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Digitalisierung in Treuhandunternehmen: Weit mehr als IT

Digital und vernetzt gibt auch innerhalb der Treuhandbranche den Ton an. Um sich den veränderten Marktbedingungen anzupassen, frischen zurzeit viele Treuhandunternehmen die eigene IT-Infrastruktur auf. Häufig basieren die damit verbundenen Investitionen aber nicht auf einer klaren Strategie, sondern vielmehr auf purem Aktionismus. Wer Misstritte rund um die Digitalisierung in Treuhandunternehmen vermeiden und das Unternehmen nachhaltig modernisieren möchte, sollte die Thematik unbedingt ganzheitlich angehen.

12.04.2022 Von: Yannick Wyss
Digitalisierung in Treuhandunternehmen

Digitale Transformation heisst das Zauberwort

Wissenschaftler, Berater und IT-Experten greifen in letzter Zeit häufig auf den Begriff der «digitalen Transformation» zurück. Befasste sich die Digitalisierung mit der Mikro-Ebene (Abbildung von analogen Prozessen in der digitalen Welt), setzt sich die digitale Transformation mit der ganzheitlichen Veränderung von Unternehmen auseinander. Dabei interessiert vor allem auch, wie sich etablierte Unternehmen an die neuen Wettbewerbsbedingungen anpassen müssen.

Wie eine Digitalisierung in Treuhandunternehmen konkret durchzuführen ist, blieb bis anhin unerforscht. Folglich ist die Suche nach einem Patentrezept sinnlos. Nichtsdestotrotz konnten wir bei Accounto im Rahmen unserer Tätigkeit mit Treuhandfachkräften einen Ansatz entwickeln, mit dem Organisationen das Thema zielgerichtet angehen können.

Der Weg zum zukunftsgerichteten Treuhandunternehmen

Bevor Treuhandunternehmen Hals über Kopf teure IT-Tools erwerben, gilt es einen Schritt zurückzumachen. Eine digitale Transformation kann nur dann erfolgreich verlaufen, wenn sich diese an einer klaren Vision und Strategie orientiert.

Vision und Strategie als Fundament

Gemäss dem Transformationsexperten John Kotter setzt jede Veränderung eine klare Vision voraus. Die Vision leitet die Organisation ans Ziel und lässt sich als eine Art Leitplanke interpretieren. Um eine attraktive Vorstellung für die eigene Zukunft zu ermitteln, können sich Treuhandunternehmen folgende Fragen stellen:

  • Wer sind wir?
  • Was tun wir für wen?
  • Wieso tun wir es?
  • Was wollen und brauchen meine Kunden?

Etablierte Treuhandunternehmen dürfen insbesondere die letzte Frage (Was wollen und brauchen meine Kunden?) nicht vernachlässigen. Dazu muss die Organisation in einem ersten Schritt das eigene Kundenportfolio analysieren. Oftmals betreuen Treuhandunternehmen vom Kleinbetrieb bis zum Grossunternehmen alle Kundensegmente, was den Koordinationsaufwand erhöht und nicht selten zu Leerläufen führt. Sich auf eine Nische (z. B. Kleinunternehmen) zu fokussieren, kann sich vor allem für viele Treuhandbüros langfristig zu einem Vorteil entpuppen.

Ist der Kundenstamm untersucht und die Vision festgelegt, kann das Treuhandunternehmen die verschiedenen Bausteine der digitalen Transformation bearbeiten. Hierbei gilt es erfahrungsgemäss folgenden Punkten besondere Beachtung zu schenken. Hier finden Sie eine Abbildung, die diese Punkte aufzeigt.

Geschäftsmodell als Baukasten

Ob bewusst oder unbewusst, verfügt jede Organisation über ein Geschäftsmodell. Ein Geschäftsmodell gibt Aufschluss darüber, wie ein Unternehmen die eigenen Einnahmen generiert. Viele Treuhandbüros leben noch immer von Buchführungsarbeiten, welche sie auf Stundenbasis der Kundschaft verrechnen. Dieses Geschäftsmodell dürfte sich nur noch für diejenigen Treuhandunternehmen ausgehen, die über einen «älteren» Kundenstamm verfügen und die Geschäftstätigkeit mittelfristig herunterfahren möchten. Für alle übrigen Organisationen braucht es Ansätze, um das Geschäftsmodell zu innovieren. Hierfür lassen sich insbesondere folgende zwei Gründe aufführen:

Gestiegene Kundenerwartungen: Speziell junge Unternehmer sind immer seltener bereit, für einen Standardservice ohne direkten Mehrwert viel Geld auszugeben. Der entsprechende Trend zeigt sich unter anderem am steigenden Bedürfnis nach digitalen Self-Service-Lösungen, wie wir sie von Bexio und Co. kennen.

Mangelnde Skalierbarkeit und Margendruck: Das gegenwärtige Geschäftsmodell der Treuhandunternehmen weist Grenzen auf, da Wachstum heute stets mit zusätzlichen Personalressourcen einhergeht. Dadurch bleiben die Kosten pro Buchung konstant, womit sich Skaleneffekte (abnehmende Kosten pro Buchung) nicht realisieren lassen. Zudem müssen Treuhandunternehmen aufgrund des Fachkräftemangels immer mehr finanzielle Mittel in die Hand nehmen, um klassische Sachberarbeiter zu rekrutieren.

