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Pflichtteil: Die Herabsetzungsklage bei eingeschränkter Verfügung

Der Erblasser ist in der Zuteilung seines Nachlasses nicht ganz frei. Vielmehr hat er die sogenannten Pflichtteile zu berücksichtigen. Diese gesetzlich bestimmten Quoten fallen den Pflichtteilserben – d.h. den Nachkommen und dem überlebenden Ehegatten – zwingend zu. Wird der Pflichtteil durch Verfügungen des Erblassers eingeschränkt, so können die Pflichtteilserben die sogenannte Herabsetzung verlangen.

03.06.2025 Von: Werner Jahnel, Kinga M. Weiss
Pflichtteil

Die Pflichtteile

Die Höhe des Pflichtteiles hängt vom jeweiligen Pflichtteilserben ab. Nach bisherigem Recht, d.h. bis zum 31. Dezember 2022, hatten sowohl die Nachkommen (Pflichtteil von 3/4), die Eltern (Pflichtteil von 1/2) als auch die Ehegatten resp. eingetragenen Partner (Pflichtteil von 1/2) einen Pflichtteil.

Im Rahmen der Erbrechtsrevision wurde dies nun allerdings angepasst: Per 1. Januar 2023 wurden die Pflichtteile der überlebenden Nachkommen von 3/4 auf ½ reduziert. Der Pflichtteil der Ehegatten beträgt weiterhin 1/2. Die Eltern haben seit dem 1. Januar 2023 hingegen keinen mehr. Das neue Recht ist auf alle Todesfälle ab dem 1. Januar 2023 anwendbar.

Daraus ergeben sich insgesamt die folgenden Pflichtteile und verfügbaren Quoten:

Gesetzliche ErbenGesetzliche ErbquotePflichtteileVerfügbare Quote
  Bis 31.12.2022Seit 1.01.2023Bis 31.12.2022Seit 1.01.2023
Nachkommen (ohne Ehegatte)Ganzer Nachlass3/41/21/41/2
Überlebender Ehegatte
und Kinder
1/2 
1/2
2/8
3/8
1/4
1/4
3/8 1/2
Überlebender Ehegatte ohne Kinder und ohne ElternGanzer Nachlass1/21/21/21/2
Überlebender Ehegatte und überlebende Eltern3/4 
1/4
3/8
1/8
3/8
0
1/25/8
Eltern (ohne Ehegatte und ohne Nachkommen)Ganzer Nachlass1/201/2Ganzer Nachlass

Den Pflichtteilserben muss ihr Pflichtteil zudem unbeschwert zukommen. Dies bedeutet, dass der Erblasser in der Höhe des Pflichtteils namentlich keine Auflagen anbringen, an den Erwerb des Pflichtteils keine Bedingungen knüpfen, keine Nacherbeneinsetzung für den Pflichtteil anordnen sowie keine Verpflichtungen zu Leistungen an einen Dritten vorsehen kann.

Herabsetzung als Rechtsfolge

Werden Pflichtteile durch eine Verfügung des Erblassers belastet, so kann diese Verfügung herabgesetzt werden. Die entsprechende Klage wird Herabsetzungsklage genannt (Art. 522 ff. ZGB). Sie bezweckt eine Wiederherstellung der Pflichtteile durch Herabsetzung derjenigen Zuwendungen, welche den Pflichtteil einschränken.

Der Herabsetzung unterliegen neben den Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge und den Verfügungen von Todes wegen auch gewisse Zuwendungen unter Lebenden (vgl. Art. 532 ZGB). Darunter fallen (Art. 527 ZGB):

  1. Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, soweit sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
  2. Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
  3. durch den Erblasser frei widerrufbare oder in seinen fünf letzten Lebensjahren getätigte Schenkungen (mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke);
  4. die Entäusserungen von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat. 

Gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB sind alle lebzeitigen (teilweise) unentgeltlichen Zuwendungen herabsetzungsfähig, welche gemäss ihrer Natur der Ausgleichung i.S.v. Art. 626 ff. ZGB unterstehen würden, aber aufgrund einer gegenteiligen Verfügung des Erblassers dieser entzogen worden sind. Ebenfalls herabsetzungsfähig sind diejenigen Zuwendungen, die eigentlich ausgleichungspflichtig wären, bei denen die begünstigte Person der Ausgleichung aber durch Ausschlagung, Erbunwürdigkeit, Enterbung oder Vorversterben entgeht. Durch die Herabsetzung wird somit sichergestellt, dass trotz fehlender Ausgleichung nicht die Pflichtteile der übrigen Erben verletzt, werden können. Damit eine Zuwendung von der Ausgleichung oder Herabsetzung erfasst ist, hat jedenfalls ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu bestehen. Ein blosser Freundschaftspreis reicht dabei noch nicht aus, damit die Zuwendung herabgesetzt wird. Beispiele für die herabsetzungspflichtigen (aber von Gesetzes wegen nicht ausgleichungspflichtigen) lebzeitigen Zuwendungen gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB sind die unentgeltliche Abtretung des ehelichen Wohnhauses an die Ehefrau des Erblassers oder eine Schenkung des Erblassers an seine Tochter, die nicht unter Art. 626 Abs. 2 fällt.

Die in Art. 527 Ziff. 2 ZGB genannten Erbabfindungen und Auskaufsbeträge umfassen Entschädigungen für den Erbverzicht. Die Begriffe sind als gleichbedeutend anzusehen. Wurde somit beispielsweise nur einer der Erben im Rahmen eines Erbverzichtsvertrages für den Erbverzicht entschädigt, so können die weiteren verzichtenden Erben die Herabsetzung geltend machen.

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