Weka Plus

Durchgriff Konzernunternehmen: Schutz von Minderheitsaktionären und Gläubigern

Wenn die Aktien einer Gesellschaft zu 100 Prozent der Konzernleitung gehören, so ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten. Die Geschäftsleitung bzw. der Verwaltungsrat der abhängigen AG kann ohne weiteres die Weisungen der herrschenden Gesellschaft befolgen und sich ganz deren Interessen widmen, solange nicht die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft durch Insolvenz etc. zu Schaden kommen oder deren Interessen ernsthaft gefährdet werden.

16.09.2025 Von: Regula Heinzelmann
Durchgriff Konzernunternehmen

Anders ist die Situation bei einer Beteiligung des dominierenden Unternehmens von weniger als 100 Prozent, denn hier sind noch weitere Aktionäre vorhanden, Minderheitsaktionäre der abhängigen Gesellschaft, deren Rechte ebenfalls gewahrt werden müssen. Wenn die Leitung der abhängigen Gesellschaft einseitig die Interessen des Mehrheits-Unternehmens verfolgt kann es dabei zu einem Interessenkonflikt zu Lasten der Minderheitsaktionäre kommen. Es besteht insbesondere die Gefahr, dass die abhängige Gesellschaft im Interesse des Gesamtkonzerns ausgehöhlt wird. Es gibt im OR Bestimmungen für qualifizierte Mehrheiten, die aber auch für unabhängige Aktiengesellschaften gelten, namentlich Art. 704 OR. 

Freie Aktionäre

Unter Freien Aktionären, auch Kleinaktionäre genannt, versteht man Inhaber von einer oder mehreren Aktien, die nicht zu den Gross- oder Mehrheitsaktionären gehören oder diesen nahestehen. Zuweilen wird ein Zusammenschluss der freien Aktionäre einer AG angestrebt, besonders wenn es um Beschlüsse geht, die nicht in ihrem Interesse liegen. 

Der Konzerneintritt eines freien Aktionärs kann durch Erwerb eines entsprechenden Aktienpakets eines abhängigen Konzernunternehmens durch eine natürliche oder juristische Person erfolgen. Möglich ist auch ein Verkauf der Aktienmehrheit eines bisher selbständigen Unternehmens an die Konzernmutter, wobei dem Verkäufer eine Aktienminderheit verbleibt. Unfreiwillig erfolgt der Konzerneintritt durch die Übernahme einer selbständigen Gesellschaft durch einen Konzern oder ein grösseres Unternehmen.

Ein freiwilliger Konzerneintritt ist in der Regel unbedenklich, da sich der Erwerber seiner Stellung als Minderheitsaktionär bewusst ist. Bei einer Kontrollübernahme, die feindlich sein kann, hat der freie Aktionär einen Wertverlust seiner Aktien zu befürchten und - wenn ihm vorher die Mehrheit der Aktion gehörten - einen unerwünschten Einfluss fremder Aktionäre.

Zum Schulz der Minderheitsaktionäre dienen auch die Meldevorschriften von (Art. 697j OR):

  • Wer allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer Gesellschaft, deren Beteiligungsrechte nicht an einer Börse kotiert sind, erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmrechte erreicht oder überschreitet, muss der Gesellschaft innert Monatsfrist den Vor- und den Nachnamen und die Adresse der wirtschaftlich berechtigten natürlichen Person melden. 

  • Ist der Aktionär eine juristische Person oder Personengesellschaft, so muss als wirtschaftlich berechtigte Person jede natürliche Person gemeldet werden, die den Aktionär kontrolliert. Gibt es keine solche Person, so muss der Aktionär dies der Gesellschaft melden.

  • Ist der Aktionär eine Kapitalgesellschaft, deren Beteiligungsrechte an einer Börse kotiert sind, wird er von einer solchen Gesellschaft kontrolliert oder kontrolliert eine solche, muss er nur diese Tatsache sowie die Firma und den Sitz der Kapitalgesellschaft melden.

  • Der Aktionär muss der Gesellschaft innert 3 Monaten jede Änderung des Vor- oder des Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person melden.

Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Aktien als Bucheffekten ausgestaltet und bei einer Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Die Gesellschaft bezeichnet die Verwahrungsstelle.

Übernahmevorschriften im Finanzmarktinfrastrukturgesetz

Wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet, muss ein Angebot unterbreiten für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft (Art. 135 FinfraG). Die Zielgesellschaften können in ihren Statuten den Grenzwert bis auf 49 Prozent der Stimmrechte anheben.

Der Preis des Angebots muss mindestens gleich hoch sein wie der höhere der folgenden Beträge: Börsenkurs oder der höchste Preis, den der Anbieter in den zwölf letzten Monaten für Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat. Hat die Gesellschaft mehrere Arten von Beteiligungspapieren ausgegeben, so müssen die Preise für die verschiedenen Arten von Beteiligungspapieren in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Die Übernahmekommission kann in berechtigten Fällen Ausnahmen von der Angebotspflicht gewähren (Art. 136 FinfraG), namentlich wenn 

  • die Stimmrechte innerhalb einer vertraglich oder auf andere Weise organisierten Gruppe übertragen werden. Die Gruppe untersteht in diesem Fall der Angebotspflicht nur als Gruppe.

  • die Überschreitung aus einer Verringerung der Gesamtzahl der Stimmrechte der Gesellschaft resultiert

  • der Grenzwert nur vorübergehend überschritten wird

  • die Beteiligungspapiere unentgeltlich oder, im Rahmen einer Kapitalerhöhung, vorzugsweise gezeichnet werden oder zu Sanierungszwecken erworben werden.

Wichtig: Die Angebotspflicht entfällt, wenn die Stimmrechte durch Schenkung, Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung erworben werden.

Verfügt der Anbieter nach Ablauf der Angebotsfrist über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft, so kann er innert einer Frist von drei Monaten vom Gericht verlangen, die restlichen Beteiligungspapiere für kraftlos zu erklären. Der Anbieter muss zu diesem Zweck gegen die Gesellschaft Klage erheben. Die restlichen Aktionäre können dem Verfahren beitreten (Art. 137 FinfraG). Die Gesellschaft gibt diese Beteiligungspapiere erneut aus und übergibt sie dem Anbieter gegen Entrichtung des Angebotspreises oder Erfüllung des Austauschangebots zugunsten der Eigentümer der für kraftlos erklärten Beteiligungspapiere.

Jetzt Member werden und weiterlesen:

  • Unlimitierter Zugriff auf alle 1300 Arbeitshilfen
  • Alle kostenpflichtigen Beiträge auf weka.ch frei
  • Zugriff auf alle Videos
  • Täglich aktualisiert
  • Wöchentlich neue Inhalte und Arbeitshilfen
  • Exklusive Spezialangebote
  • News- & Update-Services
  • Seminargutscheine
und viele weitere Vorteile! ab CHF 24.80 pro Monat Jetzt abonnieren Sind Sie schon Member? Hier anmelden
Member werden Newsletter