Mitarbeiterbefragung: Ein Leitfaden zur Durchführung und Nutzung von Personalbefragungen
Passende Arbeitshilfen
Ziele der Mitarbeiterbefragung
- Grad und Struktur der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit, dem Arbeitsumfeld und den angebotenen Arbeitsbedingungen verstehen
- Analyse der Leistungsbereitschaft und -motivation (Engagement)
- Verbundenheit der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen (Identifikation, Commitment) erfassen
- Wahrnehmung des Unternehmens aus Sicht der Mitarbeitenden, Image als Arbeitgeber bei den eigenen Mitarbeitenden
Die Mitarbeiterbefragung dient also je nach Unternehmen:
- Dialog mit der Gesamtheit der Mitarbeitenden und Frühwarnsystem für die Geschäftsleitung (Einstellungen und Erwartungen der Mitarbeitenden kennenlernen und dokumentieren, Entscheidungsgrundlage für unternehmens- und personalpolitische Schwerpunkte)
- Positive Aspekte der Zufriedenheit erkennen und verstärken resp. Verbesserungspotenziale zu identifizieren und potenzielle Unzufriedenheitsquellen zu beheben
- Mitarbeiterbindung optimieren und rechtzeitiges Erkennen von Fluktuationsrisiken sowie Arbeit am Image als Arbeitgeber, welches die Mitarbeitenden nach aussen tragen
- Umsetzung der Unternehmensstrategien durch die Mitarbeitenden analysieren und Mobilisierung der Mitarbeitenden (Mitverantwortung, Mitdenken, Mitunternehmertum)
- Umsetzungsgrad von Massnahmen kontrollieren und Reaktionen auf Veränderungsprozesse oder neu implementierte Personal- und Managementinstrumente rechtzeitig erfassen
- Differenzierung und zum Vergleich von Unternehmensteilen oder (Altersgruppen, Berufsgruppen, etc.), zur Identifikation von Gruppierungen, welche besondere Beachtung benötigen
- Vergleich mit generellen oder branchenspezifischen Benchmark-Werten
Regelmässige Durchführung
Mitarbeiterbefragungen sollen nicht einmalig sein, sondern als Bestandteil des Personalcontrollings geplant und umgesetzt werden. Dadurch lässt sich die Wirkung der umgesetzten Massnahmen überprüfen. Es empfiehlt sich, Mitarbeiterbefragungen alle zwei bis drei Jahre durchzuführen. Wird zu häufig gefragt, so können die Umsetzungsmassnahmen aus der vorhergehenden Befragung noch gar nicht greifen. Bei zu langen Pausen erinnert sich schon keiner mehr, dass eine Befragung durchgeführt wurde und die Umsetzung der Massnahmen versandet.
Firmenspezifisches Befragungsinstrument
Mitarbeiterbefragungen mit Standardfragebogen sind mit geringem Aufwand durchführbar. Zudem liefern Befragungen „ab der Stange“ vergleichbare Werte mit anderen Unternehmen, sie sind somit für einen Benchmark wichtig. Zu bevorzugen sind jedoch massgeschneiderte Lösungen, die den Bezug zum Unternehmen und zu aktuellen Fragen herstellen.
Es ist sicher sinnvoll, dass nicht jedes Unternehmen einen eigenen Fragebogen entwickelt. Achten Sie jedoch darauf, dass das Instrument es Ihnen erlaubt, zusätzliche Fragen zu stellen, welche Ihren Zielsetzungen der Befragung gerecht werden.
Freiwilligkeit
Mitarbeiterbefragungen sind immer freiwillig. Dadurch wird die Anzahl der Mitarbeitenden, welche sich an der Befragung beteiligt, zu einem wesentlichen Faktor. Beteiligungsquoten ab 60% können als vertretbar gelten. Viele Unternehmen geben Werte bis zu 80% an.
Online-Befragungstool
Dank einer Vielzahl von verfügbaren Online-Befragungstools lässt sich eine Mitarbeiterbefragung effiziert durchführen und auswerten.
Stichprobe oder alle Mitarbeitenden?
Mitarbeiterbefragungen sind nicht nur ein Diagnoseinstrument, sondern dienen auch der der Motivationsförderung. In einer Mitarbeiterbefragung sollen soweit möglich alle Mitarbeitenden befragt werden. Bei einer online-Befragung hängt der Aufwand nur unwesentlich von der Anzahl der befragten Mitarbeitenden ab.
Anonymität
Wichtig ist, dass jede Mitarbeiterbefragung anonym durchgeführt wird. Nur so lassen sich aussagekräftige Resultate erreichen. Die Mitarbeitenden sind oft misstrauisch, dass nicht doch einzelne Mitarbeitende identifiziert werden und im Falle von negativen Antworten Sanktionen zu befürchten haben. Folgende Massnahmen stellen die Anonymität sicher:
- Erfassung und Auswertung der Befragung erfolgt am besten durch eine betriebsexterne Person, eine Firma oder ein Universitätsinstitut, in grösseren Betrieben allfällig eine spezialisierte Abteilung des HR.
