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Erbengemeinschaft: Das müssen Sie vor der Entstehung wissen

Sind mehrere Erben am Erbgang beteiligt, so sind sie miteinander in der Erbengemeinschaft verbunden (Art. 602 ZGB). Der Erbgang kann aber erst abgeschlossen werden, wenn die Erben untereinander den Nachlass aufgeteilt haben. Ist nur ein einziger Erbe vorhanden, so entfällt natürlich der Teilungsvorgang.

01.03.2022
Erbengemeinschaft

Was regeln die Vorschriften über die Teilung der Erbschaft?

Die Vorschriften über die Teilung der Erbengemeinschaft regeln die Rechtsbeziehungen der Erben untereinander vor der Teilung (Art. 602 ff. ZGB), das Verfahren und die Regeln der Teilung (Art. 607 ff. ZGB), die Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) und schliesslich den Abschluss und die Wirkung der Teilung (Art. 634 ff. ZGB).

Was ist die Erbengemeinschaft?

Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft  (Art. 602 Abs. 1 ZGB).

Die Erbengemeinschaft entsteht kraft Gesetzes mit dem Erbgang. Sie ist keine juristische Person (Art. 52 ZGB), sondern eine Verbindung der am Erbgang beteiligten gesetzlichen und eingesetzten Erben. Erben, die mit dem Erblasser einen Erbverzichtsvertrag abgeschlossen haben oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, verzichten auf ihre Erbenstellung und sind demnach an der Erbengemeinschaft nicht beteiligt. Ebensowenig gehören die Vermächtnisnehmer zur Erbengemeinschaft.

Stirbt ein Teilhaber, so treten seine Erben in seine Rechtsposition ein, denn die Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft ist vererblich. Dagegen ist die Mitgliedschaft nicht veräusserlich. Die Abtretung eines Erbteils an einen Dritten lässt den Erben nicht aus der Erbengemeinschaft ausscheiden (Art. 635 ZGB). Die Abtretung eines Erbteils an einen Miterben gilt dagegen als eine subjektiv partielle Erbteilung, die zum Ausschluss des betreffenden Erben aus der Erbengemeinschaft führt.

Die Erbengemeinschaft endet mit der Teilung der Erbschaft (Art. 634 ZGB).

    Welche Rechte haben die Erben an den Erbschaftssachen?

    Die Erben werden Gesamteigentümer der Erbschaftssachen (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Die Erbengemeinschaft ist folglich eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Die Rechte an den Erbschaftssachen stehen allen Erben gemeinsam zu (Art. 652 ZGB), d.h. der einzelne Erbe hat kein Recht an den einzelnen Erbschaftssachen. Sein Anspruch beschränkt sich auf die Zuweisung von Nachlasswerten in der Teilung (Art. 604 ZGB) und auf eine rechnerische Quote am Nachlass. Auch wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem unter mehreren Erben eine Erbschaftssache zuweist, fällt diese kraft Gesetzes und eo ipso in das Gesamteigentum der Erbengemeinschaft (BGE 142 III 257 E. 4.3.1; 70 II 267).

    Wie können die Erben über Erbschaftssachen verfügen?

    Die Erben verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam (Art. 602 Abs. 2 ZGB), insbesondere hat ein einzelner Erbe über Erbschaftssachen kein Verfügungsrecht (BGE 99 II 26). Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Danach bedarf es zur Verfügung über die Erbschaftssachen des einstimmigen Beschlusses aller Erben (vgl. Art. 653 Abs. 2 ZGB). Dementsprechend kommt die Aktiv- und Passivlegitimation in Prozessen für oder gegen die Erbengemeinschaft nur dieser und nicht einzelnen Erben zu (BGE 142 III 257 E. 4.3.1; 93 II 11 E. 2b).

    Die Nutzungs- und Verwaltungsordnung einer Gesamthandschaft richtet sich nach den Regeln, unter denen ihre Gemeinschaft steht (Art. 653 Abs. 1 ZGB). Ausser dem Einstimmigkeitsprinzip hat das ZGB für Verwaltungs- und Verfügungshandlungen über Erbschaftssachen keine weiteren Bestimmungen aufgestellt, was auch weiter nicht notwendig ist, gilt doch die Erbengemeinschaft als Liquidationsgemeinschaft, d.h. als Übergangsgemeinschaft mit dem einzigen Zweck, die Erbschaft zu liquidieren und die Vermögenswerte des Nachlasses in das Vermögen der Erben zu überführen (BGE 96 II 325E. 6d, S. 335).

