Frachtdiebstahl: Wie sich die kostspielige Gefahr vermeiden lässt

In einer Welt, in der die Logistik auf der Strasse eine so gigantische Bedeutung hat, befinden sich jederzeit immense materielle Werte im Transit. Es vergeht daher kein Tag, ja nicht einmal eine Stunde, an der nicht in der Schweiz oder im restlichen Europa ganze Sattelzüge, Kleintransporter, Anhänger, Auflieger oder Waren daraus gestohlen werden. Doch wie gross ist die Gefahr – und lässt sie sich verringern? In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick über das Phänomen Frachtdiebstahl.

04.10.2022
Frachtdiebstahl

Ein Problem unserer Zeit

Die drei DACH-Nationen sind wichtige Transitländer für den ganzen Kontinent und darüber hinaus – in alle vier Himmelsrichtungen. Dazu einige Zahlen, um Ihnen aufzuzeigen, wie bedeutend der Strassentransport hier ist.

  • Allein, was den schweizerischen Schwerfahrzeugverkehr (> 3,5 t) anbelangt, so belief sich das Aufkommen anno 2020 auf 16,1 Milliarden Tonnen-Kilometer*. 70 Prozent davon entfielen auf inländische Transporte.
  • In Deutschland wurden im gleichen Zeitraum sogar 487,4 Milliarden Tonnen-Kilometer* bewegt – ebenfalls nur Transportfahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) geht davon aus, dass sich dabei tagtäglich 1,3 Millionen LKW nur über die Autobahnen des Landes bewegen, dort jedoch nur zu etwa 65 Prozent inländisch.
  • 2020 kam es am österreichischen Brenner-Pass zu einem (Corona-bedingt eher niedrigen) Verkehrsaufkommen von 2,49 Millionen LKW-Durchfahrten in beide Richtungen. Ein Jahr später waren es 2,63 Millionen – das entspricht 6‘821, respektive 7‘205 Lastwagen täglich.
  • Der Gotthard-Strassentunnel, als zweiter wichtiger Nord-Süd-Alpenübergang, wurde 2019 von etwa 774‘000 LKW durchquert (2‘120 / Tag). Alle vier schweizerischen Alpenübergänge zusammen brachten es im selben Jahr sogar auf fast 900‘000 Lastwagen.

(* Tonnen-Kilometer (tkm): Transportierte Masse multipliziert mit der Wegstrecke
(t x m = tkm). 1 tkm = 1 Tonne Fracht über 1 Kilometer.)

In allen drei Nationen ist die Strasse die wichtigste Verkehrsader für Güter jeglicher Art. Was dabei allein an reinen Güterwerten ständig unterwegs ist, lässt sich nur noch in Milliardensummen beziffern – ohne LKW, Zugmaschinen, Anhänger und Auflieger, die für sich selbst ebenfalls erhebliche Sachwerte und kostbare wirtschaftliche Assets darstellen.

Was die Kriminellen anlockt

2020 wurde allein in Deutschland von rund 26‘000 LKW Ware entwendet. Umgerechnet bedeutet das, ein Vorfall alle 20 Minuten. Wert: Zirka 1,5 Milliarden Franken. Hinzu kommt eine weitere Milliarde durch die entstehenden Folgeschäden, beispielsweise Lieferverzögerungen.

Die Zahlen für die Schweiz und Österreich sehen, bezogen auf die relativen Verhältnisse, ganz ähnlich aus – und in allen drei Nationen steigen die Fälle praktisch jährlich an.

