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Kleiner Unterhalt: Ein Lösungsvorschlag

Gemäss Art. 259 OR muss ein Mieter Mängel, die durch kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen und Ausbesserungen behoben werden können, nach Ortsgebrauch auf eigene Kosten beseitigen. Der Gesetzgeber hat es für unverhältnismässig erachtet, den Vermieter zu verpflichten, jede noch so untergeordnete Unstimmigkeit im Gebrauch des Mietobjektes auf eigene Kosten beseitigen zu müssen. Daher obliegen dem Mieter kleine Ausbesserungen und Reinigungen. Beim sogenannten kleinen Unterhalt handelt es sich um eine Dauerpflicht zulasten des Mieters, welche nach der Übergabe des Mietobjektes beginnt und bis zur Rückgabe des Mietobjektes dauert. In Lehre und Rechtsprechung wird die Frage, was unter den "kleinen Unterhalt" im Sinne von Art. 259 OR fällt, kontrovers diskutiert. Entsprechend unsicher sind Eigentümer und Liegenschaftsverwaltungen zuweilen, was sie ihren Mietern unter dem Titel "kleiner Unterhalt" in Rechnung stellen dürfen und was nicht.

22.02.2022 Von: Urban Hulliger
Kleiner Unterhalt

Der "kleine Unterhalt" gemäss Lehre und Rechtsprechung

Wie bereits erwähnt, schreibt Art. 259 OR vor, dass ein Mieter kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen und Ausbesserungen nach Ortsgebrauch auf eigene Kosten vorzunehmen hat. Die im Gesetz enthaltenen Begriffe "gewöhnlicher Unterhalt", "Reinigung" und "Ausbesserung" sind – da zu unbestimmt – wenig hilfreich bei der (Abgrenzungs-)Frage, welche Arbeiten der Mieter auf eigene Kosten zu beseitigen hat. Es liegt zudem in der Natur der Sache, dass zum kleinen Unterhalt kaum (publizierte) Rechtsprechung besteht, geht es doch im Einzelfall um zu kleine Streitwerte. Unter dem Begriff "kleiner Unterhalt" versteht ein Teil der Lehre und Rechtsprechung kleine Arbeiten bis zu einem gewissen Maximalbetrag, die der Durchschnittsmieter selber vornehmen kann und für die er keinen Fachmann beiziehen muss. Der Maximalbetrag beträgt je nach Lehrmeinung CHF 70.- bis CHF 300.-. Nach dieser Meinung können beispielsweise die Kosten für das Auswechseln von technischen und mechanischen Einrichtungen (z.B. von Herdplatten oder gewissen Schaltern) nicht dem Mieter überbunden werden.

In Literatur und Rechtsprechung wird dem Gesagten zufolge teilweise dafür gehalten, es müsse sich beim kleinen Unterhalt zulasten des Mieters um einen kleinen persönlichen Aufwand zur Mängelbehebung handeln, d.h. die Arbeiten dürfen kein Fachwissen voraussetzen und müssen mit einfachen Handgriffen erledigt werden können (ZK-Higi, N 32 zu Art. 259 OR; Urteil des Mietgerichts Horgen vom 14. Mai 2007 = mp 4/07 S. 218 ff.). Demgemäss bestimmt also die "Kleinheit des persönlichen und/oder finanziellen Aufwandes" die Begrenzung der Unterhaltspflicht des Mieters (ZK-Higi, N 13 ff. zu Art. 259 OR; BSK-Weber, N2 zu Art. 259 OR; Armin Zucker/Tobias Kunz, Kleiner Unterhalt als Mieterpflicht – Inhalt und Schranken, in: mp 1/09, S. 4). Nach dieser Meinung ist für die kleine Unterhaltspflicht des Mieters vorausgesetzt, dass der durchschnittliche Mieter zur fraglichen Mängelbeseitigung überhaupt in der Lage ist. Zudem wird teilweise in der Literatur ausgeführt, dass die Kostengrenze des kleinen Unterhalts zwischen CHF 70.- – CHF 150.- im Einzelfall liege (vgl. etwa BSK-Weber, N 2 zu Art. 259 OR; Lachat/Roy, N 10/4.4, S. 159; Prerost/Thanei, Das Mieterbuch, Zürich 1990, S. 79).

