Rechnungswesen KI: Datenschutz und rechtliche Aspekte

Künstliche Intelligenz verändert die Finanzbuchhaltung und das Rechnungswesen KI schrittweise und bietet Schweizer Unternehmen zunehmend praktische Vorteile. Gemäss einer Studie der KPMG zum Einsatz von KI in der Finanzberichterstattung vom November 2024 setzen bereits 73% der Unternehmen in der Schweiz KI in der Finanzberichterstattung ein oder testen entsprechende Anwendungen. Für die nächsten drei Jahre wird sogar von einem vollständigen bzw. flächendeckenden Einsatz ausgegangen (KPMG, 2024).

08.12.2025 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Rechnungswesen KI

Einleitung

Die Automatisierung von typischen buchhaltungsorientierten Routinetätigkeiten, wie z.B. Belegerfassung, Kategorisierung und Abstimmungsprozesse, führt zu spürbaren Effizienzsteigerungen und kann menschliche Fehler bei standardisierten Abläufen reduzieren. Während zwar die Grundprinzipien der Buchhaltung unverändert bleiben, wandelt sich jedoch die Art und Weise der Arbeitsausführung: KI-Tools – allerdings nicht generative KI-Tools wie Chatbots –unterstützen bei der Datenverarbeitung und Mustererkennung, komplexe Bewertungsentscheidungen und strategische Buchungsthemen erfordern jedoch weiterhin fachliche Expertise.

Der Schweizer Rechtsrahmen – insbesondere das Datenschutzgesetz, Revisionsrecht und branchenspezifische Compliance-Anforderungen – stellt dabei klare Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. KI-gestützte Buchungsentscheidungen müssen dokumentierbar und für Revisionszwecke nachprüfbar bleiben. Dies erfordert durchdachte Implementierungsstrategien und oft hybride Ansätze, bei denen KI-Vorschläge durch menschliche Kontrolle validiert werden.

Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die mit dem Einsatz von KI in der Finanzbuchhaltung verbundenen datenschutzrechtlichen Anforderungen, Risiken und Handlungsempfehlungen für Schweizer Unternehmen darzustellen.

Typische Anwendungsfelder von KI in der Finanzbuchhaltung

Zu den Hauptanwendungsfeldern spezialisierter KI im Buchhaltungskontext gehören – und damit zentrale Einsatzbereiche von Rechnungswesen KI:

a. Belegerfassung und -verarbeitung:

  • OCR-Technologie (Optical Character Recognition) für automatische Texterkennung
  • intelligente Dokumentenklassifizierung (Rechnung, Beleg, Kontoauszug)
  • automatische Extraktion relevanter Daten (Datum, Betrag, Steuersatz, Lieferant)

b. Kontierung und Kategorisierung:

  • Machine Learning erkennt Muster aus historischen Buchungen
  • automatische Vorschläge für Konten und Kostenstellen
  • selbstlernende Systeme werden mit jeder Buchung präziser

c. Abgleich und Reconciliation:

  • utomatischer Bankabgleich
  • Erkennung und Zuordnung von Zahlungen
  • Identifikation offener Posten

d. Anomalie- und Betrugserkennung:

  • Erkennung ungewöhnlicher Transaktionsmuster
  • Identifikation von Duplikaten oder verdächtigen Buchungen
  • kontinuierliche Überwachung von Compliance-Verstössen

Für Schweizer Unternehmen besonders relevant sind in diesem Zusammenhang:

  • eine MWST-konforme automatische Kategorisierung
  • die Integration mit lokalen Banking-Standards (ISO 20022) sowie
  • die Unterstützung verschiedener Buchführungsstandards (OR, Swiss GAAP FER)

Welche Risiken sind zu berücksichtigen?

Risiken beim Einsatz und bei der Automatisierung

Zum einen können fehlerhafte oder unvollständige Trainingsdaten im Kontext von Rechnungswesen KI zu automatisierten Fehlbuchungen und Compliance-Verstössen führen. Insbesondere bei einer hohen Automatisierung steigen zudem die Abhängigkeit vom System und das sogenannte Blackbox-Risiko: KI-Entscheidungen sind für Mitarbeitende oft schwer nachvollziehbar, was problematisch für regulierte Aufgabenbereiche wie Buchhaltung und Steuern ist. Auch die Gefahr von Cyberangriffen und Manipulationen wächst mit zunehmender Digitalisierung und systemischer Verknüpfung.

Compliance-Risiken aus Sicht der Schweizer Gesetzgebung

Die Einhaltung regulativer Vorgaben, vor allem diejenigen des Schweizer Obligationenrechts bzw. Rechnungslegungsrechts, die Geschäftsbücher-Verordnung (GeBüV) sowie bei Banken und Versicherungen die FINMA-Anforderungen, müssen stets gewährleistet sein. Kommt es zu Fehlern und Compliance-Verstössen, können diese zu empfindlichen Konsequenzen führen.

