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Gläubigerverzug: Der Kunde bezahlt nicht, was sagt das Gesetz?

Unbezahlte Kundenrechnungen sind für jeden Unternehmer ein grosses Risiko. Eine Zahlungsverzögerung oder sogar ein Zahlungsausfall kann markante Auswirkungen auf die eigenen Kreditoren und Finanzplanung haben. Das Schweizer Recht liefert jedoch verschiedene Varianten, um diese Risiken zu minimieren oder sogar zu umgehen.

12.09.2022 Von: David Schneeberger
Gläubigerverzug

Ein Zahlungsverzug kostet mehr als nur Geld

Jeder Unternehmer ist darauf angewiesen, dass die von ihm an den Kunden gelieferten Produkte oder erbrachten Dienstleistungen rechtzeitig bezahlt werden. Ein möglicher Zahlungsverzug kostet nämlich nicht nur Geld, sondern ist für den Unternehmer auch mit der Unsicherheit verbunden, ob er die eigenen Rechnungen noch rechtzeitig bezahlen kann. Wie kann man sich nun dagegen absichern, und wie geht man juristisch korrekt bei einem Schuldner- oder Gläubigerverzug vor?

Vertragsgestaltung

Absolut sichere Geschäfte gibt es nicht, und dennoch gibt es Möglichkeiten, sich gegen einen Gläubigerverzug und Schuldnerverzug abzusichern. Je nach Auftragssumme und Kunden kann die Vorauszahlung des gesamten Auftragswerts oder zumindest eine Anzahlung vereinbart werden. Dies deckt optimalerweise mindestens die eigenen Kosten ab oder trägt einen substanziellen Beitrag dazu bei. Je nach Produkt oder Dienstleistung kann ebenfalls eine Zahlung gegen Lieferung vereinbart und diese bei wiederkehrenden Leistungen in Raten eingezogen werden.

Gläubigerverzug

Damit die Ware auch geliefert werden kann, treffen den Kunden in der Regel auch Mitwirkungsobliegenheiten. Als solche gelten alle Handlungen, ohne welche der Unternehmer gar nicht liefern kann (z.B. Vorbereitungshandlungen oder die Annahme der gehörig angebotenen Leistung). Unterbleiben diese, so gerät der Kunde in den Gläubigerverzug (Art. 91 OR).

Dieser hat zur Folge, dass ein vorbestehender Schuldnerverzug endet oder nicht mehr eintreten kann, der Kunde die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht geltend machen kann (Art. 82 OR) und er zudem die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt (Art. 103 Abs. 1 OR).

Der Unternehmer wird daher bei Sachleistungen diese auf Kosten und Gefahr des Gläubigers hinterlegen (Art. 92 Abs. 1 OR), und sofern sie nicht hinterlegungsfähig sind (z.B. bei verderblichen Sachen), diese öffentlich versteigern (Art. 93 Abs. 1 OR).

Falls die Mitwirkungshandlungen des Gläubigers nicht nur Obliegenheiten, sondern auch reguläre Pflichten sind, d.h., wenn der Schuldner ein erkennbares Interesse an der Annahme der Leistung hat, so kann der Unternehmer auch nach den Regeln des Schuldnerverzugs vorgehen.

Handelt es sich um einen vollkommen zweiseitigen Vertrag, d.h. beide Parteien sind sowohl Gläubiger als auch Schuldner, so gerät der Kunde bei der Verweigerung der Annahme der gehörig angebotenen Leistung selber in den Schuldnerverzug, da er seine eigene Leistung nicht erbringt, obwohl er dies müsste.

Schuldnerverzug

Bei vollkommen zweiseitigen Verträgen (z.B. Kaufvertrag) ist der Kunde nicht nur Gläubiger für die Annahme der Ware, sondern auch Schuldner für den Kaufpreis.

Unterbleibt die Bezahlung des Kaufpreises, so kann ein sog. Schuldnerverzug vorliegen. Bei diesem handelt es sich um eine Nichtleistung trotz Leistungsmöglichkeit, was bei einer Geldforderung stets angenommen wird («Geld muss man haben»).

Des Weitern muss die Forderung fällig sein, d.h., der Unternehmer muss die Erfüllung verlangen dürfen. Eine fällige Forderung berechtigt den Unternehmer aber lediglich, die Erfüllung zu verlangen, wobei dieser darin frei ist, zu welchem Zeitpunkt er dies tun will. Es gilt hierbei aber die gesetzliche Vermutung, dass eine Schuld sofort fällig ist (Art. 75 OR).

