Das Personalwesen heute
Das Personalwesen hat sich schon längst vom klassischen Lohnbüro verabschiedet. Insbesondere die Erkenntnis, dass das Humankapital – also immaterielle Ressourcen wie Wissen, Fähigkeiten und Werte, die ein Arbeitgeber durch seine Mitarbeitenden gewinnt – den Schlüssel zum organisationalen Erfolg darstellt, hat zu einem Einstellungswandel und damit zur Professionalisierung des Personalwesens geführt.
Das Human Resource Management (HRM), das sich grob in die Bereiche Personalverwaltung und Personalführung unterteilen lässt, erfüllt heute vielseitige Dienstleistungsaufgaben. Dies häufig in einer beraterischen Funktion. Sei es die Einführung eines neuen Mitarbeitenden oder die Beratung einer erfahrenen Führungsperson in Veränderungsprozessen – durch die Begleitung von Organisationsmitgliedern leisten HR-Berater einen wichtigen Beitrag zur persönlichen und organisationalen (Weiter-)Entwicklung.
Rollen von HR-Beratern
In ihrer Beratungsfunktion haben HR-Berater unterschiedliche Rollen inne. Welche Rollen sie in welchen Situationen einnehmen und wie sie dabei ihre Kunden – in diesem Fall den Mitarbeitenden, den Führungskräften oder der Unternehmensleitung – begegnen, wird in der Folge skizziert und anhand eines Fallbeispiels dargestellt.
Die Rolle des Experten
HR-Berater fungieren als Experten, indem sie ihren Kunden mit ihrem Fachwissen zur Verfügung stehen und ihnen lösungsorientierte Ratschläge geben.
Beispiel: Eine junge Führungskraft hat vor Kurzem ein neues Team übernommen. Schon in der ersten Woche fällt ihr auf, dass ein Mitarbeitender häufig zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheint. Laut den anderen Teammitgliedern tut er dies zum wiederholten Mal. Die Führungskraft sucht daher einen HR-Berater auf und erkundigt sich, wie sie nun handeln soll.
Die Rolle des Organisators
Organisatorische Aufgaben gehören zu den Hauptaufgaben von HR-Beratern. Sie kümmern sich um die Personalbeschaffung, stellen die Personalentwicklung sicher und übernehmen Tätigkeiten im Bereich der Personalsachbearbeitung (z.B. Erstellen von Gehaltsabrechnungen und Arbeitszeugnissen).
Beispiel: Die Führungskraft stellt in den ersten paar Wochen fest, dass ihr Team mit den anstehenden Aufgaben überlastet ist. Sie möchte einen neuen Mitarbeitenden einstellen und teilt dies dem HR-Berater mit. Dieser klärt das Anliegen ab und leitet ein Personalauswahlverfahren in die Wege.
Die Rolle des Arztes
HR-Berater nehmen häufig auch eine Arztrolle ein. Die Kunden bringen einen konkreten Fall mit, zu welchem der HR-Berater eine Diagnose stellt und einen passenden Therapievorschlag macht. Die Entscheidung jedoch liegt schlussendlich bei den Ratsuchenden.
Beispiel: Die Führungskraft bemerkt nach einer gewissen Zeit, dass in ihrem Team oft Konflikte herrschen und verhärtete Fronten vorliegen. Sie sucht wiederum ihren HR-Berater auf, um einzelne Personen aus dem Team zu versetzen. Der HR-Berater analysiert die Situation und schlägt stattdessen eine Teamentwicklungsmassnahme vor.
Die Rolle des Coachs
Darüber hinaus üben HR-Berater auch eine Rolle als Coach aus und unterstützen ihr Gegenüber im Rahmen einer professionellen Begleitung. Hier nehmen – im Vergleich zu den anderen Rollenbildern – die Kunden die Expertenrolle ein. Dies bedeutet, die Kunden geben den Inhalt vor und die HR-Berater steuern den Prozess.
Beispiel: Die Führungskraft fühlt sich ihrer neuen Führungsaufgabe noch nicht ganz gewachsen. Sie freut sich zwar über die Herausforderung, beschreibt aber auch, dass sie Mühe damit habe, ihre Ziele im Team durchzusetzen. Der HR-Berater unterstützt den persönlichen Entwicklungsprozess der jungen Führungskraft mittels lösungsorientierter Gespräche.
