Was war schief gelaufen?
Die beiden Mitarbeiterinnen – beides kaufmännisch bestens qualifizierte Sachbearbeiterinnen – hatten sich nicht genügend über die Aufteilung der Arbeit abgesprochen: Während die bisherige Stelleninhaberin auch nach der Reduktion ihres Pensums «alle Fäden in der Hand halten» wollte, war ihre Kollegin nicht bereit, auf die so genannten «Filetstücke» zu verzichten, um ausschliesslich Routineaufgaben zu übernehmen. Dies umso weniger als sie gemäss Abmachung schlussendlich mehr als 50 Prozent ihrer Tätigkeit in der Personalabteilung zu Gunsten des Lohnbüros ausübte: Somit war der Streit zwischen den Beiden geradezu vorprogrammiert. Hinzu kam, dass der HR-Leiter die Brisanz der fehlenden Aufgaben- und Kompetenzzuordnung vor lauter Begeisterung für die beiden Mitarbeiterinnen eindeutig unterschätzte.
Jobsplitting statt Chaos im Lohnbüro
Die Situation eskalierte dermassen, dass das Personal – ob Reinigungsangestellte, Physiotherapeutin oder Arzt – nicht mehr wusste, bei welcher der beiden Sachbearbeiterinnen Auskunft eingeholt werden konnte: Im einen Fall war die zuständige Sachbearbeiterin nicht da, im andern Fall verfügte die «Ablösung» nicht über die erforderlichen Vollmachten zur Gewährung eines Lohnvorschusses. Diese zwei Beispiele – stellvertretend für andere – zeigen eindeutig, wie unbefriedigend die Situation war.
Damit ein reibungsloses Funktionieren des Lohnbüros und der damit verbundene grosse Publikumsverkehr gewährleistet werden konnte, war ein Jobsplitting angesagt – die hauptsächlich angewendete Art des Jobsharing. Dabei handelt es sich um eine zeitliche Aufteilung einer Vollzeitstelle. Die Aufgaben- und Kompetenzprofile beider Jobsharerinnen sind identisch. Dies galt es nun, der bisherigen Stelleninhaberin aufzuzeigen, die in der Zwischenzeit ohnehin einsehen musste, dass ihre bisherige Art des «Fäden in der Hand behalten» zwar ihr Ego befriedigen konnte, jedoch der Sache nicht dienlich war.
Positive Entwicklung
Nach überraschend kurzer Zeit kamen die beiden Arbeitskolleginnen mit dem Jobsplitting-Modell gut zurecht und fanden auch zur früheren Kollegialität zurück. Vor allem die bisherige Alleinverantwortliche «stieg von ihrem Thron herunter» und war bereit, Kompetenzen und Verantwortung zu teilen. Umso mehr freute sich die «Neue» (die ja eigentlich gar keine Neue war, sondern das Lohnbüro bereits einigermassen kannte), dass sie nicht mehr ausschliesslich «Zudienerin» war, sondern voll- und gleichwertige Sachbearbeiterin. Unter diesen Umständen zog sie natürlich ihre im Zorn abgegebene Kündigung gerne zurück. Und noch etwas: Auch die vorher immer etwas mühsam gehandhabte Stellvertretung konnte definitiv geregelt werden: Bei ferien- oder krankheitsbedingter Abwesenheit übernahm die Partnerin bei gleich bleibendem Arbeitspensum im Rahmen ihrer Kompetenzen die alleinige Verantwortung und vice versa.
Fazit dieser kleinen Geschichte aus dem HR-Alltag: Das Lohnbüro funktionierte wieder!
Jobsharing kann für beide Seiten Vorteile bringen
Wie wir gesehen haben, kann Jobsharing für beide Parteien Vorteile bringen: Für die Unternehmen bedeutet die Arbeitsplatzteilung einen Wissensgewinn durch den Synergieeffekt von mehreren Mitarbeitenden, die ihre ganz spezifischen Fähigkeiten in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit einbringen können. Die Jobsharer können durch das Modell der Arbeitsplatzteilung ihre Arbeitszeit und Einsatzdauer weitgehend selbst gestalten und so auch vermehrt Rücksicht auf ihre persönlichen Bedürfnisse und familiären Verhältnisse nehmen. Allerdings soll der grössere Organisations-, Kommunikations- und Informationsaufwand für ein funktionierendes Jobsharing nicht verschwiegen werden – aus dem geschilderten Beispiel geht dies klar hervor. Vielleicht nehmen Sie diesen und den vorigen Praxisreport zum Anlass, über die Handhabung in Ihrem Betrieb zu reflektieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.