Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Was gilt als unternehmerische Tätigkeit?

Ab wann ist man mehrwertsteuerpflichtig? Diese Frage stellen sich viele Selbstständige und Unternehmen in der Schweiz. Nicht jede Geschäftstätigkeit führt automatisch zur Mehrwertsteuerpflicht. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann die Mehrwertsteuerpflicht Schweiz gilt.

28.04.2025 Von: Florian Hanslik
Mehrwertsteuerpflicht Schweiz

Wann gilt die Mehrwertsteuerpflicht (Schweiz)?

In ihrer MWST-Info 02 (Steuerpflicht) präzisiert die ESTV den Begriff des “Betreiben eines Unternehmens”. Die Begriffe “Unternehmen” und “unternehmerisch” werden im Gesetz zahlreich benutzt und haben somit eine zentrale Bedeutung. Die MWST-Info 02 beschreibt umfassend, was unter Art. 10 MWSTG zu verstehen ist, nämlich dass ein Steuersubjekt der Mehrwertsteuer ist, WER ein Unternehmen betreibt. Es wird somit auf den Unternehmensträger abgestellt. In welcher Rechtsform der Unternehmensträger das Unternehmen betreibt, spielt keine Rolle. Demzufolge dürfen privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich (d.h. Gemeinwesen) organisierte Unternehmensträger als Steuersubjekte in Betracht gezogen werden.

Art. 10 MWSTG definiert nicht, was ein Unternehmen ist, sondern regelt die Frage, wer ein Unternehmen betreibt und demnach als steuerpflichtige Person bzw. als Steuersubjekt gilt. An die (rechtliche) Erscheinungsform des Unternehmens knüpfen die mehrwertsteuerlichen Rechte und Pflichten an. Das “Betreiben eines Unternehmens” definiert der Gesetzgeber folgendermassen: Wer eine auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit selbständig ausübt und unter eigenem Namen nach aussen auftritt, betreibt ein Unternehmen.

Die Tatbestandsmerkmale sind demnach i) die nachhaltige Erzielung, ii) die Ausrichtung auf eine Erzielung von Einnahmen aus Leistungen, iii) eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, iv) Selbstständigkeit und v) der Aussenauftritt unter eigenem Namen.

Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Nachhaltige Erzielung von Einnahmen

Das am schwierigsten zu definierende Kriterium dürfte der Nachweis für die nachhaltige Erzielung von Einnahmen sein. Vorausgesetzt wird ein planmässiges Vorgehen (qualitative Komponente) eines Unternehmens, welche auf eine gewisse Dauer ausgelegt ist (quantitative Komponente). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die zeitliche Komponente seltener massgebend ist (bspw. Grosskonzert an einem Tag oder Übertragung mittels Special Purpose Vehicle). Gemäss Bundesgericht (“BGer”) werden folgende Indizien für die Bestimmung einer nachhaltigen Leistungserbringung herangezogen:

  • ein mehrjähriges Engagement,
  • planmässiges Vorgehen,
  • eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit,
  • die Ausführung von mehreren Umsätzen,
  • die Vornahme mehrerer gleichartiger Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit,
  • die Intensität des Tätigwerdens,
  • die Beteiligung am Markt,
  • der Unterhalt eines Geschäftsbetriebs und
  • die Art und Weise des Auftretens gegenüber Behörden.

Grundsätzlich kann man festhalten, dass bei der Nachhaltigkeit auf die Absicht, mit welcher eine bestimmte Tätigkeit verfolgt wird, abgestellt wird.

Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Ausrichtung auf Erzielung von Einnahmen aus Leistungen

Dieses Element muss eng mit der Nachhaltigkeit verstanden werden, denn nur eine nachhaltige Tätigkeit bringt eine nachhaltige Einnahmeerzielung. Die berufliche oder gewerbliche Tätigkeit muss auf das Erzielen von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtet sein. Das Gesetz spricht von der Absicht, Einnahmen aus Leistungen zur erzielen. Damit stellt das Gesetz die Verbindung her zwischen dem Verhalten (d.h. wahrnehmbare Absicht mittels Leistungserbringung) und dem damit beabsichtigten Ergebnis (Einnahmenerzielung). Nicht massgebend ist aber der Beweggrund (bspw. wirtschaftliche Notwendigkeit, Gewinnstrebigkeit, etc.) oder die effektive Einnahmeerzielung (z.B. erfolgsloser Unternehmer). Das Erwerben, Halten und Veräussern von Beteiligungen stellt einen Spezialfall dar. Grundsätzlich werden bei den Beteiligungen keine Einnahmen aus Leistungen erzielt, gilt aber aufgrund expliziter Nennung im Gesetz (vgl.Art. 10 Abs. 1ter MWSTG) als unternehmerische Tätigkeit.

Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Berufliche oder gewerbliche Tätigkeit

Unter der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ist die planmässige Produktion von Gütern, der Handel mit Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen zu verstehen, die für den Austausch auf dem Markt oder für den privaten Konsum Dritter bestimmt sind. Die Auslegung des Begriffs der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit wird weit gefasst und umfasst jede in irgendeiner Form wirtschaftlicher Tätigkeit, mit welcher Einnahmen erzielt werden soll. Obwohl im Gesetz ausdrücklich von einer Tätigkeit gesprochen wird, fallen Dulden oder Unterlassen ebenfalls unter das Kriterium der Tätigkeit. Nicht um eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit handelt es sich dagegen bei der Ausübung eines Hobbys oder einer Liebhaberei. Ebenfalls gelten hoheitliche Tätigkeiten nicht als unternehmerisch, da sie eben keine gewerbliche Tätigkeit darstellen.

Die vom BGer definierten Kriterien sind die Folgenden:

  • Die Person trifft aktive Schritte zum Vertrieb ihrer Güter oder Dienstleistungen (Beteiligung am Markt).
  • Sie bedient sich dabei ähnlicher Mittel wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender.

Gemäss den obigen Kriterien des BGers kann man festhalten, dass das Tatbestandsmerkmal der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auch das Element des Aussenauftritts umfasst (d.h. Beteiligung am Markt, vgl. Punkt V hiernach). Ebenso hat es implizit die Forderung nach einer gewissen Planmässigkeit des Handelns (vgl. Punkt I oben, Nachhaltigkeit) und den Anspruch einer gewissen Dauer. Schliesslich gehört auch begriffsnotwendig das Erbringen von Leistungen und die daraus resultierenden Einnahmen zur gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (vgl. oben Punkt II).

Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Selbständigkeit

Das Kriterium der Selbständigkeit hilft bei der Abgrenzung zur unselbständigen Erwerbstätigkeit. Juristische Personen gelten immer als selbständig.

Die Frage der Selbständigkeit bei natürlichen Personen ist anhand ähnlicher Kriterien im Sozialversicherungs- und Einkommenssteuerrecht zu beantworten. Diese Praxis wird durch das BGer gestützt und bestätigt, dass bei der Prüfung der selbständigen Erwerbstätigkeit grundsätzlich auch für mehrwertsteuerliche Zwecke die direktsteuerliche Praxis herangezogen werden darf. Die zivilrechtlichen Verhältnisse sind zwar nicht ausschlaggebend, können aber ein Indiz bilden. Das BGer definiert dann die selbstständige Erwerbstätigkeit in einem Vorgehen, bei welchem die natürliche Person:

  • auf eigenes Risiko,
  • unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und gegebenenfalls Boden,
  • in einer von ihr frei gewählten Arbeitsorganisation,
  • dauernd oder vorübergehend, haupt- oder nebenberuflich,
  • in jedem Fall aber mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt.

Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der direkten und indirekten Steuer, kann die Beurteilung der Selbstständigkeit unterschiedlich ausfallen.

Mehrwertsteuerpflicht Schweiz: Aussenauftritt im eignen Namen

Die selbständige Erwerbstätigkeit erfordert mehrwertsteuerlich den Aussenauftritt unter eigenem Namen (Art. 10 Abs. 1bis lit. b MWSTG). Im Mehrparteienverhältnis gilt eine Leistung von derjenigen Person erbracht, die nach aussen als Leistungserbringerin auftritt (Art. 20 Abs. 1 MWSTG). Somit setzt der Aussenauftritt unter eigenem Namen voraus, dass vertragliche Verpflichtungen gegenüber Leistungsempfängern sowie Leistungserbringern erkennbar selbstständig und nicht durch Hilfspersonen oder Stellvertreter eingegangen werden. Die zivilrechtliche Vertragsgestaltung kann hier ein wesentliches Indiz bilden.

Der Aussenauftritt umfasst zwei Elemente:

  • Einerseits muss das Handeln des potenziellen Steuerpflichtigen in seiner physischen, wirtschaftlichen Umwelt wahrnehmbar sein (“Aussenauftritt”);
  • Andererseits muss erkennbar sein, dass das Tätigwerden eigenständig erfolgt (“Handlungen im eigenen Namen”).

Schlussfolgerungen (nicht abschliessend)

  • Die Abgrenzung “unternehmerisch” vs. “nicht unternehmerisch” war, ist und bleibt schwierig.
  • In diesem Zusammenhang gelten die von der ESTV aufgestellten Kriterien; die Abgrenzung erfolgt (nach wie vor) unabhängig von der Situation bei den direkten Steuern (z.B. Steuerbefreiung gemäss Art. 56 DBG).
  • Die Auslegung des Begriffs der unternehmerischen Tätigkeiten dürfte sich auch für Gemeinwesen im weiteren Sinn als schwierig gestalten und weiterhin Fragen aufwerfen.
  • Die Unschärfen und Überschneidungen der einzelnen Begriffselementen erschweren eine einfache Aussage oder Qualifikation. Bei der Auslegung muss der Summe aller oben genannten Elemente die entsprechende Bedeutung zukommen. Eine allzu enge Auslegung des Begriffs “Betreiben eines Unternehmens” bzw. “Unternehmensträger” sollte, um dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität (Art. 1 Abs. 3 Bst. a MWSTG) Rechnung zu tragen, vermieden werden.
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