Vorzugsaktien: Begriff und Zweck

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Rechtliche Grundlagen
Die Ausgabe von Vorzugsaktien ist in Art. 654 des Obligationenrechts (OR) geregelt. Demnach kann die Generalversammlung nach Massgabe der Statuten oder durch Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bestehende Aktien in Vorzugsaktien umwandeln (Art. 654 Abs. 1 OR). Durch die Ausgabe von Vorzugsaktien wird eine besondere Kategorie von Aktionären geschaffen, denen durch die Statuten ein Vorrecht eingeräumt wird (BGE 147 III 126 E. 3).
Stellung und Rechte der Vorzugsaktionäre
Vorzugsaktien geniessen gegenüber den Stammaktien die Vorrechte, die ihnen in den Statuten ausdrücklich eingeräumt sind. Im Übrigen stehen sie den Stammaktien gleich (Art. 656 Abs. 1 OR). Die Vorrechte können sich insbesondere auf:
- Dividenden mit oder ohne Nachbezugsrecht: Vorzugsaktionäre können ein Anrecht auf bevorzugte Dividendenzahlungen haben (Art. 656 Abs. 2 OR).
- Liquidationsanteile: Bei Auflösung der Gesellschaft können Vorzugsaktionäre bevorzugt am Liquidationserlös beteiligt werden (Art. 656 Abs. 2 OR).
- Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen: Vorzugsaktionäre können bevorzugte Bezugsrechte beim Bezug neuer Aktien erhalten (Art. 656 Abs. 2 OR).
Dividenden und Liquidationserlös
Jeder Aktionär hat grundsätzlich Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser zur Verteilung bestimmt ist (Art. 660 Abs. 1 OR). Bei der Liquidation der Gesellschaft haben Aktionäre Anspruch auf ihren Anteil am Liquidationsergebnis, sofern die Statuten nichts Abweichendes festlegen (Art. 660 Abs. 2 OR). Vorbehalten bleiben dabei die statutarischen Vorrechte einzelner Aktienkategorien (Art. 660 Abs. 3 OR).
Dividenden dürfen nur aus dem Bilanzgewinn und hierfür gebildeten Reserven ausgeschüttet werden (Art. 675 Abs. 2 OR). Zudem dürfen Dividenden erst festgesetzt werden, nachdem die gesetzlichen und freiwilligen Gewinnreserven zugewiesen wurden (Art. 675 Abs. 3 OR). Es ist nicht zulässig, Vorzugsaktionären eine feste Dividende zu garantieren, unabhängig vom Geschäftsergebnis, da Dividenden immer vom erwirtschafteten Gewinn abhängig sind.
Beim Dividendenvorrecht kann es sich um einen fixen Maximalbetrag oder um einen Prozentsatz des Nennwerts, der geleisteten Einlage oder des ausschüttbaren Gewinns handeln. Beispiel eines Dividendenvorrechts auf einen fixen Betrag: Auszahlung von bis zu CHF 10 pro Vorzugsaktie; eine etwaige weitere Dividende geht an die Stammaktionäre, ohne dass die Vorzugsaktionäre nochmals zum Zuge kämen. Falls keine Dividende ausgeschüttet werden kann, haben die Vorzugsaktionäre im Falle eines kumulativen Vorrechts im nächsten Geschäftsjahr einen Anspruch auf je CHF 20. Demgegenüber verfällt ein nicht kumulatives Recht des laufenden Jahres, womit im Folgejahr wiederum nur die reguläre Höhe von CHF 10 pro Vorzugsaktie in Frage kommt. Beispiel eines Dividendenvorrechts auf einen prozentualen Anteil des ausgeschütteten Gewinns: Insgesamt 20% des ausgeschütteten Gewinns stehen den Vorzugsaktionären zu, der Rest wird an die Stammaktionäre ausgeschüttet. Alternativ kann auch vorgesehen sein, dass der Rest unter allen Aktionären (d.h. inklusive der Vorzugsaktionäre) gleichmässig verteilt wird.
Das Vorrecht auf den Liquidationserlös fusst häufig auf einem bestimmten Verhältnis zum von (ursprünglichen) Vorzugsaktionären investierten Kapital.
