Kündigungsschutz Mieter: Die Auswirkungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung

Die aktuelle Rechtslage zum Kündigungsschutz und zur Ausweisung von Mietern (Kündigungsschutz Mieter), richtet sich nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere Art. 257 ZPO (summarisches Verfahren) und Art. 273 OR (Anfechtung der Kündigung). Die früheren Bestimmungen in Art. 274 ff. OR, insbesondere Art. 274g OR, wurden mit Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011 ersatzlos aufgehoben. Die sogenannte Kompetenzattraktion, wonach der Ausweisungsrichter auch über die Kündigungsanfechtung entschied, existiert nicht mehr.

17.07.2025 Von: Urban Hulliger
Kündigungsschutz Mieter

Auch wenn ein Mieter ein Verfahren zum Kündigungsschutz Mieter bei der Schlichtungsbehörde eingeleitet hat, steht es dem Vermieter frei, seinen Ausweisungsanspruch gestützt auf Art. 257 ZPO beim Gericht im summarischen Verfahren durchzusetzen.

Eine Ausweisung im summarischen Verfahren ist nur möglich, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist und die Rechtslage klar ist (Art. 257 Abs. 2 ZPO; BGE 138 III 123).

Ist die Rechtslage oder der Sachverhalt unklar, wird auf das summarische Ausweisungsbegehren nicht eingetreten. Der Vermieter muss dann den ordentlichen Weg über das Mietgericht beschreiten, was deutlich länger dauert

Kündigungsschutz Mieter: Vorherige Regelung im OR

Art. 274g aOR sah vor, dass der Ausweisungsrichter bei einer ausserordentlichen Kündigung auch über eine angehobene Kündigungsanfechtung zu entscheiden hatte. Im Falle, dass der Mieter die Kündigung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anfocht, hatte diese das Begehren an den zuständigen Ausweisungsrichter zu überweisen (sog. Kompetenzattraktion). Der Ausweisungsrichter entschied mit voller Kognition, d.h. ohne die ansonsten für summarische Verfahren charakteristische Beweismittelbeschränkung (vgl. SVIT-Kommentar Mietrecht, 3. Auflage, N 8a zu Art. 274g OR, mit weiteren Hinweisen).

Kündigungsschutz Mieter: Regelung in der ZPO

Im Gegensatz zu Art. 274g aOR lassen sich der ZPO keine koordinierenden Anordnungen entnehmen für den Fall, dass Parallelverfahren betreffend Kündigungsanfechtung und Ausweisung eingeleitet werden. Das Vorgehen, wie die Gerichte die Verfahren zu koordinieren haben, hat sich daher nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen zu richten. 

Keine Einrede der Litispendenz zugunsten des Mieters

Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie gemäss Art. 273 OR das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen. Macht der Vermieter in der Folge bei Gericht ein Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren hängig, stellt sich die Frage, ob der Mieter im Ausweisungsverfahren die sogenannte Einrede der Rechtshängigkeit (Litispendenz) erheben kann (vgl. dazu Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO). Dies würde bedeuten, dass der Ausweisungsrichter aufgrund des bereits hängigen Verfahrens beim Gericht zum Kündigungsschutz des Mieters auf die Ausweisungsklage nicht eintreten könnte.

Diese Frage ist zu verneinen. Zwar tritt nach Art. 62 ZPO die Rechtshängigkeit bereits mit der Einreichung des Schlichtungsgesuchs ein und sind die im Schlichtungsverfahren zu klärenden Fragen (insbesondere die Gültigkeit der Kündigung) als sogenannte Vorfragen auch im Ausweisungsverfahren zu prüfen. 

Entgegen dem Wortlaut von Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO, wonach der Streitgegenstand nicht anderweitig rechtshängig gemacht werden kann, ist jedoch trotz eines hängigen Schlichtungsverfahrens das Stellen eines Ausweisungsbegehrens im summarischen Verfahren aber dennoch möglich, denn die Sperrfrist der Rechtshängigkeit betrifft nur parallele Verfahren mit identischem Streitgegenstand. Ausweisung und Kündigung werden aber nicht in diesem Sinne als identisch betrachtet. 

Während das Ausweisungsbegehren den Räumungsanspruch des Vermieters betrifft, hat das Anfechtungsverfahren die (im Ausweisungsverfahren eine Vorfrage bildende) Gültigkeit der Kündigung zum Gegenstand.

Dem Interesse des Mieters wird im Übrigen genügend Rechnung getragen, denn dem Ausweisungsbegehren des Vermieters im summarischen Verfahren kann nur dann entsprochen werden, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist und kumulativ die Rechtslage klar ist (Art. 257 Abs. 2 ZPO).

Achtung: Ist also die Rechtslage unklar oder der Sachverhalt umstritten und nicht sofort durch Urkunden beweisbar, kann auf das Ausweisungsbegehren nicht eingetreten werden. Damit ist ausgeschlossen, dass ein Mieter im summarischen Verfahren ausgewiesen werden kann, wenn er gute Gründe vorbringen mag, welche gegen die Gültigkeit der Kündigung sprechen.

