Aktionärbindungsvertrag: Definition, Form und Inhalt

Passende Arbeitshilfen
Einleitung
Die Rechtsform der Aktiengesellschaft kommt für unterschiedlichste Unternehmenstypen, vom Einmannbetrieb über die Familiengesellschaft bis zum weltweit tätigen Unternehmen, zum Einsatz. Trotz der stark kapitalbezogenen Konzeption besteht in der Praxis oft ein Bedürfnis nach einer personenbezogenen Ausgestaltung der Aktiengesellschaft. Da ein Aktionär durch die Statuten nicht verpflichtet werden darf, mehr zu leisten als den für den Bezug einer Aktie bei ihrer Ausgabe festgesetzten Betrag (vgl. Art. 680 Abs. 1 OR), ist die statutarische Einführung von Nebenleistungspflichten - im Gegensatz zur GmbH - nicht möglich.
In einem Aktionärbindungsvertrag werden Vereinbarungen über Rechte und Pflichten einzelner Aktionäre getroffen. Vertragsparteien können neben Aktionären grundsätzlich aber auch Nichtaktionäre sein. Die Aktiengesellschaft selbst ist üblicherweise nicht Partei eines Aktionärbindungsvertrags, dies kann aber sein. Der Aktionärbindungsvertrag ist im Gesetz nicht geregelt. In rechtlicher Hinsicht können solche Verträge schuldrechtliche und gesellschaftsrechtliche Komponenten enthalten. Soweit ein Aktionärbindungsvertrag gesellschaftsrechtliche Inhalte aufweist, handelt es sich dabei um eine einfache Gesellschaft. Vereinbarungen über Übertragungsbeschränkungen (Vorkaufs- und Kaufrechte) sind zweiseitige schuldrechtliche Verträge.
Hinweis
Ein Aktionärbindungsvertrag zeigt nur unter den Vertragsparteien, nicht aber im Verhältnis des einzelnen Aktionärs zur Gesellschaft Wirkung.
Form
Der Aktionärbindungsvertrag kann formlos geschlossen werden. Er kann also schriftlich wie auch mündlich abgeschlossen werden. Wenn der Aktionärbindungsvertrag aber Regelungen enthält, für welche im Gesetz eine Formvorschrift vorhanden ist, muss diese Form eingehalten werden. Es empfiehlt sich, den Aktionärbindungsvertrag schriftlich abzuschliessen.
Dauer
Ein Aktionärbindungsvertrag kann vor oder nach der Gründung der AG abgeschlossen werden. Er kann grundsätzlich auf bestimmte oder unbestimmte Dauer (mit Vereinbarung einer Kündigungsfrist) vereinbart werden.
Bei zeitlich unbefristeten ABV gilt die Schranke von Art. 27 Abs. 2 ZGB: Eine übermässige Bindung ist unzulässig. Die Lehre und Rechtsprechung nehmen dies insbesondere bei einer Kombination aus:
- sehr langer oder ewiger Bindungsdauer,
- fehlender ordentlicher Kündigungsmöglichkeit,
- fehlendem Austritt gegen Abfindung,
- fehlender ökonomisch sinnvoller Exit-Strategie,
- generellen Veräusserungsverboten,
- umfassender Stimmbindung,
- oder überbordender Konventionalstrafe an.
Der Bundesgerichtsentscheid BGE 143 III 480 (Fall Spital Thurgau AG) hat klargestellt: Nicht jeder langdauernde ABV ist per se ungültig. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung. Eine übermässige Einschränkung kann eine Persönlichkeitsverletzung darstellen und zur Unverbindlichkeit führen. Diese wird aber nicht automatisch festgestellt, sondern muss vom betroffenen Aktionär geltend gemacht werden. Die Einrede wirkt nur zugunsten des sich Berufenden.
Ist ein Aktionärbindungsvertrag als einfache Gesellschaft zu qualifizieren, sind zudem die gesetzlichen Auflösungsgründe von Art. 545 OR, insbesondere die Auflösung aus wichtigem Grund, zu beachten. In der Praxis sind verschiedene Wege gefunden worden, um die Lebenszeit von Aktionärsbindungsverträgen mit derjenigen der Aktiengesellschaft zu koordinieren. Es bleibt aber eine rechtliche Unsicherheit.
Wirkung und Inhalt
Allgemeines
Ein Aktionärbindungsvertrag begründet keine mitgliedschaftsrechtlichen Pflichten im Verhältnis zur AG, sondern lediglich schuld- bzw. gesellschaftsrechtliche Verbindlichkeiten unter den Vertragsparteien. Wird der Vertrag verletzt, kann die in ihren Rechten verletzte Vertagspartei Schadenersatz oder/und Erfüllung des Vertrags geltend machen. Sofern im Vertrag eine Konventionalstrafe vereinbart wurde, kann zudem diese eingefordert werden. Die Aktionärsbindungsverträge sind oft eine Mischung aus schuldrechtlichen Vereinbarungen wie Vorkaufs- und Kaufrechte sowie aus gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen wie Stimmbindungen. Bei der inhaltlichen Gestaltung sind die Parteien grundsätzlich frei. Ein Aktionärbindungsvertrag darf aber weder gegen zwingende Gesetzesvorschriften, die öffentliche Ordnung, die guten Sitten noch gegen das Persönlichkeitsrecht verstossen (BGE 109 II 43 Erw. 3).
