Obligationenrecht: Revision im Bau- und Kaufrecht

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Obligationenrecht
Die unterschiedlichen Gewährleistungsrechte
Wählt der Besteller oder Käufer die Wandelung, wird der Vertrag rückgängig gemacht. Ansprüche, die noch nicht erfüllt wurden, erlöschen, und bereits erbrachte Leistungen müssen zurückerstattet werden. Bei Bauwerkverträgen ist die Wandelung nur dann zulässig, wenn das Werk an derart erheblichen Mängeln leidet oder so sehr vom Vertrag abweicht, dass es für den Besteller unbrauchbar geworden ist oder ihm die Annahme des Werks nicht zugemutet werden kann. Ist eine Baute auf dem Grundstück des Bestellers errichtet worden und lassen sich die Bauteile nur mit unverhältnismässigem Nachteil entfernen, ist die Wandelung sogar gänzlich ausgeschlossen.
Bei der Minderung wird der Werklohn respektive der Kaufpreis reduziert. In den meisten Fällen deckt sich die Herabsetzung mit den Kosten für die Mängelbehebung.
Die Nachbesserung, die nur bei Werkverträgen zur Verfügung steht, gibt dem Besteller den Anspruch auf unentgeltliche Verbesserung des mangelhaften Werks. Die Nachbesserung kann nur verlangt werden, wenn dies dem Unternehmen keine übermässigen Kosten verursacht. Der Nutzen der Nachbesserung darf also nicht in einem Missverhältnis zu den Nachbesserungskosten stehen. Bei Werkverträgen nach der SIA-Norm 118 muss der Besteller dem Unternehmen stets zuerst Gelegenheit zur Nachbesserung gewähren, bevor er ein anderes Gewährleistungsrecht ausübt.
Die Problemfelder der aktuellen Rechtslage
Die Durchsetzung dieser kauf- oder werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche ist in der Praxis gemäss aktueller Rechtslage an hohe Hürden gebunden. Zum einen besteht bei Mängeln, die erst spät entdeckt werden (was bei Bauten nicht selten der Fall ist), die Gefahr der Verjährung: Baumängel verjähren sowohl beim Werkvertrag als auch beim Kaufvertrag innert fünf Jahren.
Zum anderen sind Mängel, die erst nach Ablieferung zutage treten, nach geltendem Recht «sofort» nach deren Entdeckung zu rügen. «Sofort» bedeutet nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich innert sieben Tagen. Das Bundesgericht hat Mängelrügen, die erst nach 14 Tagen, 18 Tagen, einem Monat oder fünf Wochen erfolgten, als verspätet beurteilt. In Ausnahmefällen hat das Bundesgericht eine Mängelrüge 11 Tage nach Entdeckung der Mängel als rechtzeitig erachtet, wobei zwei Wochenenden in diese Zeit fielen und somit letztlich nur sechs Arbeitstage verstrichen sind. Die Rügefrist bleibt demnach in jedem Fall äusserst kurz. Überdies liegt die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Rüge beim Besteller beziehungsweise Käufer.
Diese kurze Rügefrist hat in der Praxis oft zur Folge, dass entweder die Mängel nicht rechtzeitig gerügt werden oder der Mangel gegenüber allen potenziell verantwortlichen Unternehmen gerügt wird (wenn zum Beispiel bei Bauwerkverträgen nicht klar ist, welches Bauunternehmen für den Mangel verantwortlich ist). Solche vorsorglichen «Rundumschläge» widersprechen jedoch dem in Geschäftsverkehr üblichen Anstand, welcher gebietet, Vertragspartnern nicht leichtfertig Vertragsverletzungen vorzuwerfen.
Neben der kurzen Frist, innerhalb derer die Rüge zu erfolgen hat, sind auch die Anforderungen an die Rüge nach der geltenden Rechtsprechung hoch. Inhaltlich muss die Rüge sachgerecht substanziiert sein, Art, Umfang und gegebenenfalls Ort des Mangels beinhalten, sodass die Verkäuferin beziehungsweise das Unternehmen abschätzen kann, in welchen Punkten und in welchem Umfang das Werk bemängelt wird. Die Mängelrüge muss zudem zum Ausdruck bringen, dass der Besteller das Werk nicht als vertragsgemäss anerkennen und das Unternehmen haftbar machen will.