Das Ziel für zukunftsausgerichtete Treuhandunternehmen sollte primär darin bestehen, sich komplett von der Buchführung als Haupteinnahmequelle zu verabschieden. Dazu eignet sich beispielsweise ein Abo-Modell, bei dem Treuhandunternehmen gezielt qualitativ hochwertige Dienstleistungen verkaufen. Dabei kann die Kundschaft den gewünschten Service aus verschiedenen Modulen zusammenstellen. Um den modularen Aufbau noch besser nachvollziehen zu können, dient das nachfolgende Beispiel für ein KMU mit acht Mitarbeitenden:

Modul Kosten pro Monat
Lohnpaket CHF 450.–
MWST- & Steuerpaket CHF 160.–
Abschlusspaket CHF 150.–
CFO-Begleitung CHF 350.–

Selbstverständlich handelt es sich obenstehend bloss um ein Anschauungsbeispiel, welches keine abschliessende Lösung darstellt. Vielmehr geht es darum, einen Gedankenanstoss auszulösen. Jedes Treuhandunternehmen muss schliesslich selbst ermitteln, mit welchem Pricing-und-Service-Angebot es die eigene Zielgruppe zu begeistern vermag. Die Einnahmen aus der Buchführung sollten aber bei allen Treuhandunternehmen in Zukunft eine untergeordnete Rolle spielen.

Geschäftsprozesse als Baukasten

Um die Buchführung als Commodity anbieten und sich als Treuhandunternehmen auf Beratungsleistungen konzentrieren zu können, sind schlanke Geschäftsprozesse unabdingbar. Damit dieses Geschäftsmodell funktionieren kann, muss das Treuhandbüro sämtliche repetitiven Prozesse weitgehendst automatisieren. Folglich gilt es die internen Prozesse zu analysieren, Schwachstellen zu erkennen und schliesslich Massnahmen einzuleiten.

IT-Infrastruktur als Baukasten

Wie bereits mehrfach in diesem Artikel erwähnt, ist ein «isoliertes» Schrauben an diesem Baukasten nicht empfehlenswert. Sind das angestrebte Geschäftsmodell skizziert und die dazu benötigten Prozesse definiert, kann das Treuhandunternehmen zielgerichtet die dazu notwendigen Tools suchen. Möchte das Treuhandunternehmen beispielsweise die Abhängigkeit von den Buchführungseinnahmen reduzieren, sollte die Frage lauten: Wie können technologische Möglichkeiten das Treuhandunternehmen bei diesem Unterfangen unterstützen? Auf Basis der beschriebenen Ausgangslage und definierten Fragestellung fliessen nun die finanziellen Mittel gezielt in Automatisierungslösungen. Das klare Ziel vor Augen vermindert signifikant das Risiko, Fehlinvestitionen zu tätigen.

Mitarbeitende als Baukasten

Auch zukünftig ist und bleibt das Treuhandgeschäft ein «People Business». Je nach Vision und dem angestrebten Geschäftsmodell müssen sich aber Treuhandfachkräfte neue Fähigkeiten aneignen. Automatisiert beispielsweise ein Treuhandunternehmen sämtliche repetitiven Buchführungsprozesse, bleiben rund um diese Aufgaben nur noch vereinzelte Kontrollaufgaben übrig. Dies setzt aber wiederum Personalressourcen frei, um sich vermehrt der Kundenakquise und dem Beziehungsmanagement zu widmen. Wieso nicht einen Mitarbeitenden zum Customer Success Officer (oder auf gut Deutsch «Verantwortlicher für den Kundenerfolg») umfunktionieren, der sich um Kundenanliegen kümmert, Bedürfnisse erfasst und wenn immer möglich Cross- bzw. Up-Selling betreibt?

Als Treuhandunternehmen lediglich am Baustein «IT-Infrastruktur» zu hantieren, scheint aufgrund der aufgezeigten Independenten für nicht sinnvoll. Zukünftig erfolgreiche Treuhandunternehmen verstehen es, den Weitblick zu bewahren und Veränderungen ganzheitlich anzugehen. Wie schliesslich die einzelnen Bausteine ineinandergreifen, dürfte sich von Treuhandunternehmen zu Treuhandunternehmen unterscheiden. In diesem Artikel habe ich mich bewusst auf ein Treuhandbüro konzentriert, welches sich auf die ganzheitliche Betreuung von Kleinunternehmen spezialisiert. Möchte nun aber ein Treuhandunternehmen vermehrt Lohnmandate abwickeln, müssen die Baukästen selbstverständlich alternativ konfiguriert werden. Es existieren unzählige Kombinationen, für welche entscheiden Sie sich und starten durch?

Hinweis: Zur einfacheren Lesbarkeit hat der Autor in diesem Text z.T. nur die männliche Form gewählt, natürlich sind Damen ebenfalls angesprochen.

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