    Ausnahmsweise kann ein einzelner Erbe rechtsverbindlich für die Erbengemeinschaft handeln:

    • Wenn er dazu von den Miterben mit einer Vollmacht ausgestattet worden ist oder wenn eine solche im Nachhinein beigebracht wird. Diesfalls kann die Erbengemeinschaft auch von einem Dritten vertreten werden (vgl. BGE 111 II 16 E. 2).
    • Von Gesetzes wegen ist ein einzelner Erbe berechtigt für die Erbengemeinschaft zu handeln, wenn die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) vorliegen.
    • In Fällen der Dringlichkeit ist ein einzelner Erbe zur Wahrung von Interessen der Erbengemeinschaft befugt, in eigenem Namen und als gesetzlicher Vertreter der Miterben zu klagen (BGE 93 II 11 E. 2b).
    • Wer einer Erbengemeinschaft eine Erklärung abzugeben hat, kann das analog zu Art. 65 Abs. 3 SchKG mit Wirkung für die Erbengemeinschaft gegenüber einem einzelnen Miterben tun, solange ihm wenigstens nicht bekannt ist, dass eine bestimmte Person mit der Vertretung der Erben oder der Verwaltung der Erbschaft beauftragt ist (BGE 73 II 162 E. 5 a.E.).

    Was ist ein Erbenvertreter?

    Das Einstimmigkeitsprinzip bewirkt eine gewisse Schwerfälligkeit bei der Verwaltung der Erbschaft und der Verfügung über Erbschaftssachen und die Erbengemeinschaft kann dadurch, namentlich bei Erbenstreitigkeiten, handlungsunfähig werden. Um dem entgegenzuwirken, kann auf Begehren eines Miterben die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen (Art. 602 Abs. 3 ZGB).

    Zuständig ist die Behörde am letzten Wohnsitz des Erblassers. Sie kann den Erbenvertreter nicht von sich aus einsetzen, sondern nur auf Antrag eines Miterben. Die Ernennung eines Vertreters setzt voraus, dass die Erbengemeinschaft zur gemeinsamen Führung und Verwaltung der Erbschaft unfähig ist, ohne dass sich jedoch die Anordnung einer vormundschaftlichen oder anderen sichernden Massnahme (Art. 551 ff. ZGB) aufdrängt. Die Behörde prüft ferner, ob der Umfang der Vertretungsbefugnis umfassend oder beschränkt sein soll. So kann die Erbenvertretung beispielsweise auf die Führung eines Prozesses oder die Verwaltung einer Liegenschaft beschränkt werden.

    Die Behörde kann auch Miterben zum Erbenvertreter bestellen, allerdings der möglichen Interessenkollision wegen nur mit Zurückhaltung. Gegen die Handlungen des Erbenvertreters können die Erben mit Beschwerde an die Aufsichtsbehörde gelangen. Im Übrigen untersteht der Erbenvertreter hinsichtlich Honorar, Beendigung der Amtsführung und Verantwortlichkeit in analoger Weise den Regeln der Erbschaftsverwaltung.

    Wie haften die Erben?

    Für die Schulden des Erblassers werden die Erben solidarisch haftbar (Art. 603 Abs. 1 ZGB).

    Die solidarische Haftung der Erben beginnt mit dem Erbgang. Sie besteht auch noch nach Abschluss der Teilung, es sei denn, die Gläubiger haben in die Teilung oder die Übernahme der Schulden durch einen einzelnen Erben ausdrücklich oder stillschweigend eingewilligt (Art. 639 Abs. 1 ZGB). Sie verjährt mit Ablauf von fünf Jahren nach der Teilung, oder nach dem Zeitpunkt, auf den die Forderung später fällig geworden ist (Art. 639 Abs. 2 ZGB).

