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Factoringvertrag: So verfassen Sie eine rechtssichere Vereinbarung

Beim Factoringvertrag tritt eine Partei der anderen Partei alle oder bestimmte Debitorenforderungen ab, welche der Klient gegenüber seinen Kunden hat. Gleichzeitig verspricht der Factor dem Klienten, ihm nach Abzug einer Entschädigung den Gegenwert der Forderung/en zu bezahlen und über sie Buch zu führen sowie weitere damit zusammenhängende Dienstleistungen zu erbringen. Lesen Sie hier mehr zu den verschiedenen Vertragsformen- und phasen des Factoringvertrages.

08.05.2023 Von: Regula Heinzelmann
Factoringvertrag

Begriff

In der Regel handelt es sich mithin um folgende Dienstleistungen des Factors:

  • Führung der Debitorenbuchhaltung (sog. Forderungsverwaltungsfunktion)
  • Übernahme des Inkassos von Debitorenforderungen
  • Finanzierung der Debitorenforderungen (sog. Finanzierungsfunktion)
  • Übernahme des Delkredererisikos (sog. Delkrederefunktion).

Bei den Debitorenforderungen, welche der Klient dem Factor abtritt, handelt es sich um Forderungen aus den vom Klienten an seine Kunden erbrachten Dienstleistungen und/oder Warenlieferungen.

Erscheinungsformen

Factoring tritt in der Praxis in verschiedenen Ausprägungen in Erscheinung. Die vom Factor angebotenen Dienstleistungen können unterschiedlich miteinander kombiniert werden. In der Regel werden die Dienstleistungen des Factors auf die konkreten Bedürfnisse des Klienten abgestimmt und dabei gewisse Aufgaben enger oder weiter gefasst.

Echtes und unechtes Factoring

Für die Unterscheidung zwischen echtem und unechtem Factoring ist das Kriterium der wirtschaftlichen Zahlungsfähigkeit der Kunden des Klienten massgeblich.

Hinweis: Beim echten Factoring übernimmt der Factor vom Klienten das Risiko der wirtschaftlichen Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden (sog. Delkredere- oder Ausfallrisiko).

Das echte Factoring wird auch als "Old Line Factoring" oder "Non Recourse Factoring" bezeichnet.

Hinweis: Beim unechten Factoring verbleibt das Delkredererisiko beim Klienten. Der Factor übernimmt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Kunden des Klienten nicht.

Beim unechten Factoring werden die Forderungen bloss treuhänderisch auf den Factor übertragen.

Es steht den Parteien eines Factoringvertrages offen, die Übernahme des Delkredererisikos womöglich auf einen Maximalbetrag zu begrenzen. Der Factor trägt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Kunden dann nur bis zum vereinbarten Maximalbetrag. Für darüber hinausgehende Beträge trägt nach wie vor der Klient das Risiko.

Bei Übernahme des Delkredererisikos unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Maximalbetrages, liegt eine Kombination zwischen echtem und unechtem Factoring vor.

Offenes Factoring, verdecktes Factoring und Datenschutz

Für die Frage, ob ein offenes oder verdecktes bzw. stilles Factoring vorliegt, ist von Bedeutung, ob dem Kunden die Forderungsabtretung angezeigt wird oder nicht (sog. Notifikation).

Hinweis: Von einem offenen Factoring ist die Rede, wenn dem Kunden die Abtretung der Forderung vom Klienten an den Factor mit einem ausdrücklichen Hinweis angezeigt wird. Der Kunde wird jeweils gleichzeitig aufgefordert, den zu zahlenden Betrag von nun an direkt an den Factor zu leisten.

Die Information über die Zession und die neue Gläubigerschaft erfolgt in der Regel mit einem Vermerk direkt auf der Kundenrechnung oder mit einem separaten Schreiben. Beim offenen Factoring kann sich der Kunde durch Leistung an den Factor rechtsgültig befreien (Art. 167 OR).

Um ein verdecktes oder stilles Factoring handelt es sich, wenn dem Kunden die Abtretung der Forderung vom Klienten an den Factor nicht angezeigt wird. Oft wird das  Debitorenmanagement oder das Mahnwesen noch vom Unternehmen durchgeführt, die Factoring-Gesellschaft führt allenfalls die Bonitätsprüfung des Kunden durch.

Datenschutz

Mit dem Datenschutz gegenüber den Kunden ist verdecktes Faktoring nicht vereinbar, zumal wenn der Factor dazu ermächtigt ist Bonitätsprüfungen der Kunden durchzuführen. Dann gilt das Datenschutzsgesetz (Art. 4 Abs. 4 DSG): Die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung müssen für die betroffene Person erkennbar sein.

