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Scheidungsklage: Wenn gemeinsames Vorgehen nicht möglich ist

Das Recht unterscheidet bei den Scheidungsvoraussetzungen zwischen der Scheidung auf gemeinsames Begehren beider Ehegatten und der Scheidung auf Klage eines Ehegatten. Lesen Sie hier mehr zu Arten und Ablauf der Scheidungsklage.

04.03.2022
Scheidungsklage

Bei der Scheidungsklage unterscheidet das Gesetz wiederum zwischen zwei verschiedenen Klagegründen: Dem Klagegrund nach zweijähriger Trennung im Zeitpunkt der Klageeinreichung, Art. 114 ZGB, sowie der Unzumutbarkeit, die zweijährige Trennungszeit abzuwarten, zufolge schwerwiegender Gründe, die dem Kläger nicht zuzurechnen sind, Art. 115 ZGB. Dabei beruhen alle Scheidungsgründe formell auf dem Zerrüttungsprinzip, d.h. damit die Scheidung ausgesprochen werden kann, muss die Ehe (unter den jeweiligen Voraussetzungen) als endgültig gescheitert betrachtet werden können. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Ehegatten seit (mindestens) zwei Jahren getrennt von einander leben.

Das Scheidungsrecht geht in diesem Fall davon aus, dass nach Ablauf dieser Zeitdauer (ohne dass es zu einer Versöhnung mit Wiederaufnahme des Zusammenlebens gekommen ist) die Ehe endgültig als gescheitert betrachtet werden kann. Die Verschuldensfrage spielt heute keine Rolle mehr. Diese Trennungsfrist, die heute die einzige Voraussetzung für eine Scheidungsklage bildet, muss nicht eingehalten werden, wenn die Ehegatten gemeinsam den Scheidungsantrag stellen (Scheidung auf gemeinsames Begehren), da der Gesetzgeber diese Form der Scheidung fördern will. Zudem kann ein Ehegatte die Scheidung auch vorher verlangen, wenn die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit
der Weiterführung der Ehe gegeben sind.

Scheidung nach Getrenntleben

Folgende Grundsätze sind festzuhalten:

Generell

Leben die Ehegatten seit zwei Jahren getrennt, kann jeder von ihnen die Scheidung auch gegen den Widerstand des Partners oder der Partnerin durchsetzen. Nach dieser Trennungszeit geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist. Die frühere Frist von 4 Jahren wurde in der letzten Revision auf 2 Jahre verkürzt. Die Trennungsfrist war dabei bis ins Differenzbereinigungsverfahren hinein zwischen den beiden Kammern des Parlaments umstritten, einerseits durfte die Frist nicht zu kurz gewählt werden, damit die Scheidung nicht praktisch zur Verstossung wird, anderseits sollte sie aber auch nicht zu lang sein, denn die entfremdeten Ehegatten müssen ihr Leben kurz- oder mittelfristig wieder neu gestalten können. Ist die gesetzlich vorgeschriebene Trennungsfrist abgelaufen, gibt es keine Möglichkeit, gegen die Scheidung Einspruch oder ähnliches zu erheben mit dem Hinweis darauf, sie bedeute für die beklagte Partei eine unzumutbare Härte oder sie möchte an der Ehe festhalten..

Zeitpunkt der Fristerfüllung

Die Trennungsfrist von zwei Jahren muss im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahren, d. h. am Tag der Einreichung der Scheidungsklage beim Gericht oder bei der Schweizerischen Post zu Handen des Gerichts, abgelaufen sein. Das Erfüllen der zweijährigen Frist im Zeitpunkt der Einigungsverhandlung oder im Zeitpunkt des Scheidungsurteils genügt nicht. Ist die Frist im Zeitpunkt der Einreichung noch nicht abgelaufen, muss die Klage abgewiesen werden, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Scheidung auf gemeinsames Begehren vorliegen (Art. 292 Abs. 1 ZPO). Hat ein Ehegatte mit einem Scheidungsverfahren gestützt auf Art. 115 ZGB, d. h. wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe, begonnen und steht fest, dass die Parteien schon bei Einreichung der Scheidungsklage seit zwei Jahren getrennt leben, darf das Gericht die Scheidung gestützt auf Art. 114 ZGB aussprechen.

