Werklieferungsvertrag: Definitionen und anwendbares Recht

Beim Werklieferungsvertrag verpflichtet sich der Unternehmer nebst der Herstellung des Werkes auch zur Lieferung des hierfür benötigten Werkstoffes, eine Unterform des Werkvertrages.

25.11.2025 Von: Matthias Streiff
Werklieferungsvertrag

Gesetzliche Grundlagen

Werklieferungsvertrag

Als Werklieferungsvertrag wird ein Werkvertrag bezeichnet, bei dem sich der Unternehmer neben der Werkherstellung auch zur Stofflieferung verpflichtet. Die Besonderheit besteht darin, dass nicht wie beim "normalen" Werkvertrag der Besteller, sondern der Unternehmer den Werkstoff liefert. Der Unternehmer hat das Werk folglich aus (teilweise) selbst beschafftem Stoff herzustellen (BGE 117 II 273).

Aufgrund der Kombination von verschiedenen Leistungselementen, namentlich der Werkherstellung als Hauptpflicht und Stofflieferung als subsidiäre Pflicht, ergeben sich schwierige Abgrenzungsprobleme gegenüber anderen Vertragsarten. Insbesondere die Abgrenzung zum sog. "Kauf über eine künftige Sache" sowie zum sog. "Kauf mit Montagepflicht" kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten, siehe unten.

Anwendbares Recht

Der Werklieferungsvertrag ist immer ein Werkvertrag (BGE 103 II 33). Folglich untersteht er auch den Vorschriften zum Werkvertrag (OR 363 ff.). Das Werkvertragsrecht wird auch für die Haftung des Unternehmers für allfällige durch mangelhaften Stoff bewirkten Mängel angewendet (BGE 117 II 425; vgl. auch Art. 165 Abs. 2 SIA-Norm 118).  Soweit der Unternehmer die Lieferung des Stoffes übernommen hat, haftet er dem Besteller für die Güte desselben und hat Gewähr zu leisten wie ein Verkäufer (Art. 365 Abs. 1 OR).

Ein Werklieferungsvertrag kann dem "Wiener Kaufrecht" (Übereinkommen der Vereinigten Nationen über Verträge über internationalen Warenverkauf, CISG) unterstellt werden,  Obwohl es bei diesem Übereinkommen grundsätzlich um Kaufverträge über Waren geht (BGE 4A_493/2020 vom 4. Januar 2021).

Wichtig: Bei internationale Verträgen sind stets auch das IPRG und die einschlägigen Staatsverträge zu beachten.

Abgrenzung zum Kauf über eine künftige Sache

Beim Kauf über eine künftige Sache verpflichtet sich der Verkäufer, dem Käufer eine Sache zu übereignen (OR 184), die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (noch) nicht existiert. Auch beim Werklieferungsvertrag ist der Unternehmer, welcher das Werk aus selbst beschafftem Stoff herzustellen hat, verpflichtet, das fertiggestellte Werk dem Besteller zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen dem Werklieferungsvertrag und dem Kauf über eine künftige Sache ist die Herstellungspflicht. Im Unterschied zum Werklieferungsvertrag ist der Verkäufer nicht zur Herstellung des Vertragsgegenstandes verpflichtet. Beim Kauf über eine künftige Sache kommt es nicht darauf an, ob der Verkäufer die geschuldete Sache selber herstellt oder die Sache von einem Dritten erwirbt, da die Herstellungspflicht nicht Vertragsgegenstand ist. Gehört die Herstellungspflicht demgegenüber zur Vertragserfüllung liegt ein Werklieferungsvertrag vor.

BGE 4A_399/2018 vom 8. Februar 2019

Das Bundesgericht hat sich vor allem im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstückes mit einer Neubaute zur Abgrenzung zwischen einem reinen Kaufvertrag (Grundstückkaufvertrag über eine künftige Sache) und einem gemischten Grundstückkauf-/Werkvertrag (Grundstückkauf mit Bauleistungspflicht) geäussert. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist das entscheidende Abgrenzungskriterium die Herstellungspflicht. Während der Verkäufer nur zur Übereignung der künftigen Sache verpflichtet ist, ist der Unternehmer zur Herstellung einer künftigen Baute verpflichtet.

Ein Kauf über eine künftige Sache ist z.B. dann anzunehmen, wenn der Erwerber keinen Einfluss auf den Herstellungsprozess ausübt, d.h. der Neubau nicht eigens für ihn hergestellt wird. Demgegenüber ist von einem gemischten Grundstückkauf mit Bauleistungspflicht auszugehen, wenn dem Erwerber ein Einfluss auf den Arbeitsprozess eingeräumt wird, und zwar auch bei einer bloss teilweisen Herstellung eines Neubaus nach den individuellen Wünschen des Erwerbers (Urteil 4C.301/2002 vom 22. Januar 2003 E. 2.1 und 4A_702/2011 vom 20. August 2012 E. 5). 

Abgrenzung zum Kauf mit Montagepflicht

Der Kauf mit Montagepflicht verbindet einen herkömmlichen Kaufvertrag (OR 184 ff.) mit einem werkvertraglichen Element, da sich der Verkäufer verpflichtet, die Kaufsache auch gleich zu montieren. In Abgrenzung zu einem Werklieferungsvertrag ist die zu liefernde Sache Kaufgegenstand und nicht "nur" Werkstoff. Während beim Kauf mit Montagepflicht die Sachleistung derart überwiegt und die Montage lediglich dazu dient, den Kaufgegenstand gebrauchsfertig zu machen, steht bei einem Werklieferungsvertrag die Arbeit im Vordergrund. Der gelieferte Werkstoff dient im Rahmen eines Werklieferungsvertrages der Erreichung des geschuldeten Arbeitserfolges und erscheint als Teil dieses Erfolges. Entscheidend ist folglich das Verhältnis zwischen Arbeit und Sachlieferung. Unbeachtlich ist aber das Verhältnis zwischen Arbeits- und Materialkosten.

Zum Beispiel kann aufstellen, justieren und fixieren einer vorgefertigten Garagenbox auf einem bestehenden Fundament als Kauf mit Montagepflicht betrachtet werden. Im Anlagebau muss der Kauf mit Montagepflicht speziell geprüft werden. In einem Streitfall entscheidet das Gericht über die Qualifikation.

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