HR-Berater müssen also ständig reflektieren, welche Art von Beratung in der jeweiligen Situation gefragt ist und in welcher Rolle und mit welcher Haltung sie ihren Kunden gegenübertreten. Dies setzt eine hohe Anpassungsfähigkeit und ein gutes Gespür für die Erwartungen des Gegenübers voraus.
Die Rolle, die im HRM aufgrund der dynamischen Arbeitsumwelt immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die des Coachs. Dieser Aufgabenbereich soll im Folgenden weiter vertieft werden.
Professionelle Begleitung
HR-Berater unterstützen als Coaches die Organisationsmitglieder im Berufsalltag und begleiten sie in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf den letzteren Aspekt gelegt werden, denn berufliche Fortschritte bauen meist auf einer persönlichen Weiterentwicklung auf. Dies wird deutlich, wenn wir an das Fallbeispiel zurückdenken: Die junge Führungskraft wird ihre Führungsaufgabe nur erfolgreich bewältigen können, wenn sie an ihrer Durchsetzungsfähigkeit arbeitet, sprich sich persönlich weiterentwickelt.
HR-Berater agieren somit im engeren Sinne als Persönlichkeitsentwickler und unterstützen andere Menschen bei Einstellungs- und Verhaltensänderungen sowie bei der persönlichen Selbstentfaltung.
Persönliche Potenzialausschöpfung
Die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln heisst, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und das persönliche Potenzial, das in einem steckt, auszuschöpfen. Dies gelingt vor allem, wenn man sich an den drei Säulen der Persönlichkeitsentwicklung orientiert:
1. Eigene Stärken und Schwächen erkunden (Selbsterkenntnis)
2. Sich selber so akzeptieren, wie man aktuell ist (Selbstakzeptanz)
3. Veränderungen Schritt für Schritt angehen (Selbstveränderung)
HR-Berater können einen als Coaches auf diesem Weg begleiten und helfen, das Ziel vor Augen zu behalten und Fort- sowie Rückschritte genau unter die Lupe zu nehmen.
Umsetzung in der Praxis
In der Praxis wird eine professionelle Begleitung von HR-Beratern mit lösungsorientierten Gesprächen und/oder Interventionen gestaltet. Wichtig ist dabei, anfangs die Ausgangssituation und die Erwartungen zu klären sowie klare Ziele und Erfolgsindikatoren zu bestimmen. Darüber hinaus ist das methodische Vorgehen während der Begleitung erfolgsentscheidend: Falls die Ursachen für aktuelle Schwierigkeiten oder die individuellen Veränderungswünsche zu Beginn noch unklar sind, eignen sich Standortbestimmungen, um Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen. Während der Gesprächsführung selbst lohnt sich der Einsatz von systemischen Fragentechniken, um das Gegenüber zur Selbstreflexion und zur Lösungsfindung anzuregen.
Organisationaler Nutzen
Eine professionelle Begleitung durch das HRM ist nicht nur für die Mitarbeitenden selbst, sondern auch für die Organisation von grossem Nutzen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Coachings im organisationalen Kontext wirksam sind: Sie gehen mit höherem Wohlbefinden, besserem Umgang mit Herausforderungen, höherer Arbeitszufriedenheit sowie besseren Fähigkeiten und effizienteren Leistungen einher (Theeboom, Beersma & van Vianen, 2013). Durch die berufliche und persönliche Weiterentwicklung von Mitarbeitenden können also Potenziale entfaltet werden, die letztendlich die organisationale Leistungsfähigkeit steigern.
Die Arbeit der HR-Berater beginnt auf der Ebene einzelner Mitarbeitender und wirkt sich längerfristig auf die Organisation als Ganzes aus. Die Aufgaben- und Rollenvielfalt der HR-Berater ist gross und daher nicht zu unterschätzen. Insbesondere ihre Rolle und Haltung als Coach und Persönlichkeitsentwickler stellt für Organisationen eine Bereicherung dar.