Andererseits bleibt dem Vermieter die Möglichkeit erhalten, einen Mieter, der trotz einer unzweifelhaft gültigen Kündigung widerrechtlich im Mietobjekt verbleibt, im summarischen Verfahren ausweisen zu können. Diese Möglichkeit muss dem Vermieter unabhängig davon zustehen, ob der Mieter die Kündigung angefochten hat oder nicht, weil sich der Mieter ansonsten einer drohenden Ausweisung durch eine vollkommen unbegründete Kündigungsanfechtung über Monate entziehen könnte.

Keine Sistierung des Ausweisungsverfahrens bei hängigen Schlichtungsverfahren

Das summarische Ausweisungsverfahren wird nicht sistiert, nur weil ein Kündigungsschutzverfahren läuft. Dies entspricht der Praxis und dem Willen des Gesetzgebers, für klare Fälle ein rasches Verfahren zu ermöglichen.

Das mietrechtliche Hauptverfahren (z.B. Kündigungsanfechtung) kann hingegen sistiert werden, bis über das summarische Ausweisungsbegehren rechtskräftig entschieden ist. Diese Praxis wurde insbesondere vom Obergericht Zürich bestätigt und ist zulässig

Wichtig: Das Ausweisungsbegehren ist durch das Einzelgericht im summarischen Verfahren also auch dann zu behandeln, wenn der Mieter zuvor die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde angefochten hat.

Sistierung des mietrechtlichen Hauptverfahrens betreffend Kündigung?

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall erwogen, es spreche einiges dafür, dass bei einem pendenten Ausweisungsverfahren, in dem die Kündigung vorfrageweise geprüft wird, das mietrechtliche Verfahren betreffend Kündigung sistiert werden soll (Art. 126 ZPO), bis über das Ausweisungsbegehren rechtskräftig entschieden worden ist. Die zumindest im Kanton Zürich angewendete Praxis der Sistierung des mietrechtlichen Hauptverfahrens bis zur Erledigung des summarischen Ausweisungsverfahrens ist also vom Obergericht des Kantons Zürich als zulässig bezeichnet worden. Dies macht Sinn.

Praxis und Rechtsprechung

Die dargestellten Grundsätze zum Thema Kündigungsschutz Mieter entsprechen der aktuellen Praxis und der Rechtsprechung des Bundesgerichts (u.a. BGE 141 III 262, BGE 138 III 123).

Die Praxis im Kanton Zürich, das Hauptverfahren zu sistieren, ist anerkannt und wird von der Lehre und Rechtsprechung gestützt.

Kognition des Einzelgerichts im summarischen Verfahren bei erfolgter Kündigungsanfechtung

Weil nach der seit 1. Januar 2011 in Kraft stehenden ZPO, wie erwähnt, keine Überweisung des Verfahrens betreffend Kündigungsschutz an den Ausweisungsrichter mehr erfolgen kann und eine Sistierung des summarischen Ausweisungsverfahrens nicht infrage kommt, ist die Kündigungsanfechtung im Rahmen des summarischen Ausweisungsverfahrens als Vorfrage zu prüfen.

Im Gegensatz zum bis 31. Dezember 2010 geltenden Recht (Art. 274g aOR) erfolgt die Überprüfung aufgrund des summarischen Verfahrens nicht mehr mit voller Kognition, d.h. nicht mehr umfassend.

Achtung: Lässt sich die Vorfrage der Gültigkeit der Kündigung im summarischen Ausweisungsverfahren nicht beurteilen, weil entweder die Rechtslage oder die Sachlage unklar ist, so führt dies zu einem Nichteintretensentscheid (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Der Vermieter hat diesfalls die von ihm beantragte Ausweisung im normalen mietrechtlichen Verfahren durchzusetzen, in welchem das Gericht zwar über volle Kognition verfügt, welches aber wesentlich länger dauert.

Die mit Ausweisungen im summarischen Verfahren befassten Gerichte gehen momentan teilweise sehr weit, indem sie erwägen, aufgrund des Wegfalls der Kompetenzattraktion des Art. 274g aOR und damit der Möglichkeit, Kündigungsanfechtungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen, bleibe auch bei ganz geringfügigen Zweifeln nichts anderes übrig, als einen Nichteintretensentscheid zu fällen. Wenn der Mieter die Kündigung innert Frist bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anficht und die Missbräuchlichkeit der Kündigung auch nur behauptet, wird dem Vermieter damit faktisch die Möglichkeit genommen, seinen Ausweisungsanspruch im dafür vorgesehenen summarischen Verfahren durchsetzen zu können. Das Verzögerungspotenzial durch die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens zum Kündigungsschutz gegen eine an sich klar gültige Kündigung ist damit beträchtlich. Dies aber widerspricht der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebrachten und vorstehend schon erwähnten Absicht des Gesetzgebers, für klare Fälle ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das es dem Vermieter erlaubt, rasch eine Ausweisung des Mieters zu erwirken.

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