Begriff des Getrenntlebens

Die Frist von zwei Jahren beginnt grundsätzlich in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem ein Ehegatte das eheliche Zusammenleben willentlich aufgibt. Getrenntleben bedeutet dabei die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, wobei schon ein faktisches Getrenntleben genügt. Das massgebende Getrenntleben besteht darin, dass die Eheleute nicht mehr in einer umfassenden körperlichen, geistig-seelischen und wirtschaftlichen Lebensgemeinschaft verbunden sind. Mit dem Begriff des Getrenntlebens knüpft das Gesetz den Scheidungsanspruch an einen faktischen Zustand an. Ein solcher Zustand kann nur dann Indiz für die unheilbare Zerrüttung der Ehe sein und somit als Scheidungsgrund genügen, wenn er von einem oder beiden Ehegatten bewusst und willentlich herbeigeführt worden ist, weil die eheliche Gemeinschaft abgelehnt wird. Vom Scheidungsgericht zu prüfen sind somit sowohl der faktische Zustand des Getrenntlebens - als eine objektive Tatsache - als auch das Motiv, das hinter diesem Getrenntleben steht, somit eine subjektive Gegebenheit, die als solche zwar erkennbar, vom anderen Ehegatten aber nicht notwendigerweise auch tatsächlich erkannt oder zudem schlüssig sein muss. Nach Auffassung der Lehre sollten einzelne geschlechtliche Kontakte, Briefwechsel, unregelmässige gegenseitige Besuche oder Zusammenarbeit im Interesse der Kinder die Trennung ebenfalls nicht unterbrechen. Auch aus der Hilfe für einen in Not geratenen Ehegatten kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass das Getrenntleben aufgegeben worden ist. Sodann hat ein kurzer erfolgloser Versuch, das Zusammenleben wieder aufzunehmen, meist keinen Einfluss auf den Fristenlauf. Eheerhaltende Massnahmen sollen nicht unterbleiben, weil ein Ehegatte Rechtsnachteile befürchten muss. Was allerdings unter einem ‹kurzen Versuch› genau zu verstehen ist, ist nicht genau definiert und muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände entschieden werden. Im Interesse der Rechtssicherheit könnte eine Erklärung der Ehegatten wünschbar sein, sie wollten nur versuchsweise wieder zusammenleben. Erst wenn das Zusammenleben mehrere Monate andauert, sollte davon ausgegangen werden, dass das Getrenntleben endgültig unterbrochen ist und erst bei neuerlicher Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes wieder neu zu laufen beginnt.

Beweis

Die Einhaltung der Trennungsfrist von zwei Jahren hat der klagende Ehegatte zu beweisen. Dabei kann der Beweis des Getrenntlebens mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden. In Bezug auf den Beginn der Frist kann dies bspw. mit Abschluss eines Mietvertrages oder aufgrund der Ummeldung bei der Gemeinde. In der Praxis wird zudem häufig (sofern vorhanden) auf das Eheschutzurteil abgestellt, da dieses oftmals auch den Trennungszeitpunkt nennt.

    Scheidungsklage wegen Unzumutbarkeit

    Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. Die wesentlichsten Grundzüge können wie folgt zusammengefasst werden:

    Leitidee

    Weil der formalisierte Scheidungsgrund der faktischen Trennung eine unter Umstände nicht zumutbare und somit zu lange Trennungszeit erfordert, stellt das Gesetz einen weiteren, subsidiären Scheidungsgrund zur Verfügung. Art. 115 ZGB kommt in der Praxis jedoch nur sehr selten zur Anwendung, da die Voraussetzungen an die Unzumutbarkeit hoch sind. Namentlich soll verhindert werden, dass die zweijährige Trennungsfrist, der auch ein Schutz vor Übereilung sowie die Möglichkeit der Neuorganisation des zukünftigen Lebens der Ehegatten beinhaltet, umgangen wird und die altrechtliche Verschuldensfrage «durch die Hintertür» wieder Eingang in das Scheidungsverfahren findet.

    Ehegeschichte und Verschulden

    Eine der Leitideen des heute geltenden Scheidungsrechts ist der Grundsatz, dass die Scheidung im Grundsatz verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Das kommt in den beiden Scheidungsgründen von Art. 111 ZGB und Art. 114 ZGB zum Ausdruck und ergibt sich auch aus den Materialien. Demgegenüber ist der Scheidungsgrund nach Art. 115 ZGB in dieser Hinsicht als Ausnahme konzipiert (Härtefall). Er ist gegenüber den beiden andern Scheidungsgründen subsidiär.

    D.h. er kommt insbesondere nur zur Anwendung, wenn die zweijährige Trennungszeit noch nicht erreicht ist. Während bei den erstgenannten Bestimmungen die Scheidungsgründe absoluter Natur sind (d.h. wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein absoluter Anspruch auf Scheidung) und in diesen Fällen die Ehegeschichte nicht von Bedeutung ist, handelt es sich bei der Unzumutbarkeit im Sinne von Art. 115 ZGB um einen relativen Scheidungsgrund, hier ist die Ehegeschichte relevant und das Verschulden kann eine entscheidende Rolle spielen.