Das Schweizer Regulierungsmodell fokussiert auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Datenqualität, ohne eigene KI-Gesetze, aber mit strengen Anforderungen an Governance und Dokumentation.

Gründe für ein erhöhtes Risiko aus Datenschutzverletzungen

Es besteht ein erhöhtes Risiko für Datenschutzverletzungen, insbesondere bei automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten in Buchhaltungs- und Steuerprozessen. Die Gründe dafür sind vielfältig:

Skalierung & Verdichtung sensibler Daten

Automatisierung bündelt grosse Datenmengen an zentralen Stellen (OCR, Auto-Kontierung, Payroll-Pipelines). Ein einzelner Fehlkonfigurations- oder Sicherheitsvorfall betrifft sofort viele Datensätze («single point of failure»). Das revidierte DSG in der Schweiz verlangt hierfür angemessene technische und organisatorische Massnahmen (TOM) wie Verschlüsselung, Zugriffskontrolle, Protokollierung (EDÖB 2024).

Cloud-/Drittlandstransfers & Lieferkettenrisiken

Viele KI-Module laufen in der Cloud; Auslagerung (Auftragsbearbeitung) und grenzüberschreitende Übermittlungen erhöhen das Compliance- und Sicherheitsrisiko. Unternehmen sollten daher darauf bedacht sein, Transparenz zu schaffen (Informationspflicht) sowie Verträge und Verantwortlichkeiten klar festzulegen und Datentransfers abzusichern.

«Black-Box»-Automatisierung & Nachvollziehbarkeit

In der Finanzbuchhaltung müssen Verarbeitungsschritte prüfbar und nachvollziehbar bleiben, was auch bereits durch die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung eingefordert wird (Art. 957a OR Buchführung). Fehlt es an Erklärbarkeit/Prüfbarkeit, drohen Verstösse gegen Buchführungs- und Datenschutzanforderungen.

Besonders schützenswerte Personendaten

Vor allem Lohn- und Gesundheitsdaten unterliegen erhöhten Schutzanforderungen. Dazu gehören beispielsweise strenge Zugriffsbeschränkung sowie eine starke Verschlüsselung. Demzufolge haben Fehler in automatisierten Lohn-/Spesen-Bearbeitungsprozessen ein überproportionales Schadenspotenzial. Dem ist mit geeigneten Massnahmen im Bereich der Verschlüsselung, Authentifizierung und Anonymisierung zu begegnen.

KMU-Exponiertheit gegenüber Cyberangriffen

Schweizer Meldestatistiken und Lageberichte zeigen eine anhaltend hohe Bedrohungslage. So sind KMU besonders häufige Angriffsobjekte von Cybercrime wie Phishing, Ransomware oder Datendiebstahl. Daneben gilt, dass ein Mehr an Automatisierung auch mehr bzw. grössere Angriffsflächen bietet, da ja mehr Schnittstellen, API-Keys oder Servicekonten existieren, die als Einfallstore dienen können.

Doppelte Compliance bei EU-Bezug & neue AI-Pflichten

Schweizer Unternehmen, die Daten von EU-Personen verarbeiten, unterliegen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU mit ihren Anforderungen an erhöhte Transparenz und Dokumentation. Zusätzlich wird für diese Unternehmen der EU-AI-Act relevant, mit stufenweiser Anwendung ab 2025/26. Daraus folgen nochmals höhere Anforderungen an Transparenz, Dokumentation, Risiko- und Governance-Prozesse, die auch für Nicht-Hochrisiko-Systeme in betriebswirtschaftlichen Anwendungen gelten.

Konkrete Anforderungen für Schweizer Unternehmen

a. Datenschutz & Datenmanagement

  • KI-Systeme dürfen nur die nötigen Daten verarbeiten (Datenminimierung).
  • Besonders schützenswerte Personendaten (z.B. Lohndaten, Krankheitsinformationen) erfordern strenge Sicherheitsmaßnahmen: Verschlüsselung, Zugriffskontrollen, Audit-Logs.
  • Zusammenarbeit mit KI-Anbietern nur auf Basis von klaren Auftragsbearbeitungsverträgen (inkl. Serverstandort, Verantwortlichkeiten, Audit-Rechten)

b. Transparenz & Nachvollziehbarkeit

  • Jeder KI-basierte Verarbeitungsschritt (z.B. automatische Kontierung, Reporting) muss erklärbar und prüfbar sein.
  • «Black-Box»-Algorithmen ohne Nachvollziehbarkeit sind riskant – sowohl aus Revisionssicht als auch für die Haftung.
  • KI-Ergebnisse sollten durch menschliche Kontrollschritte («Human-in-the-Loop») ergänzt werden.

c. Governance & Compliance

  • KI muss ins interne Kontrollsystem (IKS) des Unternehmens integriert werden, z.B. durch besondere Freigaberegelungen oder Vieraugenprinzip bei sensiblen Buchungen.
  • Unternehmen sollten ein Verzeichnis der KI-Verarbeitungstätigkeiten führen (analog zu Datenschutzinventaren).
  • Für Schweizer Unternehmen mit Geschäftstätigkeit im EU-Raum: Compliance mit DSGVO und künftig EU AI Act muss sichergestellt sein.

