Eigenheim: Risiko oder sichere Altersvorsorge?

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Einleitung Eigenheim
«Der beste Anker ist das Haus», sagt ein deutsches Sprichwort. «Vier eigene Wände machen einen Menschen frei», sagt der Volksmund in Persien. Und der französischschweizerische Architekt Le Corbusier meinte, «das Zuhause sollte die Schatztruhe des Lebens sein», bezeichnete das Eigenheim aber auch ganz profan als «eine Maschine zum Wohnen». Diese Zitate zeigen die ganze Vielfalt, was ein Eigenheim alles sein soll. Viele Menschen verbinden damit Sicherheit, Altersvorsorge, Wohlstand, Heimat, Familie und Glück. Und die Finanz- und Immobilienindustrie tut alles, dass wir uns für diese Träume finanziell verpflichten und verschulden.
Mieten oder kaufen
Aus wissenschaftlicher Sicht kann nicht verifiziert werden, dass ein Eigenheim lukrativer ist als eine Mietwohnung. Märkte wie die Schweiz, wo der Immobilienmarkt die letzten 20 Jahre äusserst stabil blieb und dessen Rendite nahe an diejenige des Aktienmarkts herankam, bilden eher die Ausnahme, die die Regel bestätigen. Der Wunsch nach einem Eigenheim ist nach wie vor weit verbreitet: 70% der Mieter wünschen sich eigene vier Wände, aber die Eigenheimquote liegt in der Schweiz nur bei ca. 40%. Die Gründe liegen in den massiven Preissteigerungen im Bauund Immobiliensektor, in der Überregulation und teueren Vorschriften und letztlich auch in den anspruchsvollen Finanzierungskosten. Oft wird das nötige Eigenkapital (20% vom Kaufpreis) nur dank eines (vorbezogenen) Erbes erreicht. Aber auch dann stellt die sogenannte Tragbarkeitsrechnung eine hohe Hürde dar, denn die addierten Kosten der Hypothek (mit kalkulatorisch 5% Zins gerechnet), die Amortisationleistungen und Nebenkosten dürfen zusammen nämlich nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens betragen. Wenn ein Pärchen über zehn Jahre den Maximalbetrag von CHF 7258.– in die private Vorsorge 3a wertschriftenbasiert anlegt, können schon mal knapp CHF 200 000.– Eigenkapital aufgebaut werden. Das setzt aber voraus, dass man konsequent, diszipliniert und regelmässig spart – und das in einer Lebensphase, wo viele dem Konsum frönen und man mit der Lohnerhöhung von morgen schon heute den Neuwagen least. Es ist also nicht unmöglich, setzt aber eine genaue Planung voraus. Ob das realisierte Eigenheim dann auch glücklicher macht, wie das die Immobilien- und Finanzbranche gerne aus Eigeninteresse darstellt, ist offen. Ein Eigenheim ist erst mal, wie der Name sagt, «immobil», man bindet sich also örtlich und finanziell sehr eng. Weil fast alle Eigenmittel in ein einziges Objekt fliessen, stellt es dazu noch ein «Klumpenrisiko» dar. Und wenn ein Einkommen ausfällt oder sich wegen der Kinderbetreuung reduziert, hat das Einfluss auf den Lebensstandard und den gelebten Wohlstand. Ob sich das Mieten oder das Kaufen mehr lohnt, beantworten wissenschaftliche Studien mit einem klaren «JEIN». Ein Mieter könnte bei gleicher Sparquote mittels Aktiendepot zwar wohlhabender werden – theoretisch! Denn die Realität zeigt, dass Mieter ihren Mehrverdienst verkonsumieren. Eigenheimbesitzer hingegen unterwerfen sich einem selbst gewählten Sparzwang, was sich positiv auf ihre Vorsorge auswirkt. Zumindest verhaltensökonomisch scheint ein positiver Effekt auf den Wohlstand im Alter vorhanden zu sein. Wenn der Eigenheimbesitzer also amortisiert, renoviert, ausoder umbaut, dann fliesst dieses Geld nicht in den Konsum, sondern in relativ beständige Sachwertanlagen. Zwar müssen auch die Transaktionskosten von ca. 5% eingerechnet werden, aber in der Regel wird die Immobilie jahrelang gehalten und bewohnt, ganz nach dem Investment-Grundsatz «buy and hold».
PRAXISTIPP
Ob sich ein Eigenheim daher besser für eine gesicherte Altersvorsorge eignet, kommt auf den Einzelfall an. Es ist also primär eine «Lifestyle-Entscheidung».
