Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

Standortbestimmung: Der Einfluss von New Work auf das Karrierestreben

New Work funktioniert nur, wenn nebst den organisationalen Strukturen und Prozessen auch die Menschen im System das Mindset und ihre Skills laufend weiterentwickeln. Zwischen der externen und internen «Welt» besteht ein dynamisches Gleichgewicht. Der folgende Beitrag beschreibt, welchen Stellenwert die innere Arbeit in der neuen Arbeitswelt hat.

23.08.2021 Von: Romeo Ruh
Standortbestimmung

Die Arbeitswelt wandelt sich grundlegend. Der Begriff «New Work» steht für diese Transformation, welche auch durch die Corona-Situation und die umfassende Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice nochmals beschleunigt wurde. Der Grund für diesen kulturellen und wirtschaftlichen Wandel in der Arbeitswelt ist vielschichtig. Neue Technologien, die Automatisierung und eine immer stärkere Vernetzung führen dazu, dass sich die beruflichen Rollen stark verändern, wobei einige überflüssig werden und neue Berufsbilder wie zum Beispiel KI-Spezialist, Data Scientist, Customer Experience Designer, Virtuelle Assistenten, BIM Manager, Agile Coach, DevOps Engineer, Chief Digital Officer u.v.m. entstehen.

Ursprung von New Work

Der Begriff New Work wurde vom österreichisch-amerikanischen Professor Frithjof H. Bergmann lanciert. Er beschäftigte sich intensiv mit der Frage nach der Freiheit des Menschen. Er war jedoch der Ansicht, dass Arbeit den Menschen unfrei macht und das traditionelle Job-System nicht überleben wird. Im New-Work-Ansatz fand Bergmann deshalb die praktische Umsetzung seiner theoretischen Überlegungen. Denn die aktuelle Transformation in der Arbeitswelt führt immer mehr dazu, dass sich die Menschen mit der Sinnfrage von Arbeit beschäftigen und darüber nachdenken, welche «Jobs» wirklich wünschenswert sind. Es steht also die Frage im Zentrum, weshalb wir eigentlich genau das arbeiten, was wir arbeiten? War dies eine bewusste Wahl oder eher eine zufällige, weil genau dieser Beruf existiert und eigentlich auch noch recht gut passt?

In der neuen Arbeitswelt scheinen Werte wie Sinnstiftung, Persönlichkeitsentwicklung, Vertrauen, Autonomie, Selbstverantwortung, soziale Verantwortung, Empathie, Kollaboration, Teamwork, Kreativität oder radikale Kundenorientierung, um nur ein paar zu nennen, einen deutlich höheren Stellenwert und letztlich auch eine grössere Notwendigkeit zu haben. Der Mensch und seine inhärente Natur stehen immer mehr im Zentrum. Denn Menschen wollen ihre Persönlichkeit und Talente einbringen und damit etwas Sinnvolles bewirken. Meine Beratungserfahrung zeigt aber, dass dieses Sinnvolle zu finden, meist auch eine gewisse Überforderung darstellt.

Neue berufliche Horizonte

Jedes Jahr spreche ich mit mindestens 100 Menschen aus meinem Netzwerk (VRs, CEOs, HR-Leiter etc.) und begleite etwa 40 Menschen meist ab 45 Jahren in beruflichen Übergangsphasen (Karrieremanagement, Newplacement), die sich neu orientieren wollen oder müssen. Wenn ich mit diesen Menschen über die nächsten 10-15 Berufsjahre rede, geht es häufig um folgende Themen:

  • Sie wünschen sich noch mehr Freiheit und Autonomie im Berufsleben bzw. möchten noch mehr von dem tun, was ihnen wirklich wichtig ist und ihnen auch «Spass» macht.
  • Sie möchten ihre Talente und Stärken in ihrem nächsten Berufsfeld noch einmal stärker einbringen können und das Gefühl haben, dadurch ausgesprochen viel zu leisten.
  • Sie stellen sich immer mehr die Sinnfrage (Purpose) und wollen sehen, dass ihre Arbeit einen positiven «Impact» generiert, im kleineren oder auch grösseren Sinne.
  • Sie sind aber auch häufig ratlos bezüglich den nächsten Schritten oder gefangen in der eigenen Komfortzone und trauen sich den Schritt in die «passendste» berufliche Richtung nicht wirklich zu.