Die Bearbeitung von Personendaten kann man Dritten übertragen, wenn

  • die Daten nur so bearbeitet werden, wie der Auftraggeber selbst es tun dürfte
  • keine gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungspflicht es verbietet.
  • der Auftraggeber sich vergewissert, dass der Dritte (in dem Fall der Factor) die Datensicherheit gewährleistet.

Dritte können dieselben Rechtfertigungsgründe geltend machen wie der Auftrag­geber.

Inhouse Factoring

Beim Inhouse Factoring, auch "Bulk Factoring" oder "Eigenservice Factoring" genannt, handelt es sich nicht um Factoring im klassischen Sinn. Das Factoring Unternehmen übernimmt die die Forderungsfinanzierung und den Ausfallschutz der Forderungen. Die Forderungsverwaltung, d.h. die Debitorenbuchhaltung und das Inkasso (welche beim eigentlichen Factoring gerade an den Factor ausgelagert werden) verbleiben beim Klienten. Der Klient führt die Debitorenbuchhaltung für den Factor selber (inhouse) durch.

Die Tätigkeit des Factors beschränkt sich allenfalls auf Buchhaltungsstichproben. Durch das dem Factor allenfalls vorbehaltene Recht Buchhaltungsstichproben zu tätigen, behält dieser dennoch den Überblick über die vom Klient geführte Debitorenadministration. Er wird sich meistens (z.B. bei ungenügender Buchhaltungsführung) berechtigen lassen, diese Aufgabe selber und gegen ein zusätzliches Entgelt zu übernehmen. Erst dann, wenn der Factor die Buchführung übernimmt, wandelt sich das Inhouse Factoring in ein eigentliches, klassisches Factoring um.

Auch das Inhouse Factoring kann man mit dem offenen oder stillen Verfahren betreiben. Beim offenen Verfahren wird Forderungsverkauf wird durch einen Vermerk auf den Rechnungen dem Debitor angezeigt, das wird gern von kleineren Unternehmen genutzt, während grössere oft das stille Verfahren bevorzugen, also den Verkauf der Forderungen nicht offen legen.

Nationales und internationales Factoring

Beim nationalen Factoring werden einem Schweizer Factor Debitorenforderungen eines in der Schweiz ansässigen Klienten gegenüber seinen inländischen Kunden abgetreten; erfasst werden damit reine Inlandforderungen.

Sobald Auslandforderungen, d.h. Forderungen des Klienten gegenüber ausländischen Kunden, abgetreten werden, handelt es sich um ein internationales Factoring.

Hinweis: Im internationalen Umfeld existieren verschiedene Vereinigungen, in welchen sich Factoringgesellschaften zusammengeschlossen haben. Die wichtigsten sind die Factors Chain International (FCI) und die International Factors Group S.C. (IFG). Diese Gesellschaften haben zur Abwicklung des Internationalen Factorings fast gleichlautende Bestimmungen herausgegeben (sog. "General Rules for International Factoring", kurz "GRIF").

Rechtsnatur und Entstehung

Innominatvertrag

Der Factoringvertrag ist im schweizerischen Recht nicht gesetzlich geregelt; er gilt als sogenannter Innominatvertrag. Inhaltlich bedient er sich dennoch einzelnen Elementen verschiedener gesetzlich geregelter Nominatverträge, weshalb er als gemischter Vertrag bezeichnet wird.

  • Im Bereich der Übernahme der Debitorenbuchhaltung (Forderungsverwaltungsfunktion) sind auftragsrechtliche Bestimmungen anzuwenden (Art. 394 ff. OR).
  • Für die Finanzierung der Debitorenforderungen gelten darlehensrechtliche Bestimmungen (sog. Zessionskredit, Art. 312 ff. OR).
  • Die Abtretung der Debitorenforderungen an den Factor untersteht dem Zessionsrecht (Art. 164 ff. OR).
  • Factoring wird schliesslich regelmässig über eine bestimmte Dauer praktiziert, weshalb die Parteien mit einem Factoringvertrag ein Dauerschuldverhältnis begründen.

Form

Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer bestimmten Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt (Art. 11 OR). Weil der Factoringvertrag die Abtretung einzelner oder mehrerer Forderungen zum Gegenstand hat, sind die einschlägigen Schriftformerfordernisse des Zessionsrechts zu beachten (Art. 165 Abs. 1 OR).

