Controlling HR: Analyse von Personaldaten mithilfe von KI

Globalisierung, Fachkräftemangel, New Work, Digitalisierung und weitere Trends im Umfeld der Schweizer Unternehmen zeigen, dass eine beachtliche Volatilität und Unsicherheit bestehen, die auch für das Controlling HR von wesentlicher Bedeutung sind. Kein Wunder, wird in diesem Kontext vor allem der «Faktor Mensch» zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Folglich gewinnt auch das Personalcontrolling als Steuerungsinstrument zur planvollen, datenbasierten Gestaltung der Personalarbeit an Bedeutung.

30.11.2025 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Controlling HR

Einleitung

Dies zeigt sich am Beispiel des Fachkräftemangels: Schweizer KMU spüren den Wettbewerb um Talente besonders stark, weil sie im Vergleich zu Grossunternehmen oft nicht vergleichbar attraktive Löhne oder Entwicklungsperspektiven bieten können. Umso mehr kann ein systematisches Controlling HR in KMU dabei unterstützen, den zukünftigen Personalbedarf realistisch zu planen, Engpassfunktionen frühzeitig zu identifizieren und mit gezielten Massnahmen gegenzusteuern.

Ebenfalls machen vor allem in KMU die Personalkosten oft den grössten Fixkostenblock aus – und sind gleichzeitig ein Hebel für Produktivität und Rentabilität. Ein wirksames Personalcontrolling ermöglicht es daher, diese Kosten transparent zu machen, zu analysieren und gezielt zu steuern.

Im vorliegenden Beitrag wird der Wertbeitrag des Personalcontrollings für die Steuerung des Faktors Personal genauer dargestellt. Dabei werden auch die Möglichkeiten eines gezielten Einsatzes generativer KI für die Analyse von Personaldaten (People Analytics) anhand eines Beispiels aufgezeigt.

Verständnis, Ziele und Aufgaben des Personalcontrollings

Während das Controlling in Bereichen wie Finanzen oder Produktion bereits seit Jahrzehnten etabliert ist, begann die systematische Anwendung im HR-Bereich vergleichsweise spät – zunächst in den 1980er-Jahren, getrieben von Rationalisierungswellen und dem Bedarf an Kostentransparenz. Heute entwickelt sich das Personalcontrolling immer stärker zu einem ganzheitlichen Steuerungsinstrument und kann wie folgt definiert werden:

Personalcontrolling umfasst die zielgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle aller personalwirtschaftlichen Massnahmen. Dabei geht es nicht nur um die Messung von Personalkosten, sondern um die Bewertung von Effektivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun) der Personalarbeit.

Dabei verfolgt das moderne Personalcontrolling sowohl operative als auch strategische Ziele, wie:

  • Informationsversorgung: Bereitstellung fundierter, personalbezogener Entscheidungsgrundlagen
  • Steuerung: Ableitung und Umsetzung personalstrategischer Massnahmen
  • Frühwarnsystem: Identifikation von Personalrisiken (z.B. Fluktuation, Altersstruktur)
  • Transparenz und Evaluation: Messung und Bewertung des Erfolgs von HR-Massnahmen (z.B. Onboarding, Weiterbildungen, Recruiting)

Praxisbeispiel: In einem Beratungsunternehmen ermöglichte das Controlling HR eine gezielte Verlagerung von Weiterbildungsbudgets von Präsenzschulungen hin zu digitalen Schulungen, nachdem die Analyse und Auswertung von Teilnahmedaten und anderen Nutzenmessungen dies transparent gemacht hat. Dadurch konnte nicht nur die Zufriedenheit der Teilnehmenden verbessert, sondern es konnten ebenso die Weiterbildungskosten verringert werden.

Strategisches versus operatives Personalcontrolling

Das operative Controlling HR liefert Zahlen und Erkenntnisse, um HR-Ressourcen und Prozesse effizient zu steuern. Dies zeigt sich beispielsweise im Hinblick auf das Management der Abwesenheit/Absenzen, der Lohnentwicklung oder bei den Stellenbesetzungszeiten. Folglich arbeitet das operative Controlling mit Kennzahlen wie Fluktuation, Personalkostenquote oder Fehlzeiten, die jeweils auf Monats- oder Quartalsbasis analysiert und ausgewertet werden.

Im Gegensatz dazu richtet das strategische Controlling HR den Blick weiter nach vorne und befasst sich mit der Frage, ob das Unternehmen personell und kulturell für die Zukunft gut aufgestellt ist. Hierbei bezieht es Aspekte wie Kompetenzen, Generationenwandel, Digitalisierung, Demografie mit ein und ist direkt mit der Unternehmensstrategie verknüpft. Demzufolge stehen hier Analysen zur Altersstruktur, Kompetenzentwicklung, zu Employer Branding und Szenarioplanung mit dem Ziel der Sicherung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund.

Praxisbeispiel: Die HR-Abteilung eines Technologieunternehmens entwickelte eine Altersstrukturanalyse zur Identifikation von drohendem Know-how-Verlust in der Produktentwicklung.

Insgesamt sind sowohl quantitative als auch Daten für das Personalcontrolling von Interesse. Während Erstere die zählbaren, oft monetären Grössen wie Vollzeit-Äquivalente (Full Time Equivalents – FTE), Krankentage oder Salärinformationen umfassen, werden relevante qualitative HR-Daten in Form von Einschätzungen zu Kompetenzen, Potenzialen, Mitarbeiterzufriedenheit oder anderen Indikatoren gemessen und interpretiert.

Das Personalcontrolling begleitet generell alle Phasen entlang des Employee Lifecycles mit passenden quantitativen und qualitativen Kennzahlen, wie die folgenden Beispiele zeigen:

BereichFokus Kennzahlen
PersonalplanungBrutto-/Netto-Personalbedarf, Altersstruktur
RecruitingTime-to-Hire, Cost-per-Hire
EntwicklungWeiterbildungsrendite, Kompetenzverteilung
EinsatzKapazitätsauslastung, Produktivität
FührungZufriedenheit, Zielerreichung, Fehlzeiten, Absenzen
FreisetzungAbfindungsmodellierung, Kosten pro Freisetzung

Datenanalyse als Anwendungsfeld für generative KI im Controlling HR

Der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) eröffnet im Personalcontrolling ganz neue Möglichkeiten, die weit über klassische Datenanalysen hinausreichen. So kann GenAI nicht nur vorhandene Informationen auswerten, sondern auch neue Inhalte erzeugen, z.B. Texte, Prognosen, Visualisierungen oder Empfehlungen. Damit ergeben sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten von KI im Personalcontrolling wie für:

  • Erstellung von HR-Berichten
  • Analyse von Personalkosten
  • Analyse von Bewerbungsanschreiben
  • Erstellung von Onboarding-Plänen
  • Genierung von Stellenanzeigen und andere

Vor allem die Erstellung von kommentierten Personalkennzahlenberichten sowie die darauf abgestimmte Ermittlung und Interpretation von Abweichungen und die Formulierung von Handlungsempfehlungen sind in der Praxis für die Personalverantwortlichen von hohem Nutzen.

Im folgenden Beispiel möchte ein HR-Controller die Einstellungsdaten eines Jahres analysieren. Die KI generiert automatisch einen Analysebericht und stellt Zusammenhänge und Auffälligkeiten (Anomalien) im Datensatz fest. Dazu wird der folgende Prompt im KI-Tool ChatGPT 4o verwendet:

Du bist ein Personalcontrolling-Experte und wurdest aufgefordert, im Rahmen einer Ad-hoc-Berichterstattung für die Personalführung aus den Einstellungsdaten des Jahres 2023 wichtige Erkenntnisse zu identifizieren, zu analysieren und zu kommentieren. Anschliessend sollen von dir Handlungsempfehlungen erarbeitet sowie ein Management Summary erstellt werden. Alles wird abschliessend zu einem Ad-hoc-Bericht mit sinnvollen grafischen Abbildungen für die Mitglieder des Unternehmens zusammengestellt.

Das im Anschluss von ChatGPT gelieferte Ergebnis kann sich sehen lassen und hat innert kürzester Zeit Folgendes hervorgebracht:

1. Management Summary

Die Alpha AG hat im Jahr 2023 über alle Unternehmensbereiche hinweg 40 neue Mitarbeitende eingestellt. Die Alters- und Gehaltsstruktur ist ausgewogen, allerdings zeigen sich alters- und funktionsspezifische Unterschiede. Auffällig ist die Konzentration von Neueintritten auf bestimmte Monate sowie ein eher regional konzentrierter Wohnortmix. Es bestehen gute Voraussetzungen, durch gezielte Personalsteuerung und strategisches Talentmanagement das Mitarbeiterportfolio weiter zu diversifizieren und auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