Beweistechnisch muss die Mängelrüge zudem in schriftlicher Form erfolgen. Weil bei E-Mails oder A-Post jeweils behauptet werden kann, die Sendung nicht erhalten zu haben, ist sie per Einschreiben zu versenden.
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Die Anforderungen an eine rechtzeitige und formgerechte Mängelrüge sind für juristische Laien oft kaum erfüllbar. Private Besteller oder Käufer, die einen Mangel an einer bestellten Ware oder einem Werk feststellen, versäumen es häufig, innert der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eine eingeschriebene Mängelrüge an das Unternehmen oder die Verkäuferin zu senden. Meistens wird erst dann anwaltliche Unterstützung beigezogen, wenn es bereits zu spät und die Frist zur Mängelrüge verstrichen ist.
Weil mit einer verspäteten oder unterlassenen Mängelrüge die Mängelrechte verwirken, können die Folgen schwerwiegend sein. Selbst wenn ein Unternehmen ein mangelhaftes Werk erstellt oder eine Verkäuferin eine mangelhafte Liegenschaft verkauft hat, entfällt die Gewährleistungspflicht für den nicht fristgerecht gerügten Mangel. Dies gilt selbst dann, wenn die Verjährungsfrist für Mängelansprüche noch mehrere Jahre andauert. Die Konsequenz: Der Besteller oder Käufer muss die finanziellen Folgen selbst tragen, weil er den Mangel nicht fristgerecht geltend gemacht hat.
Die Gesetzesänderung
Der Bundesrat und das Parlament haben erkannt, dass die Mängelrüge für Bauherren heute in der Praxis ein sehr grosses Problem darstellt. Insbesondere für private Einmalbauherren ist die aktuelle Rechtslage unbefriedigend und die Geltendmachung von Mängeln kaum zu bewältigen. Selbst professionelle Bauherren sind mit der geltenden Rechtslage oft überfordert. So hatte beispielsweise die Stadt Winterthur trotz mehreren beschäftigten Juristen in der sogenannten «Sennhof-Affäre» Mängel nicht rechtzeitig gerügt und ist so ihren Mängelrechten in Millionenhöhe verlustig gegangen.
Der Bund hat das Obligationenrecht deshalb geändert. Zwar müssen Mängel gemäss den neuen Gesetzesbestimmungen nach wie vor rechtzeitig gerügt werden. Gegenüber der heutigen Gesetzgebung wird die Rügefrist jedoch in drei wichtigen Punkten verlängert. Für Mängel an unbeweglichen Werken ist neu eine Rügefrist von 60 Tagen vorgesehen (Art. 367 Abs. 1 nOR). Dieselbe Rügefrist gilt auch beim Grundstückskauf (Art. 219a Abs. 1 nOR). Für versteckte Mängel gilt sodann ebenfalls eine Frist von 60 Tagen; solche Mängel können also während 60 Tagen nach ihrer Entdeckung gerügt werden (Art. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 3 zweiter Satz nOR).
Mit dieser längeren Rügefrist soll die Situation für Bauherren entschärft werden. Damit einhergehend sollen zahlreiche unnötige Rechtsstreite vermieden werden. Dies ohne dass Unternehmen im Vergleich zum geltenden Recht erheblich schlechter gestellt werden. Ihre Haftung wird durch die Verlängerung der Rügefrist nicht ausgeweitet. Zudem sieht die häufig für anwendbar erklärte SIA-Norm 119 bereits eine noch längere Rügefrist von zwei Jahren vor.
Die Änderung im Bereich der Nachbesserung
Der Bund hat im Zusammenhang mit den Mängelrechten ein weiteres Problem erkannt: In der Praxis kommt es bei Neubauten oft zu einer Wegbedingung der Mängelrechte des Bauherrn oder Käufers. Im Gegenzug tritt das Unternehmen oder die Verkäuferin dann oft seine beziehungsweise ihre Mängelrechte gegenüber Subunternehmen dem Bauherrn oder Käufer ab. Dies führt jedoch zu einer erheblichen Schwächung des Bauherrn oder Käufers. So ist unter anderem gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Abtretung des Wandelungs- und Minderungsrechts unwirksam. Weiter kann sich das Unternehmen vom Subunternehmen eine geringere Leistung versprechen lassen, als es dem Bauherrn gegenüber versprochen hat.
Die Gesetzesänderung sieht deshalb vor, dass eine zum Voraus getroffene Verabredung, wonach der Anspruch auf unentgeltliche Verbesserung eingeschränkt oder ausgeschlossen wird, ungültig ist, wenn der Mangel eine Baute betrifft. Das Recht des Bauherrn auf unentgeltliche Nachbesserung bei Mängeln an Bauten ist zukünftig also unabdingbar.
