Rohbaumiete: Den eigenen Bedürfnissen gerecht werden

Eine Kette von Designer-Taschen möchte auf der ganzen Welt gleich aussehende Verkaufslokale. Sie mietet dafür Ladenfläche im Rohbau. Welcher Mietzins ist zulässig für einen Rohbau? Die Rohbaumiete ist im Schweizer Mietrecht nicht ausdrücklich geregelt. Weder Begriff noch Rechte und Pflichten der Parteien sind im Gesetz definiert. Massgebend ist daher der Inhalt des Mietvertrags, der die wichtigsten Punkte klar regeln muss. Die allgemeinen Bestimmungen des Mietrechts (OR 253 ff.) gelten auch für Rohbaumietverhältnisse. Insbesondere ist Art. 256 OR ("zum vorausgesetzten Gebrauch tauglicher Zustand") zu beachten.

17.07.2025 Von: Silvan Andermatt, Robert Simmen
Rohbaumiete

Individuell ausbauen

Die Miete von Räumlichkeiten im Rohbau wird immer beliebter. Bei der Rohbaumiete stellt der Vermieter lediglich einen Rohbau zur Verfügung, der anschliessend vom Mieter individuell ausgebaut wird, um den eigenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, z.B. eine Kombination aus Büro und Fitnesspark mit Badeanlage oder zur Stärkung der Corporate Identity, indem alle Geschäftsfilialen stets gleich aussehen. Allerdings ist die Rohbaumiete nicht gesetzlich geregelt.

Rohbaumiete ist somit die Miete eines Objektes in nicht voll ausgebautem Zustand, wobei der Mieter, mit oder ohne Beteiligung des Vermieters, den Aus- bzw. Umbau besorgt. Im Baukostenplan (BKP SN 506 500) werden zwei wesentliche Ausbauebenen unterschieden: Rohbau 1 (ohne Bedachung und Fenster) und Rohbau 2 (mit Bedachung, Fenster, Behandlung der Fassaden und Versorgungsanlagen).

Tauglich zum vorausgesetzten Gebrauch

Die Mietsache muss für den im Vertrag vereinbarten Zweck geeignet sein. Bei der Rohbaumiete genügt es, wenn das Mietobjekt für den vom Mieter geplanten Ausbau geeignet ist. Ein bestimmter Ausbaustandard wird nicht verlangt, sondern es zählt, was die Parteien als vorausgesetzten Gebrauch vereinbart haben.

Die Zulässigkeit der Rohbaumiete ist in Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt. Die Mietsache gilt als tauglich, wenn sie sich für den vorgesehenen Ausbau eignet.

Gemäss BGE 4A_333/2015 liegt ein Mangel vor, wenn die Mietsache nicht zum vorausgesetzten Gebrauch taugt. Der Mangel kann auch ästhetischer Natur sein, da der Mieter damit rechnen darf, dass das äussere Erscheinungsbild der Mietsache einem normalen Standard entspricht. Vorausgesetzt ist jedoch, dass ein solcher (ästhetischer) Mangel den Gebrauch der gemieteten Sache einschränkt oder beeinträchtigt.

Was bedeutet nun «tauglich zum vorausgesetzten Gebrauch?» Als Grundlage dient stets der Mietvertrag, der den Willen von Mieter und Vermieter im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festhält. Wofür wollte der Mieter das Mietobjekt nutzen? Gab der Vermieter verbindliche Zusicherungen? Ein Büro hat andere Anforderungen als z.B. ein Fitnessstudio; entsprechend muss der Vermieter auch andere Voraussetzungen erfüllen, um die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch zu gewährleisten. Bei der Vereinbarung einer Rohbaumiete muss es dem Mieter insbesondere möglich sein, das Mietobjekt so um- bzw. auszubauen, dass er es zum Vertragszweck gebrauchen kann.

Gemäss Urteil des Kantonsgerichtes Zug vom 08.03.2012 hängt in erster Linie vom Vertragszweck ab und ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, ob die Mietsache dem Mieter den vertragsgemässen Gebrauch tatsächlich gewährleistet.

Geht aus dem Mietvertrag nicht klar hervor, was der Wille von Mieter und Vermieter war, so ist durch das Gericht der Wille der Parteien bei Vertragsunterzeichnung zu rekonstruieren, mit den Erklärungen der Parteien, wie sie der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste (sog. Vertrauensgrundsatz, BGE 105 II 16). Das Gericht legt dabei den ursprünglichen Willen der Parteien aus. Mit von Anfang an klar formulierten Verträgen können solche Unsicherheiten vermieden werden.

Gemäss BGE 4A_159/2014 bestimmt sich der Inhalt eines Vertrags in erster Linie durch subjektive Auslegung, d.h. nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen, und erst anschliessend nach dem Vertrauensprinzip. 

Investitionen des Mieters in das Mietobjekt

Ein Mietobjekt im Rohbau ist nicht im Endnutzungszustand, d.h. bevor es zum vorgesehenen Zweck genutzt werden kann, muss der Mieter oft beträchtliche Investitionen tätigen für den Ausbau, Abbau bzw. Umbau. Diese Investitionen des Mieters in das Mietobjekt können dem Vermieter einen beträchtlichen Mehrwert generieren. 

Ohne vertragliche Regelung gehören fest mit dem Boden verbundene Ausbauten jedoch grundsätzlich dem Vermieter (Akzessionsprinzip, Art. 677 ZGB). Nur lose verbundene Einrichtungen bleiben im Eigentum des Mieters.

Empfehlung: Ein Schnittstellenbeschrieb im Vertrag ist ratsam, um die Zuordnung von Eigentum und Rückbaupflichten klar zu regeln.

Gemäss BGE 4C.345/2005 ist der Mieter Eigentümer der von ihm errichteten Bauten, wenn sie - subjektiv - ohne Absicht einer dauernden Verbindung erstellt werden und zudem - objektiv - nach der Art der Konstruktion keine dauerhaft feste Verbindung mit dem Boden aufweisen.

Entschädigung für Rohbaumiete

Mehrwertentschädigung: Nach herrschender Lehre und Praxis hat der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses einen Anspruch auf Entschädigung für den nicht amortisierten Mehrwert, sofern der Vermieter dem Ausbau schriftlich zugestimmt hat (OR 260a Abs. 3 analog).

Die Entschädigungspflicht kann im Vertrag ausgeschlossen, modifiziert oder präzisiert werden. Es ist zulässig, im Vertrag zu vereinbaren, dass keine Entschädigung geschuldet ist.

Es besteht keine gesetzliche Pflicht, den Mietzins wegen Rohbaumiete zu reduzieren oder dem Mieter eine Entschädigung zu zahlen, sofern dies vertraglich nicht geregelt ist.

Lehre und Praxis: In der Lehre gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob dem Mieter zwingend eine Entschädigung zusteht. Die herrschende Meinung bejaht dies, eine Mindermeinung lehnt dies ab und sieht die Rohbaumiete als verabredete Leistung ohne Reduktionsanspruch.

Gerichtliche Auslegung: Ist der Parteiwille unklar, wird nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt. Klare vertragliche Regelungen sind daher unerlässlich

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