Hinweis
Ein Aktionärbindungsvertrag kann die gesellschaftsrechtlichen Regeln nicht verändern, sondern nur eine zusätzliche Bindung unter den beteiligten Aktionären schaffen.
Passende Produkt-Empfehlungen
Ein Aktionärbindungsvertrag kann folgenden Inhalt haben:
- Grundsätze der Unternehmenspolitik
- Stimmbindungsabsprachen
- Veräusserungsbeschränkungen (z.B. Vorhandrechte, Vorkaufsrechte und Kaufsrechte) und Erwerbsrechte
- Weiter Pflichten der Parteien (z.B. Treuepflichten und Konkurrenzverbote)
- Nachschuss und Zuzahlungspflichten
- Übernahme einer persönlichen Haftung für Verpflichtungen der Gesellschaft
- Bestimmungen betreffend Sicherstellung der Vertragserfüllung
Stimmrechtsbindungen
Das Kernstück eines Aktionärbindungsvertrags ist regelmässig eine Stimmrechtsbindung. Die Vertragsparteien verpflichten sich dabei, an der Generalversammlung ihre Stimmen einheitlich oder in einem bestimmten Sinne abzugeben. Solche Vereinbarungen sind grundsätzlich zulässig. Stimmrechtsvereinbarungen sind nur in den Grenzen der Vertragsfreiheit gültig, dürfen aber weder gegen zwingende Gesetzesvorschriften, die öffentliche Ordnung, die guten Sitten noch gegen das Persönlichkeitsrecht verstossen (BGE 109 II 43 Erw. 3). Zu beachten ist, dass die Rechte und Pflichten nur zwischen den Vertragsparteien schaffen. Eine in Verletzung eines Aktionärbindungsvertrags abgegebene Stimme ist gegenüber der Gesellschaft also gültig.
Hinweis
Die an einer Generalversammlung abgegebenen Stimmen sind so zu zählen, wie sie tatsächlich abgegeben wurden, und nicht, wie sie gestützt auf einen Aktionärbindungsvertrag hätten abgegeben werden müssen.
Verboten ist gemäss der herrschenden Lehre der sog. Stimmenkauf. Unzulässig sind Stimmrechtsvereinbarungen ausserdem, wenn sie der Umgehung statutarischer oder gesetzlicher Stimmrechtsbeschränkungen dienen. Vereinbarungen, mit denen statutarische Vinkulierungsvorschriften umgangen werden sollen, sind daher unbeachtlich.
Veräusserungsbeschränkungen
Gegenstand eines Aktionärbindungsvertrags sind weiter häufig Vorhands- bzw. Vorkaufsrechte sowie Kaufs- und Rückkaufsrechte an den Aktien der Gesellschaft. Häufig vereinbaren Aktionäre untereinander ein Vorkaufsrecht. Oft handelt es sich dabei aber genau genommen um ein Vorhandrecht. Dem berechtigten Mitaktionär ist schon vor Eintreten eines Vorkaufsfalls (d.h. ein Geschäftsabschluss mit einem Dritten), also bereits bei Vorliegen einer Verkaufsabsicht, die Möglichkeit zum Erwerb der Aktien zu geben. Ein Vorkaufsrecht entsteht erst dann, wenn eine konkrete Kaufofferte eines Dritten auf dem Tisch liegt. Durch die Einräumung von Vorhand- oder Vorkaufsrechten kann zum Beispiel in einer Familiengesellschaft der Eintritt von familienfremden Aktionären verhindert werden. Zu beachten ist aber, dass ein vertraglich eingeräumtes Vorhand- oder Vorkaufsrecht die Partien nur intern, nicht aber den Dritterwerber bindet. Zur Absicherung kann die Hinterlegung der Aktien bei einer Person oder Institution vorgesehen werden, welche den Transfer auf einen Dritterwerber erst vollziehen darf, wenn die im Aktionärbindungsvertrag vereinbarten Rechte ausgeübt werden konnten. Dieses Vorgehen wirft jedoch wiederum sachenrechtliche Probleme auf, weshalb eine sorgfältige rechtliche Prüfung solcher Klauseln angezeigt ist. Aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines Aktionärbindungsvertrags besteht kein allgemein gültiges Vertragsmuster. Im Folgenden wird ein Muster zur Verfügung gestellt, bei welchem Verfügungsbeschränkungen im Zentrum stehen.
Eine Verpflichtung der AG ist möglich, jedoch die Ausnahme. Sie wird durch den Verwaltungsrat vertreten und kann sich einem ABV als Partei anschliessen, sofern dies in ihrem Interesse ist.