Wie oben beschrieben, kann der Käufer beim Grundstückkaufvertrag bei Sachmängeln heute bloss Wandelung (Rückabwicklung des Vertrages) oder Minderung (Reduktion des Kaufpreises) sowie Schadenersatz verlangen. Ein Nachbesserungsrecht steht ihm von Gesetzes wegen nicht zu. Deshalb unterliegt es einer gewissen Zufälligkeit, ob der Vertrag als Kauf- oder Werkvertrag qualifiziert wird und dem Bauherrn oder Käufer somit ein Nachbesserungsrecht zusteht oder nicht. Neu wird auch einem Käufer eines Grundstücks mit einer Baute, die noch zu errichten ist oder vor weniger als zwei Jahren seit dem Kauf errichtet wurde, das Recht auf Nachbesserung zustehen. Die Gesetzesänderung ist zudem so zu lesen, dass das Nachbesserungsrecht auch bei Kaufverträgen nicht wegbedungen werden kann. Dies gleicht die Rechte von Bauherren und Käufern einander an.
Änderung im Bereich des Bauhandwerkerpfandrechts
Schliesslich hat der Gesetzgeber ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Bauwerkverträgen erkannt. Bekanntlich kann ein Unternehmen (dazu gehören auch Subunternehmen) bei Nichtbezahlung des Werklohns ein Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch eintragen lassen. Die Frist zur Eintragung beträgt vier Monaten seit den letzten wesentlichen Arbeiten. Danach haftet das betreffende Grundstück als Pfand für die Forderungen des (Sub-)Unternehmens. Dabei ist unerheblich, ob der Schuldner Eigentümer des Grundstücks ist. Die Bauherren tragen dadurch das Risiko, dass die Generalunternehmen ihre Subunternehmen für ihre Arbeiten und das gelieferte und verbaute Material nicht bezahlen. In einem solchen Fall kann das Grundstück mit einem Bauhandwerkerpfandrecht belegt werden, obwohl der Bauherr sein Generalunternehmen jeweils fristgerecht bezahlt hat. Für den Grundeigentümer besteht deswegen die Gefahr einer Doppelzahlung (sogenanntes Doppelzahlungsrisiko). Das Gesetz sieht deswegen vor, dass der Eigentümer die Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch abwenden kann, indem er für die Forderung «hinreichende Sicherheit leistet». Hinreichend ist eine Sicherheit jedoch nur, wenn sie qualitativ und quantitativ die gleiche Sicherheit bietet wie das Bauhandwerkerpfandrecht. Gemäss geltender Rechtsprechung bedeutet dies, dass Verzugszinsen zeitlich unlimitiert sicherzustellen sind. Dies machte eine Realsicherheit (Hinterlegung eines Geldbetrages) gänzlich unmöglich. Selbst eine Bankgarantie kann vielfach nicht erbracht werden, weil Banken ungern Garantien für unlimitierte Verzugszinsen geben. Die Konsequenz davon ist, dass die wichtigsten Formen der Ersatzsicherheit nicht zur Verfügung stehen.
Der Gesetzgeber wirkt dieser Problematik so entgegen, dass es neu genügt, wenn die Sicherheit nebst der Forderungssumme den Verzugszins für die Dauer von zehn Jahren umfasst. Hierdurch wird der für die Ersatzsicherheit zu leistende Betrag bestimmbar, was dazu führt, dass sich der nötige Betrag einer Bankgarantie oder einer Realsicherheit dadurch konkret beziffern lässt. Die Handwerker sollen dadurch kaum beeinträchtigt werden: Verzugszinsen fallen äusserst selten für eine längere Dauer als zehn Jahre an. Im Normalfall reicht diese Zeitspanne aus, um allfällige gerichtliche Verfahren zur Beanspruchung der Sicherheit abzuschliessen.
Zusammenfassend hat der Gesetzgeber die Rechtslage für die Bauherren in verschiedenen Aspekten verbessert. Wie sehr diese Verbesserungen Einschränkungen für Unternehmen und Verkäuferinnen von Grundstücken darstellen, wird sich in der Praxis zeigen müssen.
Die Revision ist noch nicht in Kraft. Die Referendumsfrist lief am 19. April 2025 aus. Der Bundesrat wird den genauen Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmen.