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Alterskündigung: Wann gilt eine Kündigung als missbräuchlich?

Ältere Arbeitnehmende sind mit zunehmendem Alter vermehrt schutzbedürftig, weshalb die Gerichtspraxis bei solchen mit vielen Dienstjahren von einer erhöhten Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden ausgeht. In solchen Fällen kann eine Kündigung ohne vorgängige Massnahmen unter Umständen missbräuchlich sein.

01.07.2024 Von: LL.M Gian Geel, Marc Ph. Prinz
Alterskündigung

Generelles zur missbräuchlichen Kündigung

Grundsätzlich gilt in der Schweiz die Kündigungsfreiheit. Das bedeutet, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis ohne besonderen Grund unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist kündigen dürfen, solange kein missbräuchlicher Grund vorliegt. Das Obligationenrecht («OR») listet in Art. 336 eine Reihe von Kündigungsgründen auf, die als missbräuchlich qualifiziert werden.

So ist insbesondere auch eine Kündigung missbräuchlich, die wegen einer Eigenschaft ausgesprochen wird, die der anderen Person kraft ihrer Persönlichkeit zusteht (z. B. Alter), es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb. Wird also ohne die genannten Rechtfertigungsgründe eine Kündigung bloss wegen des Alters eines Arbeitnehmers ausgesprochen, wäre diese missbräuchlich. Dies dürfte in der Praxis eher selten gegeben sein. Grundsätzlich zulässig ist eine Kündigung wegen altersbedingter Leistungseinbussen, sofern die nachstehend erläuterte Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden gewahrt bleibt.

Da der gesetzliche Katalog von missbräuchlichen Kündigungsgründen nicht abschliessend ist, wurde er von der Gerichtspraxis auf ähnliche Fälle eines Verstosses gegen Treu und Glauben erweitert, so insbesondere auch auf die vorliegend behandelte, sogenannte Alterskündigung.

Eine missbräuchliche Kündigung bleibt gültig. Das Gesetz sieht für solche Fälle jedoch eine Strafzahlung von bis zu sechs Monatslöhnen vor (Höhe des Bruttobetrags, nicht sozialversicherungs- und steuerpflichtig). Für die Geltendmachung dieses Anspruchs sieht das Gesetz (Art. 336b OR) zwei Verwirkungsfristen vor, nach deren unbenutztem Ablauf der Anspruch wegfällt: Erstens müssen betroffene Arbeitnehmende vor dem Ende der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache gegenüber ihren Arbeitgebenden erheben. Zweitens müssen sie innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage einreichen (Schlichtungsbegehren).

Ältere Arbeitnehmende mit vielen Dienstjahren

Ältere Arbeitslose haben es bekanntlich auf dem Arbeitsmarkt oft nicht leicht, eine neue Stelle zu finden. Nicht zuletzt aufgrund höherer Beiträge zur Pensionskasse werden sie tendenziell unattraktiver für Arbeitgebende. Entsprechend gross ist regelmässig das Interesse älterer Arbeitnehmender daran, ihre oft seit Jahrzehnten gehaltene Stelle nicht zu verlieren. 

Das Bundesgericht geht daher in konstanter Rechtsprechung von einer erhöhten Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden gegenüber älteren Arbeitnehmenden mit vielen Dienstjahren aus. Entsprechend sei bei solchen Arbeitnehmenden ein möglichst schonendes, den gegenüberstehenden Interessen Rechnung tragendes Verhalten an den Tag zu legen.1 

Doch ab wann gelten Arbeitnehmende als «älter» und «dienstälter» im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung? Da die Beurteilung einer Kündigung immer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, ist es schwierig, generelle Aussagen darüber zu treffen. Je älter jemand ist, desto weniger hohe Anforderungen sind an das Dienstalter zu stellen, und umgekehrt. Unseres Erachtens kann als Faustregel davon ausgegangen werden, dass ab Mitte fünfzig und mit mindestens einem Jahrzehnt an Dienstjahren Arbeitnehmende wohl oft als «älter» und «dienstälter» gelten dürften. Die Rechtsprechung scheint dabei vor allem dem Alter der Arbeitnehmenden grössere Bedeutung zuzuerkennen. Die allermeisten festgestellten missbräuchlichen Alterskündigungen betrafen Arbeitnehmende über 60 Jahren. Nach Teilen der Lehre sollen bereits sechs Dienstjahre unter Umständen genügen, um als «dienstälter» zu gelten.

Wahrnehmung der erhöhten Fürsorgepflicht

Unter Umständen kann die erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber älteren Arbeitnehmenden mit vielen Dienstjahren gebieten, vor dem Aussprechen einer Kündigung zunächst mildere Massnahmen zu ergreifen. Es sind aber immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend dafür, ob im konkreten Fall vorgängige Massnahmen erforderlich sind (vgl. dazu die Ausführungen unter dem nächsten Titel).

Beispiele:
Insbesondere können unter Umständen folgende Massnahmen im Vorfeld einer Kündigung geboten sein:
1. Rechtzeitige, vorgängige Information und Anhörung des Arbeitnehmers.
2. Lösungssuche, um die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen (z. B. Ersatzstelle innerhalb des Betriebs oder des Konzerns).
3. Bei mangelhafter Leistung oder Verhalten: Einräumung einer letzten Chance mit Fristansetzung zur Verbesserung bzw. Zielvereinbarung.

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