Dauer und Beendigung

Factoringverträge sind Dauerschuldverhältnisse. Die Parteien können die Dauer grundsätzlich frei vereinbaren (Grundsatz der Vertragsfreiheit). Es steht ihnen frei, eine bestimmte (Mindest-)Laufzeit zu vereinbaren oder den Vertrag auf unbestimmte Zeit abzuschliessen.

Ohne Kündigung (befristeter Factoringvertrag)

Der auf bestimmte Zeit eingegangene Factoringvertrag endigt durch Zeitablauf und ohne (ordentliche) Kündigung.

Formulierungsbeispiel für befristeten Factoringvertrag:
Der vorliegende Vertrag tritt mit beidseitiger Unterzeichnung durch die Parteien in Kraft und gilt für die Dauer von zwei Jahren. [Optional:] Setzen die Parteien das Vertragsverhältnis nach Ablauf der festen Vertragsdauer (stillschweigend) fort, so gilt es unbefristet. Der Vertrag kann ab diesem Zeitpunkt unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.

Ordentliche Kündigung (unbefristeter Factoringvertrag)

Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Factoringverträgen wird üblicherweise ein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen. Der Vertrag kann dann gemäss den individuell vereinbarten Kündigungsbestimmungen (ordentlich) gekündigt werden.

Formulierungsbeispiel für unbefristeten Factoringvertrag:
Der vorliegende Vertrag tritt mit beidseitiger Unterzeichnung durch die Parteien in Kraft und gilt unbefristet. Er kann unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.

Es stellt sich die Frage, wie beim Factoring verfahren wird, wenn die Parteien keine vertragliche Kündigungsbestimmung vorgesehen haben.

Es ist aber unbedingt zu empfehlen, eine Kündigungsfrist zu vereinbaren.

Rückgabe von Dokumenten und Datenlöschung

Formulierungsbeispiel:
Nach Auflösung des Vertrages sind sämtliche Daten des Klienten und insbesondere seiner Kunden in den Computersystem des Factors unwiderruflich zu löschen. Unterlagen auf Papier sind zurückzugeben. Eine Ausnahme gilt, wenn für bestimmte Daten eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht besteht. Daten, die der Factor für die Erfüllung seiner Ansprüche benötigt, kann er solange gespeichert lassen, bis diese erfüllt sind.

Ausserordentliche Kündigung (befristeter oder unbefristeter Factoringvertrag)

Unabhängig davon, ob der Factoringvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, kann er – als Dauerschuldvertrag – aus wichtigen Gründen jederzeit (ausserordentlich) gekündigt werden. Dabei soll im Vertrag definiert werden, welche Fälle als "wichtige Gründe" qualifizieren.

Formulierungsbeispiel ausserordentliche Kündigung:
Wenn die Weiterführung dieses Vertrages für eine Partei aus wichtigen Gründen unzumutbar wird, kann diese den Vertrag jederzeit (ausserordentlich) auflösen. Als wichtige Gründe gelten insbesondere:  1. der Tod bzw. der Konkurs des Klienten und 2. Höhere Gewalt (wie Naturgewalten oder Krieg).

Jederzeitige Kündigung nach Auftragsrecht?

Weil der Factoringvertrag durch auftragsrechtliche Elemente geprägt wird (Führung der Debitorenbuchhaltung), stellt sich die Frage, ob er analog zum Auftragsrecht (Art. 404 OR) jederzeit widerrufen werden kann.

Nach der herrschenden Lehre kann der Factoringvertrag als eigenständigen Vertragstypus nicht jederzeit aufgelöst werden. Das Auftragsrecht finde auf den Factoringvertrag nur Anwendung, wenn dadurch adäquate Ergebnisse erzielt werden können. Als weiteren Grund wird vorgebracht, dass bei einer jederzeitigen Kündbarkeit der Klient innert kürzester Zeit eine neue Debitorenbuchhaltung aufbauen müsste, da diese ja fortan nicht mehr durch den (kündigenden) Factor erledigt wird.

Auch habe der Factor ein gewisses Sicherheits- bzw. Stabilitätsbedürfnis, weshalb ein jederzeitiges Beendigungsrecht des Klienten gemäss Auftragsrecht mehrheitlich abgelehnt wird. (Huguenin, Obligationenrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, N 3942 m.w.H.).

Dieser Ansicht steht indessen die bundesgerichtliche Rechtsprechung entgegen, wonach Art. 404 OR grundsätzlich auf alle gemischten Verträge und damit auch auf den Factoringvertrag anzuwenden ist. Das Bundesgericht wendet Art. 404 OR für Verträge an, für welche hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechts als sachgerecht erscheinen (BGE 115 II 464 E. 2a, 466; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl., Bern 2010, 449).

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