Für Sicherheitsexperten ist klar, woran das liegt:

  • Nach wie vor existieren sehr viele unbewachte, nicht bewirtschaftete oder wenigstens eingezäunte Rastplätze. Zwar werden auf immer mehr davon Kameras installiert, doch bieten diese häufig nur eine Möglichkeit zur nachträglichen Aufklärung. In der Schweiz ist die Überwachung nicht zentralisiert, ebenso wenig in den anderen DACH-Ländern. Ferner ist nicht garantiert, dass ständig jemand auf den Bildschirm schaut, einen Diebstahlversuch rechtzeitig erkennt, die Behörden alarmiert und diese noch rechtzeitig eintreffen.
  • Die Transportbranche hat generell einen starken Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung und nutzt (oft aus Kostengründen), die eigentlich reichhaltigen technischen Möglichkeiten nicht so, wie es möglich wäre. Das gilt nicht zuletzt für Systeme an den LKW, die Einbruchsversuche erkennen, ein unbemerktes GPS-Tracking des Frachtguts oder des Anhängers gestatten. Häufiger wird zwar RFID-Technik genutzt. Diese eignet sich jedoch nur für Nächstdistanz-Tracking bis wenige Meter.
  • Viele Anhänger sind lediglich mit Planen verschlossen. Sie gestatten ein sehr geräuscharmes Vorgehen, das besonders von schlafenden LKW-Chauffeuren nur sehr selten bemerkt wird. Und selbst wenn: Verständlicherweise haben die häufig unterbezahlten Fahrer nur wenig Lust, sich in potenzielle Lebensgefahr zu begeben, indem sie sich den Dieben in den Weg stellen. Zwar sind die körperlichen Risiken im DACH-Raum sehr gering (vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wo Kriminelle viel gewaltbereiter sind), dennoch ist Zurückhaltung natürlich verständlich.
  • Die allermeisten Frachtdiebstähle finden in abgelegenen Gewerbegebieten und entlang von Autobahnen statt. Wo solche Stellen normalerweise für eine sehr gute logistische Verkehrsanbindung sorgen, bieten sie den Kriminellen ebenso allerbeste Fluchtmöglichkeiten. Bis die Polizei eintrifft (sofern die Tat überhaupt rasch bemerkt wird), sind die Täter oftmals schon Dutzende Kilometer weit weg und konnten theoretisch an jeder Autobahnabfahrt unauffindbar untertauchen – egal, nach welcher Masche sie zuschlagen.

Es verwundert Sie wahrscheinlich nur wenig, dass sich die Aufklärungsquoten in allen drei Ländern im einstelligen Prozentbereich bewegen.

Mit dem Aufkommen von Frachtbörsen in jüngster Vergangenheit kam zudem eine neue, noch dreistere Masche auf, die gerade dabei ist, den alten Methoden des Leeräumens von abgestellten LKW den Rang abzulaufen. Dabei treten die Kriminellen als Transportdienstleister auf.

Wird ein Kontrakt geschlossen, wird eine unbescholtene Spedition als Subunternehmer beauftragt. Auf diese Weise wird der LKW nun dorthin dirigiert, wo die Kriminellen ihn haben möchten. Häufig wird dies durch Innentäter erleichtert, die Informationen und Identitäten übermitteln – nicht selten arglos und unwissend, weil sie geschickt von vermeintlichen Kollegen in Gespräche verwickelt werden.

Die deutsche Kriminalpolizei hat überdies weitere Vorgehensweisen identifiziert, die neben Frachtbörsen und dem klassischen „Planenschlitzen“ zu beobachten sind:

  • Der Chauffeur wird vor dem Ziel angehalten und mit einer plausibel klingenden Ausrede zu einer anderen Adresse geschickt.
  • Mit einem Verweis auf besetzte Laderampen wird die Ladung am Zielort (oder kurz davor) sofort auf einen anderen LKW verladen und dann abtransportiert.
  • Von hinten zugängliche LKW werden bei nächtlichen Fahrten in regelrechter Actionfilm-Manier durch ohne Beleuchtung hinter ihnen fahrende Fahrzeuge teilweise leergeräumt.
  • Die Täter bringen den Fahrer mit Verweis auf angebliche Schäden am Fahrzeug zum Anhalten. Tut er das, wird er bedroht oder überwältigt – eine in unserem Raum eher seltene Methode.

