Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

Laufbahnvielfalt: Standortanalyse in Unternehmen

Der gesellschaftliche Wandel, eine stets sinkende Verfügbarkeit von Expert*innen, veränderte Erwartungen an die individuelle berufliche Entwicklung – dies sind nur einige der relevanten Faktoren, die eine innovativere Ausrichtung der Personalpolitik unabdingbar machen. Trotz des starken Veränderungs- und Flexibilisierungsdrucks in Unternehmen und obwohl immer klarer wird, dass für die nachhaltige Sicherung unternehmerischen Erfolgs alle Mitarbeiter*innen relevant sind, erreicht die Förderpolitik in Unternehmen nur einen Teil der Talente, kaum ältere Mitarbeiter*innen und noch viel seltener Frauen 45+.

10.05.2022 Von: Nermina Beganovic, Sibylle Olbert-Bock, Abdullah Redzepi
Laufbahnvielfalt

Förderung von Frauen – Commitment allein reicht nicht aus

Laut Bundesamt für Statistik (Scenario 2010 bis 2060) werden Frauen in Zukunft höhere Erwerbsquoten erreichen und gelten als besonders interessant zur Lösung von Herausforderungen, die sich in der Schweiz angesichts der demografischen Entwicklung stellen. Allerdings gilt das Potenzial von Frauen insgesamt als noch nicht ausreichend genutzt.

Für die berufliche Entwicklung von Frauen stellen Kinder und traditionelle Vorstellungen nach wie vor eine grosse Hürde für das gesamte weitere Berufsleben dar. Sind dann die Kinder aus dem Haus, und wäre wieder mehr Zeit für den Beruf verfügbar, gelten Frauen oft als zu wenig fortgeschritten in ihrer Laufbahn und für eine weitere Karriere als zu alt. Dabei würde es sich für Unternehmen lohnen, sie nicht lediglich als Arbeitskräfte zu betrachten, sondern ihre Erfahrung und ihre Potenziale umfassend in den Blick zu nehmen.

Die Förderung Älterer ist weniger standardisierbar als in jüngeren Jahren. Werdegänge sind sehr viel individueller, und die bestehenden, in der Regel stark an traditionellen Karrieren orientierten Laufbahnkonzepte von Organisationen greifen in vielen Fällen bereits in jüngeren Jahren oft nicht. Unabhängig von Erfahrungen wie Familienplanung und mit Blick auf organisationale Möglichkeiten unterscheiden sich Karrierevorstellungen von Frauen von jenen der Männer und verändern sich über die Jahre (Atkinson et al. 2015, Nabi 2001).

Unternehmen profitieren von einer spezifischeren und ausdifferenzierteren Förderung nicht nur, um «ältere» Mitarbeitende zu erreichen. Auch jüngere erwarten mehr als früher, dass auf ihre beruflichen Vorstellungen zügig eingegangen wird, und fühlen sich von der bestehenden Förderpolitik oft nicht ausreichend abgeholt (Olbert-Bock et al. 2021).

Die berufliche Entwicklung wird u.a. durch zahlreiche Mythen bzw. Stereotypen gehemmt. Ältere Frauen sind mit allgemeinen Stereotypen über Ältere konfrontiert und mit frauenspezifischen. Die Teilzeitepisoden in vielen Lebensläufen gelten nach wie vor als ein Signal geringer beruflicher Motivation oder werden als Indiz für ein geringer ausgeprägtes individuelles Humankapital gewertet. Dies ist u.a. erkennbar an Haltungen und im Sprachgebrauch in Unternehmen, im ökonomischen und technischen Diskurs sowie in der Gesellschaft. Gerade im Zuge der Technisierung laufen wir Gefahr, zu polarisieren oder Diskriminierungen aus der Vergangenheit in Form von datenbasierten Anwendungen und Instrumenten einmal mehr zu zementieren. Ein weiterhin aktives Anstreben von Chancengleichheit ist notwendig, um Fortschritte zu erzielen und um die «Rolle rückwärts» zu verhindern. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gleichstellung im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise entwickelt. Gerade hier könnten Unternehmen den Moment nutzen und mit neuen, flexibleren Karrierekonzepten aufwarten.

«Laufbahnvielfalt» in Unternehmen gezielt fördern

«Laufbahnvielfalt» in Unternehmen anzubieten, bedeutet traditionelle Karrieren zu fördern sowie Teilzeit- und Projektkarrieren sowie Umstiege zwischen Karrierearten zu ermöglichen. Das Abschaffen von Career-Timetables und Altersnormen in der Personalentwicklung bildet hierbei eine wichtige Grundlage.

Die Anwendung von Personalentwicklungsinstrumenten muss auf die Gesamtbelegschaft ausgerichtet werden, was beispielsweise die Verkleinerung von Modulen in der Weiterbildung bedingen würde, damit diese bedürfnisadäquat und flexibel zusammengesetzt werden können – statt spezifisch Kurse für Ältere und Jüngere anzubieten.

