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Bürgschaft: Übersicht zu Definition, Voraussetzungen und Vertragsinhalt

Bei der Bürgschaft verpflichtet sich der Bürger gegenüber einem Gläubiger für die Erfüllung einer bezeichneten Schuld einzustehen.

04.03.2022 Von: Matthias Streiff
Bürgschaft

1 Rechtliche Grundlagen

2 Terminologie und Begriff

Bürgschaft (OR 492 ff.): Bei dieser auf Vertrag beruhender Sicherheit verpflichtet sich ein Dritter (Bürge) für eine Ersatzleistung im Falle einer Nichtleistung des Hauptschuldners. Leistet der Hauptschuldner nicht, so muss der Bürge die Ersatzsicherheit leisten. Für die Bürgschaft ist eine zu Recht bestehende Hauptschuld vorausgesetzt (OR 492 Abs. 2), da es sich bei der Bürgschaft um eine akzessorische Verpflichtung handelt.

Bürgschaft gehört zu den Personalsicherheiten.

3 Formerfordernisse

Damit die Bürgschaft gültig ist, muss sie folgende Formerfordernisse erfüllen (Art. 493 OR):

  • Schriftliche Erklärung des Bürge (Art. 493 Abs. 1 OR)
  • Bei natürlichen Personen muss die schriftliche Erklärung des Bürgen zudem öffentlich beurkundet werden, ausgenommen sind Bürgschaften mit Haftungsbeträgen unter CHF 2000.- (Art. 493 Abs. 2 OR). Dies soll den Einzelnen vor einem übereilten Vertragsabschluss schützen.
  • Angabe des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrages der Haftung des Bürgen in der Bürgschaftsurkunde (Art. 493 Abs. 1 OR)
  • Wird zur Umgehung der öffentlichen Beurkundung eine Aufteilung in kleinere Beträge vorgenommen, so ist für die Verbürgung der einzelnen Teilbeträge die für den Gesamtbetrag vorgeschriebene Form vorausgesetzt (Art. 493 Abs. 4).

4 Inhalt einer Bürgschaftsurkunde

  1. Titel und Präambel
  2. Forderungshöhe  
    1. Zahlen- und Währungsangabe
    2. Forderungshöhe
  3. Die im Grundverhältnis gesicherte Leistung
  4. Termine zur Leistungspflicht des Bürgen
  5. Begünstigter
  6. Akzessorietät (Verhältnis vom Grundvertrag und der Bürgschaft)
  7. Abrufmodalitäten
    1. Identifikation des Abrufenden
    2. Zeitraum der Laufdauer der Bürgschaft
    3. Ort der Geltendmachung der Bürgschaft
    4. Form des Abrufes
  8. Anwendbares Recht und Gerichtsstand

5 Rechte des Bürgen bei Inanspruchnahme der Bürgschaft

Der Bürge hat verschiedene Möglichkeiten, wie er sich gegen seine Inanspruchnahme zur Wehr setzen kann. So stehen ihm die Verteidigungsmittel aus dem Bürgschaftsrecht zu Verfügung:

  • Nichteinhalten von Formvorschriften führ zur Nichtigkeit der Bürgschaft
  • Nichteinhalten spezifischer Vorschriften zur Inanspruchnahme des einfachen Bürgen
  • Nichteinhalten spezifischer Vorschriften zur Inanspruchnahme des Solidarbürgen

Neben den Verteidigungsmittel aus Bürgschaft selber stehen dem Bürgen auch zusätzliche Verteidigungsmittel aus dem Grundvertrag zur Verfügung, obwohl er selbst nicht Partei von diesem ist. Gemäss OR 502 Abs. 1 kann der Bürge dem Gläubiger Einreden aus dem Grundgeschäft entgegensetzen.

Im Geschäftsverkehr üblich ist heute einzig die "Solidarbürgschaft" (OR 496). Wird der Bürgschaftsurkunde das Wort "solidarisch" beigefügt, so kann der Gläubiger direkt auf den Bürgen zugehen, ohne zuerst den Hauptschuldner belangen oder die Verwertung von Grundpfändern abwarten zu müssen. Es genügt, wenn der Hauptschuldner mit seiner Leistung im Rückstand und erfolglos gemahnt worden (oder seine Zahlungsunfähigkeit offenkundig) ist.

Zur Sicherung der Mängelrechte im Bauwerkvertrag sieht SIA Norm 118 in Art. 181 das Beibringen einer Solidarbürgschaft durch den Unternehmer, respektive dessen Bank oder Versicherung vor. In der Praxis verlangen Besteller oft anstelle der Solidarbürgschaft eine einfache Bankgarantie.

Es gibt den altrechtlichen Spruch: "Bürgen soll man würgen". Das alte Bürgschaftsrecht führte zu Privatkonkursen und familiären Notlagen, weil sich ein unbesonnener Bürge für mehr verpflichtete, als er tragen konnte. Der Gesetzgeber revidiert 1941 das Bürgschaftsrecht und schaffte verschiedene Hürden zum Schutz der privaten Bürgen. Seither ist die private Bürgschaft faktisch verschwunden.


 

6 Abgrenzung zum Garantievertrag und zur kumulativen Schuldübernahme

Während der Garantievertrag eine selbständige Verpflichtung begründet, handelt es sich bei der Bürgschaft um eine akzessorische Verpflichtung. Somit ist die Bürgschaftsverpflichtung von der Hauptverpflichtung abhängig, während die Garantieverpflichtung unabhängig davon begründet werden kann. Vergleiche zur Abgrenzungsfrage zwischen Bürgschaft und Garantie die Ausführungen zur "Garantie".

Bei der kumulativen Schuldübernahme verspricht der Schuldübernehmer seine eigene Leistung, wogegen der Bürge für die Leistung des Schuldners, also einer anderen Person, einsteht.

Bei der Beurteilung, ob eine Bürgschaft oder ein Garantievertrag bzw. eine kumulative Schuldübernahme vorliegt, ist stets eine Auslegung der Willenserklärungen der Parteien vorzunehmen.

Die praktische Bedeutung der Unterscheidung von Bürgschaft und Garantievertrag bzw. kumulative Schuldübernahme ist insbesondere bei der Form ersichtlich, da die Bürgschaft formbedürftig ist, der Garantievertrag und die kumulative Schuldübernahme jedoch formlos vereinbart werden können. Wird ein Sicherungsvertrag als Bürgschaft qualifiziert, erfüllt er jedoch die Formerfordernisse nicht, ist der Vertrag nichtig und kann nicht nachträglich als Garantievertrag oder kumulative Schuldübernahme beurteilt werden.

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