Kritik an der Umschreibung des "kleinen Unterhalts" in Lehre und Rechtsprechung

Die Umschreibung des kleinen Unterhalts, wie sie Lehre und Rechtsprechung vornehmen und wie vorliegend dargelegt wurde, ist abzulehnen (vgl. dazu auch Beat Rohrer/Jürg P. Müller/Tobias Bartels/Christian Ruf/Urban Hulliger/Mirko Schneider, 66 Fragen zum Mietrecht, Zürich 2010, S. 52 f.):

Zu kritisieren ist vorab die Auffassung, wonach der "kleine Unterhalt" von Art. 259 OR einzig und allein anhand der Kosten zu beurteilen ist, die dem Mieter anfallen. Zu Recht lehnt denn auch der Kommentator Peter Higi die Bestimmung des kleinen Unterhalts anhand einer starren Kostenlimite ab, weil dies nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat (ZK-Higi, N 16 f. zu Art. 259 OR).

Abzulehnen ist auch die Auffassung, dass kleine Ausbesserungen im Sinne von Art. 259 OR, welche der Mieter vorzunehmen hat, nur solche sein können, die kein besonderes Fachwissen voraussetzen. Diese Auffassung zielt an der Lebenswirklichkeit vorbei. Wer ist beispielsweise schon in der Lage, Aufzugsgurten bei Rollläden und Sonnenstoren (gilt gemeinhin als kleiner Unterhalt im Sinne von Art. 259 OR) problemlos "mit ein paar Handgriffen" zu ersetzen? Zudem werden heute auch für Verrichtungen, die der Durchschnittsmieter selber vorzunehmen in der Lage wäre, aus Bequemlichkeit, Zeitersparnis oder anderen Gründen zunehmend Fachkräfte engagiert (Beispiel: Ersatz einer Dichtung bei tropfendem Wasserhahn). Allgemein lässt sich sagen, dass in der heutigen Zeit – ähnlich wie bei Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen – aufgrund der fortschreitenden Technologisierung auch kleine Reparaturen immer seltener ohne Beizug von Fachleuten ausgeführt werden können.

Lösungsvorschlag

Massgebend zur Festlegung des mieterseits zu übernehmenden (kleinen) Unterhalts muss – wie der Wortlaut von Art. 259 OR ausdrücklich und unmissverständlich festhält – der Ortsgebrauch sein. Zwar ist der Ortsgebrauch vordergründig eine "unsichere Grösse". Dies ändert aber nichts daran, dass der Ortsgebrauch vom Gesetz als massgebend bezeichnet worden ist. Der Ortsgebrauch wird durch die Gesetzesverweisung von Art. 259 OR mittelbarer Gesetzesinhalt (ZK-Jäggi/Gauch, N 522 zu Art. 18 OR mit weiteren Hinweisen) und ist daher vom Richter als Teil der gesetzlichen Regelung richtiger Ansicht nach von Amtes wegen zu beachten (ZK-Higi, N 27 zu Art. 259 OR mit weiteren Hinweisen; BSK-Schmid, N 46 zu Art. 5 ZGB mit weiteren Hinweisen; BGE 91 II 358 fBGE 86 II 257).

Wichtig ist die zutreffende Bemerkung von Higi, dass der Ortsgebrauch in aller Regel aus Formularverträgen ermittelt werden kann (ZK-Higi, N 28 zu Art. 259 OR mit weiteren Hinweisen). Für den Kanton Zürich ergibt sich beispielsweise Folgendes: Standardmietverträge und die vom HEV/SVIT und VZI gemeinsam herausgegebenen "Allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume" sind in der Praxis mit grossem Abstand am häufigsten anzutreffen. Quasi sämtliche "privaten Vermieter" verwenden – zusammen mit ihren Mietern – diese Formulare. Die meisten institutionellen Anleger sowie fast alle grossen Liegenschaftsverwaltungen verwenden die fraglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls, zumindest im Bereich der Wohnungsmiete. Eine grosse Mehrheit der Mietverträge betreffend Wohnräume im Kanton Zürich wird mithin unter Verwendung der erwähnten Formularverträge und Allgemeinen Vertragsbedingungen abgeschlossen. Die erwähnten Allgemeinen Bedingungen widerspiegeln demzufolge den Ortsgebrauch im Sinne von Art. 259 OR bzw. geben diesen wieder. Ziffer B. lit e) der "Allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume" lautet wie folgt (und zwar in allen Ausgaben seit 1993): "Zum kleinen Unterhalt gehören insbesondere: Alle weiteren kleineren Reparaturen und Instandstellungen, welche im Einzelfall 1% des Jahres-Netto-Mietzinses nicht übersteigen."