Damit ein Schuldnerverzug jedoch vorliegt, muss die fällige Forderung entweder durch eine Mahnung in Verzug (Art. 102 Abs. 1 OR) gesetzt werden oder ein verabredeter Verfalltag vorliegen. Als Mahnung gilt die unmissverständliche Aufforderung an den Kunden, die Rechnung zu bezahlen. Die Rechtsprechung zeigt, dass den Unternehmern am besten gedient ist, wenn sie die Aufforderung zur Bezahlung explizit als Mahnung bezeichnen und nicht bloss eine (weitere) Rechnung versenden. Eine Mahnung ist jedoch nicht notwendig, wenn es sich um ein Verfalltagsgeschäft handelt, d.h. vertraglich festgelegt wurde, an welchem Tag oder bis zu welchem Tag zu leisten ist. Der Kunde gerät nach Ablauf dieses Zeitpunkts automatisch in den Verzug.

Schlussendlich liegt ebenfalls ein Schuldnerverzug vor, wenn der Kunde durch sein Verhalten zeigt, dass er gar nicht gewillt ist zu bezahlen. Er fällt von Gesetzes wegen ohne Mahnung in den Schuldnerverzug (Art. 108 Abs. 1 OR). Erfolgt diese Verweigerung bereits vor der Fälligkeit der Leistung, so wird ein antizipierter Vertragsbruch angenommen, welcher ebenfalls den sofortigen Verzug zur Folge hat. Es ist aus Beweiszwecken zu empfehlen, diesen dem Kunden trotzdem schriftlich anzuzeigen.

Sind die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs erfüllt, so stehen dem Unternehmer verschiedene Rechte zu und Möglichkeiten offen.

Der Unternehmer kann den Verspätungsschaden geltend machen, welcher bei einer Geldschuld dem gesetzlichen Verzugszins von 5% oder einem allfällig höheren vertraglichen Verzugszins entspricht (Art. 104 OR). Die Erhebung von Zinseszinsen ist jedoch ausgeschlossen (Art. 105 Abs. 3 OR).

Für den Unternehmer ist es zudem von Vorteil, dass beim durch den Kunden verursachten Schuldnerverzug dieser das Haftungsrisiko für den Zufall trägt.

Wie kommt das Unternehmen aber nun zu seinem Geld? Der Unternehmer muss dem Kunden zuerst eine Nachfrist setzen, was bereits mit der Mahnung verbunden werden kann. Auf diese Nachfrist kann nur verzichtet werden, wenn sie als nutzlos erscheint. Nach Ablauf der Nachfrist kann der Unternehmer wählen, ob er an der Bezahlung festhalten will und zusätzlich den Verzugszins geltend macht oder auf die Leistung verzichtet und das sog. zweite Wahlrecht ausübt (Art. 107 Abs. 2 OR).

Dieses zweite Wahlrecht muss sofort ausgeübt werden und beinhaltet entweder die Geltendmachung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung (sog. positives Vertragsinteresse), was jedoch ein Verschulden des Kunden voraussetzt, oder den Rücktritt vom Vertrag. Das positive Vertragsinteresse bedeutet, dass der Unternehmer so zu stellen ist, wie wenn beidseitig korrekt erfüllt worden wäre, was dem entgangenen Gewinn entspricht. Diese Variante ist in der Regel vorteilhafter.

Wird das Wahlrecht «Schadenersatz wegen Nichterfüllung» gewählt, so muss entweder der Unternehmer noch leisten (sog. Austauschtheorie) oder er kann lediglich die Differenz zum Wert seiner eigenen Leistung geltend machen (sog. Differenztheorie).

Entscheidet sich der Unternehmer jedoch für den Rücktritt, so löst dies ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis aus, bei welchem beide Parteien keine weiteren Leistungen mehr erbringen müssen. Falls bereits Leistungen erbracht worden sind, so sind diese zurückzuerstatten. Der Unternehmer kann zudem das negative Vertragsinteresse geltend machen, ausser der Kunde beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Er ist somit so zu stellen, wie wenn der Vertrag nie geschlossen wäre, was beispielsweise einem Ersatz der Vertragskosten entspricht.

Abbildung 1: Schuldnerverzug

Komplette Zahlungsunfähigkeit des Kunden

Vom Schuldnerverzug aufgrund fehlender Bezahlung ist die komplette Zahlungsunfähigkeit des Kunden nach Vertragsabschluss, aber noch vor der Leistung des Unternehmers (Art. 83 OR) zu unterscheiden. Als zahlungsunfähig definiert das Bundesgericht denjenigen, welcher auf unbestimmte Zeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um die Verbindlichkeit zu erfüllen. Mittels der Einrede der nachträglichen Zahlungsfähigkeit wird der Vertrag aufgelöst, was dem Unternehmen zugutekommt, welchem nicht zugemutet werden kann zu leisten, obwohl die Gegenleistung als uneinbringlich gilt.

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