- Beispiel 1: Zunächst erhalten die Vorzugsaktionäre eine Dividende in der Höhe der von ihnen geleisteten Einlagen (d.h. Nennwert plus Agio), anschliessend erfolgt eine Auszahlung in entsprechender Höhe an die Stammaktionäre, zuletzt wird der Rest an sämtliche Aktionäre gemäss Nennwert verteilt.
- Beispiel 2: Die Vorzugsaktionäre erhalten zunächst eine Zahlung im Umfang der ursprünglichen Einlage, zuzüglich eines Betrages von CHF 200 pro Vorzugsaktie. Den übrigen Liquidationserlös teilen sich die Stammaktionäre nach Massgabe des Nennwerts ihrer Aktien.
Bezugsrechte
Bei Vorrechten hinsichtlich des Bezugsrechts geht es um ein Recht auf die Ausgabe neuer Vorzugs- oder Stammaktien anlässlich einer Kapitalerhöhung, wobei die Vorzugsaktionäre gegenüber den Stammaktionären privilegiert sind. Denkbar wäre etwa eine Regelung, bei der die Vorzugsaktionäre bspw. nur 30% des Aktienkapitals halten, jedoch berechtigt sind, bei einer Kapitalerhöhung bis zu 60% der neuen Aktien zu zeichnen.
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Änderung oder Aufhebung von Vorrechten
Sollten Vorrechte von Vorzugsaktionären geändert oder aufgehoben werden, ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Es bedarf der Zustimmung sowohl der betroffenen Vorzugsaktionäre in einer speziellen Versammlung als auch der Generalversammlung aller Aktionäre (Art. 654 Abs. 3 OR). Dies gewährleistet den Schutz der Vorrechte der Vorzugsaktionäre.
Exkurs zu Partizipationsscheinen
Die Bestimmungen über Vorzugsaktien gelten grundsätzlich auch für Partizipationsscheine. Gemäss Art. 656a Abs. 2 OR finden die Vorschriften über das Aktienkapital, die Aktie und den Aktionär auch auf das Partizipationskapital, den Partizipationsschein und den Partizipanten Anwendung (Art. 656a Abs. 2 OR). Somit können auch Partizipationsscheine mit Vorrechten ausgestattet werden (BGE 147 III 126 E. 3).
Einsatzmöglichkeiten von Vorzugsaktien
Vorzugsaktien können in verschiedenen Situationen von Vorteil sein:
- Gründung einer Gesellschaft: Besondere Leistungen, wie höhere Kapitaleinlagen oder spezielles Know-how, können durch Vorzugsaktien honoriert werden, ohne dass eine Stimmenmehrheit gewährt wird.
- Kapitalerhöhungen und Sanierungen: Neue Investoren können für ihr erhöhtes Risiko durch Vorzugsaktien kompensiert werden.
- Kombination mit Stimmrechtsaktien: Vorzugsaktien können mit Stimmrechtsaktien kombiniert werden, um bestimmte Aktionäre sowohl finanziell als auch stimmrechtlich zu bevorzugen.
Beschränkungen und Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Gewährung von Vorzugsrechten muss im Einklang mit gesetzlichen Bestimmungen stehen. So dürfen Aktionäre nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden. Statutenänderungen oder Generalversammlungsbeschlüsse, die die Stellung der Vorzugsaktionäre verschlechtern, sind nur zulässig, wenn sie auch die Stellung der gleichgestellten Aktionäre entsprechend beeinträchtigen (Art. 656f Abs. 3 OR). Darüber hinaus dürfen Vorzugsaktionäre nicht besser gestellt werden als gesetzlich oder statutarisch vorgesehen.
Vorzugsstammanteile in der GmbH
Die Regelungen zu Vorzugsaktien finden entsprechend auch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Anwendung. Für Vorzugsstammanteile gelten die Vorschriften des Aktienrechts über Vorzugsaktien entsprechend (Art. 799 OR).
Fazit
Vorzugsaktien stellen ein flexibles Instrument dar, um unterschiedlichen Interessen von Aktionären gerecht zu werden. Sie ermöglichen es, finanzielle Vorrechte einzuräumen, ohne dabei die Stimmrechte zu verändern. Bei ihrer Gestaltung und Einführung ist jedoch sorgfältig auf die gesetzlichen Vorgaben zu achten, insbesondere auf die Zustimmung der betroffenen Aktionäre und die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.