- Die Resultate werden nur statistisch aufbereitet verwendet. Die Datensätze mit den statistischen und organisatorischen Merkmalen stehen lediglich der auswertenden Stelle zur Verfügung und werden keinesfalls weitergegeben. Fragen nach einzelnen Personen werden konsequent zurückgewiesen (z.B. „Hat Frau A den Fragebogen schon ausfüllt?“).
- Es werden keine Identifikationsmerkmale verwendet und der Name ist nirgends anzugeben. Bei den meisten online-Befragungen werden User/Passwort von den Antwortdaten nach dem Ausfüllen des Fragebogens getrennt.
- Erforderlich ist die organisatorische Zuordnung der Datensätze, damit die Auswertung auch für einzelne Organisationseinheiten möglich ist. Dabei müssen Abteilungen und Arbeitsteams ausreichend gross sein, so dass die Anonymität gewährleistet ist. Teams unter 10 bis 12 Personen werden zu grösseren Einheiten zusammengefasst.
- Die statistischen Angaben zu Alter, Geschlecht, Länge der Betriebszugehörigkeit, Ausbildung etc. sind (mindestens in der Auswertung) genügend grob zu wählen, so dass keine Rückschlüsse möglich sind.
Ein Praxistipp: Legen Sie die Massnahmen fest, welche die Anonymität der Befragung sicherstellt und kommunizieren Sie diese sowie die Stelle (z.B. eine externe Firma), welche die anonyme Durchführung verantwortet.
Planung
Schon bevor die Befragung durchgeführt wird, muss klar sein, wie die Rückmeldung an die Mitarbeitenden erfolgt und was mit den Resultaten geschehen wird. Die Ergebnisse der Befragung müssen baldmöglichst stufengerecht, aber auf allen Ebenen, zurückgemeldet werden. Vorgängig ist also zu klären, wer sich um die Auswertung und Analyse kümmert und wie das Informationskonzept ist.
Passende Produkt-Empfehlungen
Umsetzung der Massnahmen
Mitarbeiterbefragungen bewirken eine Erwartungshaltung. Wenn auch nicht alles plötzlich anders wird, so machen Befragungen nur Sinn, wenn die Ergebnisse auch sinnvoll ausgewertet und in konkrete Massnahmen umgesetzt werden. Das Management ist somit verpflichtet, die resultierenden Massnahmen und Aktionspläne baldmöglichst umzusetzen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. Mit einer nächsten Befragung kann dann der Erfolg überprüft werden. Dabei empfiehlt es sich, das Instrument zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur zu machen.
Resultieren aus den gewonnenen Daten spürbare Veränderungen, so führt dies in den meisten Fällen zu einer Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und einer Verbesserung des Betriebsklimas. Somit ist nach einer Mitarbeiterbefragung in der Regel mit einem Anstieg der Arbeitsmoral zu rechnen, allein schon wegen des Interesses an den Mitarbeitern.
Themenbereiche
Der Auswahl der Themenbereiche kommt eine hohe Bedeutung zu. Jede Befragung stellt bereits eine Intervention im Unternehmen dar:
- Durch die Auswahl der Befragungsthemen dokumentieren Sie für die Mitarbeitenden, welchen Themen eine hohe Priorität im Unternehmen zukommt.
- Mit der Befragung lenken Sie die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden auf bestimmte Themen („attention management“). Es soll also nur gefragt werden, was auch tatsächlich interessiert und im Bedarfsfall durch geeignete Massnahmen verändert werden kann.
