigt. Diese stellen den einzelnen Business Units und Projektgruppen die benötigten Expertisen auf Abruf zur Verfügung. Hierzu werden die jeweiligen Spezialisten in internen Kompetenzpools gelistet.

Die jeweils profundesten Profis aus den Unterstützungsbereichen werden zwecks Experteneinschätzung sowohl von den Führungskräften als auch von der Geschäftsführung konsultiert. Dies geschieht in Einzelgesprächen und im Rahmen von strategischen Meetings. Bislang sitzen ja dort nur die „Oberhäupter“ beisammen. „Niederrangige“ haben gar keinen Zutritt. Das muss sich ändern, Aktionsrichtung quer zu ermöglichen. Nicht die „wichtigen“ sondern die richtigen Leute gehören an den Entscheidungstisch.

Die zukünftige Arbeitsweise des Personalwesens

Auch das Personalwesen muss umfunktioniert werden. Es war ein Fehler der klassischen Organisationsentwicklung, die gestaltende und die verwaltende Personalarbeit zusammenzupferchen. Dabei herausgekommen ist vor allem Bürokratie. Ich empfehle von daher, Gestaltung und Verwaltung konsequent zu trennen.

Lehnen wir uns hierbei an die zunehmend üblichen englischen Begrifflichkeiten an, dann haben wir einerseits People & Culture und andererseits HRaaS, Human Resources as a Service. HRaaS übernimmt die Verwaltungsarbeit. Zunehmend automatisiert sichert dieser Bereich den organisatorischen und rechtlichen Rahmen, in dem die Beschäftigten tätig sind.

Die beratende Expertise der Personaler wird besonders bei der Mitarbeitergewinnung gebraucht, vor allem dann, wenn mehr oder weniger autonome Teams zum Peer-Recruiting übergehen und über Neueinstellungen selbst entscheiden. Warum Peer-Recruiting immer wichtiger wird? Die kulturelle wie auch interpersonelle Passung erhält zunehmend Vorrang vor der fachlichen. Fachliches kann man zur Not lernen. So wird «Aktionsrichtung quer» in einer Organisation gefördert.

Auch die Weiterbildung wird sich neu formieren

In Zukunft wird sich auch die Weiterbildung neu formieren. Schluss mit dem Vorratslernen von Inhalten, die man am Ende gar nicht braucht. Das langweilt und schafft Gleichgültigkeit. Schluss auch mit topdown verordneten Trainings und Einheitsprogrammen. Sowas bringt wenig Nutzen und verschlingt eine Unmenge Geld.

Zunehmend funktioniert die Mitarbeiterentwicklung selbstorganisiert - und damit „just in time“ auf die individuelle Situation zugeschnitten. Sie erfolgt in Häppchen und interaktiv, meist mithilfe von Online-Modulen, die von überall aus abrufbar sind. So sind Schulungen, die früher tagelang dauerten, heute via Künstlicher Intelligenz oder VR- und AR-Tutorials, also über Brillen, die einen mit der virtuellen Welt verbinden, innerhalb weniger Stunden absolvierbar.

Hemmschwellenfrei kann man sein Wissen auch im Dialog mit digitalen Assistenten vertiefen. Zudem lernt die Belegschaft miteinander, indem sie eigeninitiativ entsprechende Circle bildet und ihr Wissen in Learning Communitys teilt. In Form von personalisierten Lernreisen werden Programme entwickelt, die auf die momentanen Bedürfnisse, Kenntnisse und Interessen des Lernenden zugeschnitten sind. Dies führt zu einer ganz individuellen Wahl und Abfolge von Inhalten und Lernmethoden.

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