Fragen wie «Sollen sich die strategischen Planungen wirklich nur auf Schlüsselfunktionen beziehen, und liegen dort wirklich die grössten Personalrisiken?» sind konsequent zu beleuchten. Im Rahmen des Forschungsprojekts «Weibliche Karrieren 45+» wurde hierzu eine Standortanalyse entwickelt, die es u.a. ermöglicht, gestützt auf solche Fragen das Ausmass und Ansatzpunkte der Förderung von Laufbahnvielfalt in Organisationen zu ermitteln.

Von der Standortanalyse zu passgenauen Fördermassnahmen

Die Standortanalyse zur Laufbahnvielfalt in Unternehmen nimmt die bestehende Situation auf Ebene der Gesamtorganisation und des Einzelnen in den Blick. Sie ermöglicht, die eigene Förderpolitik, Strukturen sowie bestehende Prozesse zur Förderung von Mitarbeitenden entlang spezifischer Kriterien zu bewerten. Persönliche und organisationsspezifische Ansatzpunkte und Massnahmen für die Weiterentwicklung der Personal- und Karriereentwicklung können abgeleitet werden. Konkret beleuchtet werden

  • die strategische und kulturelle Verankerung von Personal- und Karriereentwicklung in Organisationen,
  • die bestehenden Organisationsabläufe, Strukturen, Prozesse und Systeme, die Beteiligten und Rollen sowie
  • die Zielgrössen zur Bewertung von Entwicklung und Chancengleichheit.

Die Besonderheit der Standortanalyse liegt darin, dass Unternehmen

  • sich einen Eindruck über die Konsistenz von Förderpolitik, -strategien, Massnahmen und Prozessen sowie Wirkungen verschaffen können,
  • sowohl einen generellen als auch einen auf Frauen 45+ fokussierten Einblick über die strategische Ausrichtung ihrer Personalentwicklung und Karriereförderung erhalten sowie
  • Stärken und Schwächen auf Werte- und strategischer Ebene als auch in der operativen Umsetzung erkennen können.

Gestartet wird mit einem Erstgespräch, an das sich die systematische Analyse anschliesst. Im Sinne einer «Road Map» ist zudem die Aufnahme nach Veränderungswünschen und -vorstellungen Gegenstand der organisationsbezogenen Standortanalyse. Es werden Wünsche und Vorstellungen zu konkreten Massnahmen erhoben. Im weiteren Prozess wird besprochen, ob und wo Aktivitäten prioritär vorgesehen werden sollen.

Auf Basis dieser Standortanalyse lassen sich Handlungsfelder erkennen und Strategien zur Förderung von Laufbahnvielfalt in der Organisation ableiten. Es lassen sich bedarfsspezifische Massnahmen planen und schrittweise umsetzen.

Damit die Aktivitäten nicht als Strohfeuer enden, sondern nachhaltige Karriereentwicklung (von Frauen 45+) entsteht, ist es sinnvoll, immer wieder den Sinn von Laufbahnvielfalt in das Bewusstsein der Organisationsmitglieder zu holen und sie konzeptionell weiterzuentwickeln. Entsprechend empfiehlt sich das «Nachlegen» weiterer Massnahmen, die Darstellung der Aktivitäten im Rahmen der internen Kommunikation sowie die Wiederholung der Standortanalysen in regelmässigen Abständen.

Standortanalyse im Praxis-Check

Häufig ist dem Management nicht bewusst, wo und wie Veränderungen in der Förderpolitik stattfinden müssen (Lutz 2019). Viele empfinden es als hilfreich, durch die Nutzung der Standortanalyse auf Erfolgsfaktoren und Herausforderungen hingewiesen zu werden. Wichtig ist ein systematisches Vorgehen.

Zum Beispiel wurde in einer Ostschweizer Pflegeeinrichtung auf Basis der Standortanalyse die Ist-Situation ermittelt. Nach dem Status- quo-Screening wurden in einem Prozess, begleitet von mehreren Austausch- und Coaching- Runden, verschiedene Ziele bezogen auf das Themenfeld «Entwicklung» in der Pflegeeinrichtung und ganz besonders mit Blick auf Frauen 45+ verabschiedet. Anschliessend erfolgte die bedarfsspezifische Konzipierung einer Workshop-Reihe für Führungskräfte, die insbesondere folgende Themen enthalten und damit einen Beitrag zur Sensibilisierung der Führungskräfte leisten sollte:

  • Bedeutung und Notwendigkeit von Entwicklung
  • Erwartungen an Führungskräfte als Entwickler und damit verbundene Aufgaben
  • Besonderheiten mit Blick auf Frauen und Ältere
Newsletter W+ abonnieren