Die Befragung ist in Themenbereiche zu strukturieren. Es sind acht bis zwölf Themenkreise auszuwählen und je ein paar Fragen zu stellen. Beispiele von Themenbereichen und Fragen:
Themenbereich | Beispiel |
Arbeitsinhalt | Ich habe die richtige Arbeit, sie entspricht mir |
Arbeitsorganisation | Die Arbeitsorganisation funktioniert in der Praxis gut. |
Arbeitsplatzgestaltung | Ich erhalte alle notwendigen Arbeitsmittel, um meine Arbeit zu verrichten |
Arbeitszeit | Unsere Arbeitszeitregelung entspricht meinen persönlichen Bedürfnissen. |
Arbeitsbelastung | Die Arbeitsbelastung in unserem Team ist gerecht verteilt |
Zusammenarbeit | In unserem Team unterstützen wir uns gegenseitig |
Compensation and Benefits (Lohn und Nebenleistungen) | Soweit ich das beurteilen kann, stimmt mein Lohn im internen Vergleich. |
Führung | Meine direkte Führungsperson nimmt sich angemessen Zeit für mich. |
Zielvereinbarung und Qualifikation | Die Qualifikationsgespräche sind hilfreich und motivierend. |
Entwicklungsmöglichkeiten | Unsere Firma unterstützt Mitarbeitende, die sich extern weiterbilden möchten, finanziell angemessen. |
Partizipation | Ich verfüge über genügend Mitsprachemöglichkeiten bei meiner Arbeit. |
Information und Kommunikation | Im Arbeitsalltag finden ausreichend informative Gespräche und Sitzungen statt. |
Changemanagement (Veränderungsmanagement) | Ich komme gut mit Veränderungen an meiner Arbeitsstelle zurecht. |
Work-Life-Balance | Unsere Firma ist ein familienfreundlicher Arbeitgeber. |
Arbeitgeberimage | Ich kann unsere Firma in meinem Bekannten- und Freundeskreis als Arbeitgeber empfehlen. |
Commitment (Identifikation) | Es liegt mir viel daran, dass unsere Firma erfolgreich ist. |
Resonanz auf konkrete Massnahmen | Ich habe Verständnis, dass eine Woche Betriebsferien eingeführt wurden. |
Stellungnahme zu einzelnen Problemen | Ich bevorzuge folgende Variante zur Lösung der finanziellen Probleme der Pensionskasse |
Abschlussfragen | Ich habe Vertrauen, dass die Erkenntnisse aus dieser Befragung auch umgesetzt werden. |
Am Schluss sind die statistischen Angaben zu erheben. Möglichkeiten sind: Abteilung, Alterskategorie, Geschlecht, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Kaderstufe, Arbeitszeitform, Einkommensform, Einkommenskategorie, etc. Auch hier ist eine Auswahl zu treffen.
Frageformulierung
Anspruchsvoll ist die Formulierung der Fragen. Die wichtigsten drei Hinweise:
- Einfach: Die Fragen müssen einfach verständlich sein. Einige negative Beispiele: „Es gibt praktisch keine Mitarbeitenden, welche das Fehlen von Sicherheitsvorschriften nicht vermissen.“ „Die BSM durch die AL sind im Widerspruch zu den Weisungen der EKAS.“ „Der Fokus des Innovationskonzepts ist nicht relevant“. „Punkt 3 der Personalpolitik ist mir besonders wichtig“.
- Eindeutig: Die Fragen müssen sich auf eine Sache beziehen. Ein negatives Beispiel: „Der Feuerschutz und die Hilfe-Massnahmen sind vorbildlich“. Falls die Befragten dies ablehnen, was ist nun unzureichend, der Feuerschutz oder die Hilfe-Massnahmen oder beides?
- Gleich gerichtet: Die Beantwortung der Fragen zum gleichen Thema sollen einheitlich bei Zustimmung "ja" und bei Ablehnung „nein“ verlangen. Ein Beispiel: „1. Die Firma setzt sich ausreichend für den Gesundheitsschutz ein.“ „2. Die Vorschriften zur Unfallverhütung sind wirkungsvoll.“ „3. Die technischen Sicherheitseinrichtungen sind unbrauchbar.“ Den Fragen 1 und 2 ist im positiven Fall zuzustimmen, die Frage 3 ist im positiven Fall abzulehnen. Solche Wechsel führen regelmässig zu Erfassungsfehlern.
Die hohen Anforderungen an die Verständlichkeit der Frageformulierungen und der geeigneten Strukturierung im Fragebogen erfordern viel Erfahrung. Wir empfehlen, hier eine Fachperson beizuziehen.
Vorgehen
In Kurzform lässt sich die Planung und Durchführung einer Mitarbeiterbefragung wie folgt bestimmen:
- Zielfestlegung und ungefähre Themen
- Grobplanung der Befragung (Vorgehen, externer Partner, evtl. Einbezug der Personalverbände)
- Feinplanung mit Verantwortlichkeiten, Kosten- und Zeitplan, etc.
- Entwicklung des Befragungsinstruments
- Erarbeiten eines detaillierten Auswertungs- und Kommunikationskonzepts
- Durchführung eines Pretests (Voruntersuchung)
- Anpassung des Befragungsinstrumentes
- Information der Mitarbeitenden über die bevorstehende Befragung (Ziele, Zeitplan, Informationsschritte)
- Durchführung der Befragung (2 bis 3 Wochen)
- Rücklaufkontrolle, Erinnerung zum Ausfüllen des Fragebogens
- Auswertung und Analyse auf Ebene Gesamtunternehmen
- Massnahmenplanung auf Ebene Gesamtunternehmen
- Information der Mitarbeitenden
- Auswertung und Analyse auf Ebene Abteilung oder Team
- Massnahmenplanung auf Ebene Abteilung oder Team
- Realisierung der Massnahmen
- Umsetzungscontrolling
- Wiederholung der Befragung nach zwei Jahren