    Jeder einzelne Erbe kann also für die Erbschaftsschulden und auch für die Erbgangsschulden (BGE 93 II 11 E. 2a) allein, und zwar nicht nur für seine Quote, sondern für das Ganze in Anspruch genommen werden. Sämtliche Erben bleiben so lange verpflichtet, bis die ganze Forderung getilgt ist (Art. 144 OR). Für geleistete Zahlungen haben die Erben untereinander ein Rückgriffsrecht (Art. 640 ZGB). Hat ein Erbe Schulden des Erblassers getilgt, die öffentlich-rechtlicher Natur sind, wie beispielsweise Steuerschulden des Erblassers, ist zu prüfen, ob das Regressverhältnis allenfalls nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist (BGE 108 II 490).

    Zwar können die Erben über die Nachlassgegenstände rechtsgültig nur gemeinsam verfügen. Ein Miterbe kann aber durch tatsächliche Verfügungen über die Erbschaftsgegenstände eine Haftung der Erben bewirken und sie dadurch möglicherweise schädigen. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn der betreffende Erbe zahlungsunfähig ist. Um einer möglichen Schädigung vorzubeugen, steht daher den Miterben eines zahlungsunfähigen Erben die Befugnis zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche sofort nach dem Erbgang vorsorgliche Massregeln zu verlangen (Art. 604 Abs. 3 ZGB).

    Was ist der Dreissigste?

    Erben, die zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Haushaltung ihren Unterhalt erhalten haben, können verlangen, dass ihnen nach dem Tode des Erblassers der Unterhalt noch während eines Monats auf Kosten der Erbschaft zuteil werde (Art. 606 ZGB).

    Anspruchsberechtigt sind nur Erben, die im Haushalt des Erblassers gelebt haben, unabhängig davon, ob eine Unterhaltspflicht bestanden hat; andere Hausgenossen haben keinen Anspruch auf den Dreissigsten.

    Beim Dreissigsten handelt es sich um eine persönliche Forderung, die jedem einzelnen der Anspruchsberechtigten gesondert zusteht. Ein Anspruch auf den Dreissigsten besteht nur insoweit, als er durch den Nachlass gedeckt ist.

    Was ist der Lidlohn?

    Mündige Kinder oder Grosskinder, die ihren Eltern oder Grosseltern in gemeinsamem Haushalt ihre Arbeit oder ihre Einkünfte zugewendet haben, können hierfür eine angemessene Entschädigung verlangen (Art. 334 ZGB). Die Entschädigung kann mit dem Tode des Erblassers geltend gemacht werden. Sie unterliegt keiner Verjährung, muss aber spätestens bei der Teilung der Erbschaft geltend gemacht werden (Art. 334bis ZGB). Die Entschädigung ist zu den Erbschaftsschulden zu rechnen, soweit dadurch nicht eine Überschuldung der Erbschaft entsteht (Art. 603 Abs. 2 ZGB).

    Was ist die Erbteilungsklage?

    Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist (Art. 604 Abs. 1 ZGB). Weigert sich ein Erbe an der Teilung mitzuwirken oder können sich die Erben nicht einigen, wie die Erbschaft zu teilen ist, so kann jeder Erbe die Teilungsklage erheben. Es handelt sich dabei um eine Gestaltungsklage, die unverjährbar ist.

    Aktivlegitimiert ist jeder einzelne gesetzliche oder eingesetzte Erbe. Passivlegitimiert sind die Miterben, nicht die Erbengemeinschaft. Weder aktiv- noch passivlegitimiert sind dagegen der Vermächtnisnehmer oder der bloss zur Nutzniessung berechtigte Ehegatte (Art. 473 ZGB) und auch nicht die am Erbgang beteiligten Dritten (Willensvollstrecker, Erbschaft sverwalter und Erbenvertreter).

    Am Erbteilungsprozess müssen alle Erben beteiligt sein, nur so lässt sich erreichen, dass das Urteil gegenüber allen Erben Recht schafft. Die klagenden Erben sind daher in einer notwendigen Streitgenossenschaft zusammengefasst. Ein Erbe, der sich am Prozess nicht beteiligen will, kann aber gegenüber dem Gericht eine Erklärung abgeben, dass er das Urteil, wie auch immer es ausfalle, anerkennen werde (BGE 100 II 440 E. 1).