2. Wichtige Erkenntnisse

  • Verteilung der Neueintritte:
    Insgesamt wurden 40 neue Mitarbeitende eingestellt, gleichmässig auf zehn Abteilungen verteilt (je vier Neueintritte).
  • Alter der Neueintritte:
  1. Durchschnittsalter über alle Neueintritte: 40,2 Jahre
  2. höchstes Durchschnittsalter: Operations (48,5 Jahre)
  3. niedrigstes Durchschnittsalter: Research & Development (36,3 Jahre)
    → Die Einstellungen verteilen sich ausgeglichen auf jüngere (unter 40) und erfahrene Profile (über 45 Jahre).
  • Gehaltsstruktur:
  1. höchste Durchschnittsgehälter: Quality Assurance (CHF 163 750.–) und Information Technology (CHF 163 250.–)
  2. niedrigste: Customer Service (CHF 150 750.–)
    → Die Gehaltsstruktur folgt im Wesentlichen den Funktionsgruppen.
  • Zusammenhang Alter ↔ Gehalt:
  1. Eine leichte positive Korrelation ist sichtbar: höheres Alter → tendenziell höheres Gehalt.
  2. Dennoch finden sich auch jüngere Mitarbeitende in gut bezahlten Rollen (z.B. IT, Finance).
  • Wohnorte & Mobilität:
  1. mehrheitlich aus der Zentralschweiz (Zürich, Luzern, Zug, Aarau)
  2. geringe regionale Diversität → mögliche Einschränkung des Bewerberpools?
  • Einstellungsmonate:
  1. Schwerpunkte im Frühling (März–Mai) und Herbst (August–Oktober)
    → Hinweise auf projekt- oder budgetbedingte Rekrutierungswellen

Zugehörige Abbildungen: Altersverteilung der Neueintritte, Durchschnittsalter nach Abteilung

3. Handlungsempfehlungen

  • Diversifizierung der Altersstruktur in Schlüsselbereichen fördern
    → z.B. durch gezielte Förderung von Nachwuchskräften in «älteren» Abteilungen wie Operations
  • Attraktivität des Unternehmens regional erweitern
    → Ausbau von Employer Branding in angrenzenden Regionen wie Aargau, Zentralschweiz, Zürich-Ost
  • datengestützte Personalplanung verankern
    → Einstellungen stärker an langfristigen Kompetenzbedarfen ausrichten, z.B. in IT, QA
  • zielgerichtetes Vergütungscontrolling aufbauen
    → Benchmarking der Gehälter mit branchenüblichen Standards zur Wahrung interner Fairness
  • interne Nachfolgeplanung stärken
    → Viele neu einstellte Führungskräfte deuten auf geringen internen Aufstieg – hier gezielt Entwicklungspfade aufbauen.

Das vorgenannte Praxisbeispiel zeigt, wie das KI-Tool automatisch einen Datensatz analysiert und mit Management Summary, Erkenntnissen und Handlungsvorschlägen dokumentiert hat.

Fazit

Es wurde gezeigt, dass sich Personalcontrolling vom reinen Kennzahlensammler hin zum Gestalter nachhaltiger, menschenzentrierter Unternehmensführung entwickelt hat. Wer seine HR-Arbeit datengestützt, strategisch ausrichtet und dabei ethische Grenzen achtet, wird nicht nur effizienter, sondern auch attraktiver als Arbeitgeber – und damit langfristig erfolgreicher.

Auch haben die Ausführungen nicht nur gezeigt, warum ein Personalcontrolling vielversprechend ist, sondern ebenso deutlich gemacht, dass es ökonomische Zielgrössen mit qualitativen, strategischen Fragestellungen verbindet und so dafür sorgt, dass das Personalmanagement nicht nur als Kostenstelle, sondern als aktiver Werttreiber verstanden wird.

Vor allem die generative KI erweitert das klassische HR-Controlling um eine dialogische, adaptive und inhaltlich kreative Komponente. Sie automatisiert nicht nur Prozesse, sondern macht komplexe Daten verstehbar, verknüpfbar und entscheidungsreif. Damit wird GenAI zum idealen Partner für das Controlling HR – insbesondere in Zeiten, in denen Datenmengen steigen, aber Auswertungszeit knapper wird.

Vor diesem Hintergrund zählen zu den zukünftigen Herausforderungen für einen bestmöglichen Einsatz generativer KI im Personalcontrolling in erster Linie:

  • Datenschutz und Ethik in der Datennutzung
  • Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitenden
  • analytische Kompetenzen und kritisches Reflexionsvermögen im HR

Quellen- und Literaturhinweise

Hilbig, R., Neyer, A. K., Fichtner, U., & Fischer, S. (2024). GPTs im Personalmanagement: Lessons learned aus dem KI-HR-Lab: Künstliche Intelligenz im Human Resource Management – Erste Handlungsempfehlungen aus dem Experimentierraum. In: Future Skills in Human Resource Management und Corporate Learning: Neue Perspektiven durch Analytics, EdTech und KI (pp. 461–482). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Hilbig, R., Neyer, A. K., Fichtner, U., & Fischer, S. Künstliche Intelligenz im Human Resource Management – Erste Handlungsempfehlungen aus dem Experimentierraum. Future Skills in Human Resource Management und Corporate Learning, 461.

Vormbusch, U. (2024). People Analytics im Kontext organisationaler Datenkulturen: Herausforderungen eines datenbasierten Skill-Managements. In: Future Skills in Human Resource Management und Corporate Learning: Neue Perspektiven durch Analytics, EdTech und KI (pp. 155–175). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Weller, R., & Zelt, S. (2024). HR-Transformation durch People Analytics. Controlling & Management Review68(2), 8–13.

Member werden Newsletter