Ein Hauptgrund dafür, warum auffällig selten die Fahrer bedroht oder tatsächlich angegriffen werden, ist der Unterschied im Strafmass: Sobald Gewalt angedroht wird, handelt es sich in den Rechtssystemen aller drei DACH-Staaten um einen Raub. Dieser wird deutlich höher bestraft als ein herkömmlicher Diebstahl.

Diebstähle verhindern oder aufklärbar machen

Sie als Unternehmer haben sicherlich kein Interesse an einem solchen Diebstahl, egal in welcher Rolle Sie sich befinden – zumal Sie als Frachtführer je nach Auftragsgestaltung sogar noch persönlich für einen Teil des Schadens haften müssten. Doch was lässt sich gegen diese Straftaten unternehmen?

  • Verifizieren Sie jeden Spediteur sorgfältig durch eine vorherige Recherche, etwa bei seinem Versicherer oder durch einen Registerauszug. Vergewissern Sie sich zudem, dass dieser nicht mit intransparenten Subunternehmern zusammenarbeitet (nicht für Ihren Auftrag); falls nötig durch ein Verbot im Vertrag. Und bei einem Frachtwert ab zirka 100‘000 Franken sollten sie gar nicht auf Frachtbörsen setzen.
  • Jede beteiligte Person sollte sich mit vollständigen Dokumenten, Frachtunterlagen etc. ausweisen. Bei unleserlichen oder fehlenden Angaben ist höchste Vorsicht geboten.
  • LKW-Chauffeure sollten versuchen, nur auf gut beleuchteten, bewirtschafteten und/oder überwachten Rastplätzen Halt zu machen. Insbesondere, wenn sie die Zugmaschine verlassen. Zudem sollten sie niemals mit Fremden über Lieferadressen, Routen oder die Ladung sprechen – vor allem nicht mit vermeintlichen Kollegen.
  • Fahrer sollten sich regelmässig und an zuvor festgelegten Punkten telefonisch melden. Sollte es irgendwelche Unterbrechungen oder andere Unregelmässigkeiten geben, sollten sie sich ebenfalls sofort melden.
  • Nach Möglichkeit sollten nur Koffer-Auflieger bzw. -Anhänger genutzt werden, keine mit Planen. Erstere können wenigstens nicht durch ein Teppichmesser geräuschlos geöffnet werden.
  • Keine falsche Sparsamkeit bei der Technik. Es gibt sowohl für LKW als auch Auflieger, Paletten und Kartons mittlerweile günstige Möglichkeiten für unbemerktes GPS-Tracking, von dem Sie regen Gebrauch machen sollten. Investieren Sie ferner in Öffnungssensoren für die Laderaumtüren und hochwertige Schliessmechanismen, dazu Systeme, die im Notfall aus der Distanz die Kraftstoffzufuhr unterbrechen können.
  • Achten Sie bei sehr kostbarer Fracht auf einen hinreichenden Versicherungsschutz. Je nach Art der Ladung sollte sogar gegebenenfalls eine zweite Person mitfahren; wahlweise in der Kabine oder einem unauffällig nachfolgenden Fahrzeug.

Sehr wichtig ist zudem das alltägliche Verhalten von Fahrern. Diese müssen sich angewöhnen, nach jedem Verlassen bei der Rückkehr einen kurzen Rundgang um den LKW zu machen und dabei alle neuralgischen Stellen zu überprüfen. Ferner müssen sie nach einer Tat oder auch nur bei beobachteten verdächtigen Personen sofort sowohl die örtlichen Behörden als auch ihren Arbeitgeber telefonisch informieren.

Obligatorisch sollte es zudem sein, keinerlei spontane Änderungen im ursprünglichen Plan durch die Anweisungen Unbekannter zu akzeptieren, ohne sich zuvor bei einer bekannten Quelle rückversichert zu haben.

Jedoch: Keine Heldentaten, unter keinen Umständen. Keine Fracht der Welt ist es wert, dafür seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

 

Bildquelle: stock.adobe.com © Milan Noga reco

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