Standortbestimmung als Ausgangspunkt für die Neuorientierung

Um den Fragen der Sinnhaftigkeit und dem «Was will ich wirklich im Beruf und auch im Leben generell erreichen?» näher auf den Grund zu gehen, ist eine Standortbestimmung ein sehr wirksames Instrument. Bei vielen meiner Klienten stelle ich fest, dass sie sich beruflich viele Jahre haben treiben lassen und dadurch ihre Talente, Stärken, Leidenschaften und Ziele manchmal in Vergessenheit geraten sind. Im schlimmsten Falle sind Dauerstress und gesundheitliche Probleme entstanden. Ebenso sind Spass, Inspiration und Energie eigentlich nicht mehr auf dem für sie passenden Level, aber sie haben nichts verändert, weil dieser Zustand normal geworden ist und Zweifel daran bestehen, wieder eine neue und bessere berufliche Lösung zu finden. Dadurch gehen viel Potenzial, Schaffenskraft und Lebenszeit verloren.

In einer Standortbestimmung geht es darum zu ergründen, wie man dieses innere Feuer, seine Ziele und Zuversicht wieder neu entdecken kann und wo man basierend auf seinen Fähigkeiten, Wünschen und der Persönlichkeit zukünftig am besten eingesetzt ist. Die Standortbestimmung gilt aber auch als Realitäts-Check in Bezug auf die eigene Arbeitsmarktfähigkeit. Übertragen auf berufliche Übergangsphasen (z.B. aufgrund einer Kündigung oder aus eigenem Antrieb) bietet eine Standortbestimmung alle 3 bis 5 Jahre eine sehr gute Möglichkeit, seine Fähigkeiten und Ziele mit den Arbeitsmarkt-Opportunitäten abzugleichen, um möglichst wirksam und fokussiert den richtigen Weg einzuschlagen. So ist man immer einen Schritt voraus und versteht, wie man auf dem Markt konkret Mehrwert schaffen kann, und zwar auf eine gesunde, ausbalancierte und gleichzeitig «lustvolle» Art und Weise.

Die folgenden Leitfragen helfen im Rahmen einer Standortbestimmung, mehr Klarheit zu finden:

  • Was würden Sie im Leben tun, wenn Geld keine Rolle mehr spielen würde?
  • Wann entsteht bei Ihnen Leidenschaft und welche Themen faszinieren Sie am meisten?
  • Welche «Dinge» erfüllen Sie mit Sinn und haben eine tiefere Bedeutung in Ihrem Leben?
  • Welche Tätigkeiten führen bei Ihnen zu Flow-Erlebnissen?
  • Mit welchen Menschen möchten Sie häufiger zusammen sein oder auch zusammenarbeiten?
  • In welchem Umfeld fühlen Sie sich am wohlsten und wo passen Sie am besten rein?
  • Welches sind Ihre grössten Talente und Stärken und wann laufen Sie zu Höchstleistungen auf?
  • Worin sind Sie sehr gut und erhalten Sie Lob von Menschen aus Ihrem Umfeld?
  • Wenn Sie heute Ihre (berufliche) Zukunft ganz nach Ihren Idealvorstellungen im Detail kreieren könnten, wie sähe diese aus?

Vor allem die Frage nach den persönlichen Stärken ist eine wichtige, welche auch durch die Positive Psychologie intensiv untersucht wird. Die amerikanischen Psychologen Martin Seligman und Christoph Peterson entwickelten 2004 unter anderem das Konzept der sogenannten Charakterstärken (VIA - Values in Action Classification of Strengths) und kreierten dadurch eine einheitliche Kategorisierung für menschliche Eigenschaften, die «The Good Life» (Arbeits- und Lebenszufriedenheit, Erfolg, Langlebigkeit etc.) ermöglichen sollen.

Insgesamt wurden 24 Charakterstärken identifiziert. Es wird angenommen, dass jeder Mensch zwischen drei und sieben Charakterstärken besitzt (sog. «Signaturstärken»), die eine besonders wichtige Rolle spielen. Wenn diese Signaturstärken angewendet werden, wird das als energetisierend und erfüllend wahrgenommen, schreiben Prof. Ruch und Dr. Gander von der Universität Zürich in ihrer Publikation «Charakterstärken und Wohlbefinden bei der Arbeit: Wann der Job zur Berufung wird». Für uns bedeutet dies, dass wenn wir diese Stärken häufiger einsetzen können, wir deutlich mehr positive Erlebnisse bei der Arbeit haben. Zudem scheinen die Menschen, welche mindestens vier oder mehr dieser Stärken anwenden können, ihren Job deutlich stärker als Berufung wahrzunehmen als andere. Wenn Sie ihre Signaturstärken noch nicht kennen, können sie diese basierend auf dem Online-Fragebogen identifizieren und idealerweise im Alltag noch häufiger nutzen.

Newsletter W+ abonnieren