Diese Klausel wird der gesetzlichen Prämisse von Art. 259 OR, wonach der Mieter nur kleine Ausbesserungen zu beheben hat, in optima forma gerecht und verletzt auch den relativ zwingenden Inhalt von Art. 259 OR nicht. Bei einem Nettomietzins von CHF 1200.- resultiert aus dieser Klausel beispielsweise ein Betrag für kleinen Unterhalt von CHF 144.00 (CHF 1200.- x 12 x 1%). Bei einem Nettomietzins von CHF 1975.- resultiert ein Betrag für kleinen Unterhalt von CHF 237.- (CHF 1975.- x 12 x 1%). Dabei handelt es sich durchwegs um kleine Beträge, welche dem Sinn von Art. 259 OR ohne weiteres gerecht werden.

Die Bemessung des kleinen Unterhaltes, wonach Reparaturen zulasten des Mieters gehen, deren Kosten im Einzelfall 1 % des jährlichen Nettomietzinses nicht übersteigen, hat in mehrfacher Hinsicht ihre Berechtigung:

  • Eine solche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass ein teureres Mietobjekt zumeist auch mit teureren und qualitativ besseren Vorrichtungen und Materialien ausgestattet ist, für die auch kleinere Reparaturen mehr kosten als die entsprechenden Ausbesserungen an billigeren und qualitativ schlechteren Mietobjekten.
  • Die Regelung schafft bzw. garantiert soziale Gerechtigkeit, indem Mietern von teureren Mietobjekten, welche meist besser situiert sind, absolut gesehen unter dem Titel "kleiner Unterhalt" etwas mehr zugemutet wird als dem eher auf Schonung angewiesenen Mieter einer billigen Wohnung. So würde bei Annahme einer starren Betragslimite von z.B. CHF 150.-. der Mieter einer 2-Zimmer-Wohnung, die CHF 750.- netto pro Monat kostet, proportional bedeutend stärker in Anspruch genommen (20% des Monatsmietzinses) als ein Mieter, der für eine 4-Zimmer-Wohnung CHF 2400.- netto pro Monat bezahlt (6,25% des Monatsmietzinses). Die mit der hier vertretenen Auffassung als bestehend erachtete "Progression", wie sie in den zitierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, entspricht durchaus auch einem öffentlichen Interesse.
  • Relativ gesehen werden Mieter von billigen Wohnungen und Mieter von teureren Wohnungen auf diese Weise rechtsgleich behandelt. Auch die Rechtsgleichheit ist bekanntlich in unserer Rechtsordnung ein Grundsatz von überragender Bedeutung. In Anlehnung beispielsweise an das (mit progressiven Steuersätzen ausgestattete) Steuerrecht würde es sich m.E. sogar rechtfertigen, für teurere Wohnungen (und entsprechend besser situierte Mieter) den kleinen Unterhalt bei 2% des jährlichen Nettomietzinses festzulegen.

Empfehlung für die Abfassung von Mietverträgen

Aufgrund der vorstehend dargelegten Rechtsunsicherheit empfiehlt es sich, im Mietvertrag eine klare Regelung zu treffen und festzuhalten, bis zu welchem Betrag Aufwendungen als kleiner Unterhalt gelten sollen.

Formulierungsvorschlag
Unter dem Begriff des "kleinen Unterhalts" zulasten des Mieters (Art. 259 OR) verstehen die Parteien Aufwendungen, die im Einzelfall den Gegenwert von 1% eines Jahresmietzinses netto [Variante: "… CHF …"] nicht übersteigen.

Aufgrund der vorstehend unter Ziffer 2. dargelegten Meinungen von Lehre und Rechtsprechung bleibt anzufügen, dass eine solche Klausel einer gerichtlichen Prüfung allenfalls nicht standhalten würde. Das Risiko, in einen Rechtsstreit verwickelt zu werden, ist angesichts der tiefen konkreten Beträge allerdings klein.

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