Handlungsempfehlungen

Für Schweizer Unternehmen, die die oben genannten Risiken so weit wie möglich unter Kontrolle behalten wollen, gelten die folgenden Massnahmen als unverzichtbar:

  1. Es sollten klare Zuständigkeiten sowie strukturierte Prozesse und Governance-Mechanismen für KI-Projekte geschaffen werden, wo diese noch nicht oder nur unzureichend vorhanden sind. Jede automatisierte Buchung muss prüfbar sein.
  2. Wo Unternehmen eigene KI-Lösungen (on premise) einsetzen und trainieren, ist eine regelmässige Überprüfung der Trainingsdaten auf Qualität, Fehlerfreiheit und Aktualität angezeigt. Zusätzlich gilt bei erworbenen KI-Lösungen, dass auf deren Output-Qualität geachtet werden sollte, da Defizite in diesem Bereich ebenso auf nicht adäquate Trainingsdaten des Herstellers/Betreibers hinweisen könnten. Zudem sollten Cloud-Standorte & Drittlandstransfers klar und unmissverständlich geregelt sein durch entsprechende Standardklauseln, den Bezug zu TOM sowie Audit-Rechte.
  3. Es gilt, eine Modell- und Prozessdokumentation für die im Unternehmen entwickelten, trainierten bzw. eingesetzten KI-Systeme zu erstellen und aktuell zu halten, damit die Nachvollziehbarkeit und Transparenz gegenüber Behörden und internen Prüfinstanzen sichergestellt werden kann. Diese Dokumentation bezieht auch Auftragsbearbeitungsverträge & Datenflüsse ein.
  4. Unabhängige Prüfungen und Kontrollen durch interne oder externe Audit-Stellen gilt es zu etablieren. Vor allem ein allfälliger EU-Bezug ist zu prüfen, weil hierdurch die DSGVO sowie der EU AI Act die Compliance-Anforderungen deutlich anwachsen lässt.
  5. Fortlaufende Schulung der Mitarbeitenden zu KI-Compliance und Risiken sowie gezielte Sensibilisierung für Datenschutz und Cybersecurity sorgen angesichts der klaren Bedrohungslage ebenfalls dafür, dass der Einsatz von KI-Systemen keine unkontrollierten Risiken entstehen lässt. Ein adäquates Schlüssel-/Secret-Management, Back-ups sowie ein Ransomware-Notfallplan sind vor allem in den besonders betroffenen KMU unverzichtbar.

Fazit und Ausblick

Schweizer Unternehmen können von Rechnungswesen KI stark profitieren stark profitieren, sollten aber Risiken und Compliance-Anforderungen aktiv steuern und geeignete Kontrollmechanismen für einen sicheren und transparenten Einsatz etablieren. Die Grenzen sind da erreicht, wo diese KI-Systeme zwar einerseits regelbasiert und mustererkennend arbeiten, jedoch weiterhin menschliche Überwachung und Validierung benötigen. Dies gilt besonders bei komplexen Buchungssachverhalten.

Darüber hinaus ist wichtig zu beachten, dass Rechnungswesen KI so lange eingesetzt werden darf, wie die Grundprinzipien des revidierten DSG (Transparenz, Zweckbindung, Sicherheit) eingehalten werden. Dazu gehört auch, dass Unternehmen jederzeit in der Lage sind, nachzuweisen, dass Buchungen ordentlich, nachvollziehbar und revisionssicher sind (Art. 957 ff. OR).

Abschliessend gilt, dass die Verantwortung immer beim Verwaltungsrat bzw. bei der Geschäftsleitung liegt – auch wenn KI Aufgaben übernimmt.

Quellenverzeichnis

Digicomp (2024): Künstliche Intelligenz und Datenschutz: die 6 grössten Risiken, online: https://digicomp.ch/blog/2024/11/08/kuenstliche-intelligenz-und-datenschutz-die-6-groessten-risiken

Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter – EDÖB (2024): Leitfaden zu den technischen und organisatorischen Massnahmen des Datenschutzes (TOM), online: www.edoeb.admin.ch/de/23012024-leitfaden-tom-publiziert?utm_source=chatgpt.com

KPMG (2024): Künstliche Intelligenz in der Finanzbranche: Chancen, Risiken und regulatorische Entwicklungen, Studie, online: https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmgsites/ch/pdf/kpmg-ch-report-global-ai-audit-study-trusted-ai-framework.pdf

Schmid, F.; Weyermann, P. (2024): Umgang mit Künstlicher Intelligenz im regulierten Umfeld, GrantThornton, online: www.grantthornton.ch/de/aktuelles/kuenstliche-intelligenz-im-regulierten-umfeld/

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