    Schwerwiegende Gründe, welche Scheidungsklage vor Ablauf der zweijährigen Frist möglich machen

    Die schwerwiegenden Gründe, die die Weiterführung der Ehe (nicht des Zusammenlebens) bzw. das Abwarten der zweijährigen Trennungsfrist unzumutbar machen und folglich zur Scheidung Anlass geben, müssen entweder objektiver Natur sein oder bei subjektiven Gründen dem beklagten Ehegatten zugerechnet werden können. ‹Zurechnen› heisst nicht, dass ein Verschulden vorliegen muss. Dem Gesetzgeber genügt es, wenn die schwerwiegenden Gründe in der Person des beklagten Ehegatten vorliegen, ohne dass ihm zwingend auch zugleich ein persönlicher Vorwurf gemacht werden muss. Dagegen darf die Partei, welche die Scheidung verlangt, die Gründe für die unzumutbaren ehelichen Verhältnisse nicht selber verursacht haben. Nur schwerwiegende Gründe vermögen eine Scheidung gestützt auf Art. 115 ZGB zu rechtfertigen; an die schwerwiegenden Gründe ist ein strenger Massstab anzulegen. Als schwerwiegend dürfte beispielsweise beurteilt werden, wenn ein Ehegatte gegenüber dem andern gewalttätig ist.

    Fallgruppen der schwerwiegenden Gründe

    Dass das Gesetz nur eine Generalklausel und keine Beispiele enthält, hat der Gesetzgeber bewusst so gestaltet. Damit soll den Gerichten ausreichend Raum für eine Entscheidung im Einzelfall gelassen werden. Dies ist aber gleichbedeutend damit, dass es in aller Regel nicht mit ausreichender Sicherheit vorhergesagt werden kann, wann ein Fall der Unzumutbarkeit vorliegt und wann nicht. Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls.

    Denkbar sind folgende Anwendungsfälle:

    • Als objektiver Grund kommt bspw. eine Krankheit in Frage, sei es auf Seiten des klagenden oder sei es auf Seiten des beklagten Ehegatten. Dies dürfte freilich aus ethischen Gründen nicht schon bei jeder (unheilbaren) Krankheit schlechthin angenommen werden. Denkbar ist sodann auch eine Krankheit, deren Auswirkungen die Grenzen der ehelichen Beistandspflicht überschreiten. Hierzu gehören auch psychische Erkrankungen, die aufgrund der Zerrüttung der Ehe entstanden sind und durch die sofortige Scheidung gemildert werden könne (z.B. eine posttraumatische Belastungsstörung, wobei in diesem Fall die Grenze zur physischen / psychischen Integritätsverletzung fliessend sind).
    • Ein weiterer Anwendungsfall wäre in den Fällen denkbar, in denen die beklagte Partei durch ihr Verhalten die physische und psychische Integrität der klagenden Partei oder einer dieser nahe stehenden Person in schwerster Weise beeinträchtigt hat. Zu denken ist etwa an einen Sachverhalt, der auch einen Enterbungsgrund bilden würde (schweres Verbrechen) oder der in  anderer Weise zum Untergang ehelicher Verpflichtungen führt, denn das Institut der Ehe soll nicht zum Selbstzweck verkommen, indem es ausgehöhlt wird. Ein Ehebruch oder ein aussereheliches Verhältnis ohne die genannten besonderen Qualifikationen würde hingegen nicht ausreichen, um die Scheidung nach Art. 115 ZGB zu begründen.
    • Auch eine einseitige Scheinehe kann die Unzumutbarkeit für den anderen Ehegatten zur Folge haben. Zu denken ist an Situationen, wo ausländische Männer oder Frauen ausschliesslich deshalb heirateten, um eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu erlangen und zu keinem Zeitpunkt einen echten Ehewillen hatten. Denkbar ist eine Scheidung wegen Unzumutbarkeit für denjenigen Ehegatten, der eine eheliche Gemeinschaft eingehen wollte und nach der Heirat feststellen muss, dass der andere Ehegatte tatsächlich nie denselben Willen hatte und die Heirat nur einging, um sich in dieser Hinsicht Vorteile zu verschaffen. Wenn es sich hingegen um einen Fall einer beidseitigen Scheinehe handelt, d.h. beide Ehegatten sich bewusst waren, dass die Ehe lediglich zum Schein geschlossen wird, stellt dies ein Anwendungsfall der Eheungültigkeit dar (Art. 105 Ziff. 4 ZGB).
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