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Amortisation
Wer den Schritt zum Eigenheim tätigt, ist gut beraten, von Beginn weg zu amortisieren (so wird in der Schweiz die Schuldentilgung genannt). In den ersten 15 Jahren ist die Hypothek auf eine Belehnung von maximal zwei Drittel zurückzuführen. Das kann mit gewissen steuerlichen Nachteilen direkt erfolgen, wenn die Hypothek laufend reduziert wird (Schuldzinsenabzug verringert sich moderat). Oder sie kann indirekt über die private Vorsorge erfolgen, wo man ja langfristig Vorsorgevermögen aufbaut, idealerweise wertschriftenbasiert.
Meistens wird die zweite Option gewählt, aber oft wird der Fehler gemacht, dass es bei einer Kontolösung bleibt. Und die meisten vergessen, dass die private Vorsorge ja dazu dient, den Lebensstandard zu halten und nicht die Hypothek zu tilgen. Es empfiehlt sich daher, mehr als nur den Pflichtteil zu amortisieren und beide Wege zu nutzen. Eine reduzierte Hypothek verschafft einem auch mehr Freiheit und Verhandlungsmacht gegenüber der Bank und führt zu vorteilhafteren Konditionen. Die Tragbarkeit muss mit 5% kalkulatorischem Zins gerechnet und erfüllt werden. Die effektiven Zinsen liegen in der Realität glücklicherweise deutlich darunter. Bewährt hat sich in der Praxis, dass die Differenz vom effektiven zum kalkulatorischen Zins weggespart wird. Damit schafft man sich einen Kapitalpuffer für schlechte Zeiten (Zinserhöhung, Reparatur) oder eine vorzeitige Amortisation. Es gilt nämlich im Auge zu behalten, dass die Tragbarkeit auch im Alter erfüllt werden muss. Und heutige Rentenleistungen fliessen nicht mehr so üppig, dass man in der Pension noch locker eine hohe Hypothek stemmen könnte.
SARON oder Festhypothek?
Wer mit dem Eigenheimwunsch schwanger ist, steht vor einer Grundsatzfrage: Soll man fürs Fremdkapital vom günstigen, aber variablen Geldmarktzins (SARON) profitieren oder eine Versicherung (Festhypothek) abschliessen dafür, dass man für eine Anzahl Jahre von einem konstanten Preis für die Hypothek ausgehen kann? Also frei bleiben oder sich fest binden? Ende der 90er-Jahre lag der Geldmarktzins bei über 10%, sank dann aber kontinuierlich und lag ab 2010 sogar unter 1%. Zumindest ab 1993 waren die Geldmarkthypotheken immer günstiger als langfristige Festhypotheken. Trotzdem haben Banken meist eine langfristige Festhypothek empfohlen. Begründet wurde die Empfehlung meist mit der Budgetsicherheit für die Kunden – die höhere Vergütung mag allerdings auch eine Rolle gespielt haben. Es ist daher auf die Risikofähigkeit der Kunden abzustellen, ob sie sich einen markanten Zinsanstieg leisten könnten. Ist das nicht der Fall, ergibt eine Festhypothek Sinn, die heute schon Sicherheit eines gleichbleibenden Zinssatzes während der ganzen Laufzeit verspricht. Zwar kann eine SARON-Hypothek jederzeit in eine Festhypothek gewandelt werden: Will man bei steigenden Zinsen in eine Festhypothek wechseln, wird diese natürlich auch teurer sein als heute. SARON ist günstiger und flexibler, aber birgt das Zinsänderungsrisiko. Festhypotheken sind teurer, geben aber Planungssicherheit. Ein Mix von beiden Hypothekarmodellen ist in solchen Fällen oft die beste Entscheidung, indem man die Vorteile beider Welten kombiniert. Die Dauer der Festhypothek soll sich danach richten, wann Verpflichtungen wegfallen (z. B. Alimente) oder wann mit zusätzlichem Einkommen gerechnet werden kann (z. B. Partner erhöht Arbeitspensum bei Einschulung der Kinder).
PRAXISTIPP
Damit das Projekt Eigenheim nicht vom Wunschtraum zum Albtraum wird, ist mit Alter 50 ein «Kassensturz» angesagt, also eine finanzielle Standortbestimmung.
Hinweis: Wenn der Nachwuchs «ausfliegt» und Ressourcen frei werden, sollen damit nicht als Erstes eine Harley-Davidson und ein Camper angeschafft werden, sondern die Hypothek so weit reduziert werden, damit man sich auch in der zweiten Lebenshälfte ohne Bauch- und Kopfschmerzen etwas leisten kann. In dieser Lebensphase gibt es nämlich am meisten ungeplante Veränderungen und biografische Brüche – das können private oder berufliche Veränderungen sein, beides in der Regel mit negativem Impact auf die Stabilität des Budgets.