    Wichtig: Jeder Miterbe kann verlangen, dass die Schulden des Erblassers vor der Teilung der Erbschaft getilgt oder sichergestellt werden. Ist ein solches Schuldentilgungsbegehren gestellt, kann die Teilungsklage trotzdem anhängig gemacht werden. Die Teilung darf lediglich nicht vollzogen werden, bevor die Schulden getilgt oder sichergestellt sind.

    Was ist eine partielle Erbteilung?

    Es wird unterschieden zwischen objektiv partieller Teilung und subjektiv partieller Teilung:

    • Eine objektiv partielle Teilung der Erbschaft liegt vor, wenn ein Teil des Nachlasses unter den Erben aufgeteilt wird und für die restlichen Erbschaftssachen die Erbengemeinschaft weiter bestehen bleibt (BGE 100 II 440).
    • Eine subjektiv partielle Teilung der Erbschaft liegt vor, wenn einzelne Erben aus der Erbengemeinschaft ausscheiden und diese von den anderen weitergeführt wird (BGE 129 III 316 E. 3; 96 II 325 E. 6a).

    Die objektiv partielle Erbteilung ist von Gesetzes wegen vorgesehen, wenn der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Gewerbes mit Schulden, die durch die Übernahmeentstehen, übermässig beschwert würde. Er kann diesfalls die Bildung einer Ertragsgemeinderschaft hinsichtlich des landwirtschaftlichen Gewerbes verlangen, während für den übrigen Nachlass die Teilung sofort erfolgt (Art. 622 ZGB).

    Aus welchen Gründen kann die Teilung aufgeschoben werden?

    Die Teilung der Erbschaft kann aus mehreren Gründen aufgeschoben werden:

    Aufgrund gesetzlicher Vorschrift

    • Auf Ansuchen eines Erben kann der Richter vorübergehend eine Verschiebung der Teilung der Erbschaft oder einzelner Erbschaftssachen anordnen, wenn deren sofortige Vornahme den Wert der Erbschaft erheblich schädigen würde (Art. 604 Abs. 2 ZGB).
    • Ist beim Erbgang auf ein noch nicht geborenes Kind Rücksicht zu nehmen, so muss die Teilung bis zum Zeitpunkt seiner Geburt verschoben werden. Ebenso lange hat die Mutter, soweit dies für ihren Unterhalt erforderlich ist, Anspruch auf den Genuss am Gemeinschaftsvermögen (Art. 605 ZGB).

    Aufgrund erblasserischer Anordnung

    Der Erblasser ist befugt in seiner letztwilligen Verfügung Vorschriften über die Teilung aufzustellen (Art. 608 Abs. 1 ZGB). Dementsprechend kann er auch den Aufschub derTeilung anordnen. Soweit diese Anordnung aber die Pflichtteile der Erben berührt, können die pflichtteilsgeschützten Erben allenfalls im Rahmen der Pflichtteile eine partielle Erbteilung verlangen.

    Aufgrund vertraglicher Vereinbarung unter den Miterben

    Die Erben können den Aufschub der Teilung vereinbaren und damit eine fortgesetzte Erbengemeinschaft bilden. Davon zu unterscheiden ist die Überführung der Erbengemeinschaft in ein anderes Gesamthandsverhältnis, wie beispielsweise die Begründung einer Gemeinderschaft (Art. 336 ff. ZGB) oder einer einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR), mit welcher die Teilung in besonderer Art vollzogen wird (BGE 96 II 325 E. 6c).

    In der Praxis bleiben zahlreiche Erbengemeinschaften ohne besondere Vereinbarung durch blosses stillschweigendes Einverständnis der Miterben jahrzehntelang bestehen (BGE 86 II 451 E. 4). Der einzelne Miterbe kann sich aber nicht zum Verzicht auf die Teilung über einen beliebig langen Zeitraum hinweg verpflichten (Art. 27 ZGB). Ein Verzicht für die Dauer von fünf Jahren stellt jedenfalls keine übermässig lange, gegen die guten Sitten verstossende Bindung dar (BGE 61 II 164 E. 1).

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