Erbteilung: So vermeiden Sie Streitigkeiten
Passende Arbeitshilfen
1 Schicksalsgemeinschaft
Kommt es unter Erben zu Streitigkeiten, wird die Erbteilung erfahrungsgemäss langwierig und kostspielig. Abgesehen von den Kosten für externe Berater droht durch den Streit ein Vermögenszerfall, da die Verwaltung des Nachlasses blockiert wird: Wertschriften können bei drohenden Kursverlusten nicht verkauft und Liegenschaften nicht professionell verwaltet werden. Befinden sich im strittigen Nachlass Beteiligungen an einem Unternehmen, werden Kunden und Arbeitnehmer verunsichert, oftmals mit verheerenden Folgen für das Unternehmen. Das erbrechtliche Prinzip der Universalsukzession bewirkt, dass die Erben zu Rechtsnachfolgern des Erblassers werden. Die Erben treten als Gesamteigentümer in sämtliche Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein und können nur gemeinsam und einstimmig über den Nachlass verfügen. Sie bilden bis zur Erbteilung eine Erben- bzw. Schicksalsgemeinschaft. Jeder Erbe kann zwar jederzeit die Erbteilung gerichtlich verlangen. Angesichts der langen Prozessdauer hilft dieses Recht dem teilungswilligen Erben indessen wenig.
2 Fallkonstellationen
Sind beispielsweise die Nachkommen untereinander bereits zu Lebzeiten zerstritten oder bestehen zwischen dem Stiefelternteil und den Kindern aus erster Ehe Spannungen, dürften Streitigkeiten im Erbfall vorprogrammiert sein. Welchen Handlungsspielraum kann der Erblasser ausschöpfen, um zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden und damit verbundene Risiken zu reduzieren?
3 Virtueller Erbe
Bekanntlich haben die nächsten Verwandten des Erblassers (Nachkommen, Ehepartner und Eltern) einen gesetzlichen Anspruch auf einen Anteil am Nachlass (sog. Pflichtteil). Wird der Pflichtteilserbe durch Testament vom Erbrecht ausgeschlossen, hat er als sog. virtueller Erbe rechtlich keine Erbenstellung und wird auf dem Erbschein nicht aufgeführt.
Bei fehlender Einigung mit den übrigen Erben muss er seine Erbenstellung erst durch Klage (Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage) erstreiten. Dadurch wäre der Nachlass wiederum blockiert. Dieses Risiko kann reduziert werden, indem der Erblasser dem ausgeschlossenen Pflichtteilserben ein Vermächtnis in der Höhe seines Pflichtteils ausrichtet. Der Pflichtteilserbe hat nach dem Gesetz nämlich nur Anspruch auf einen (rechnerischen) Anteil am Nachlass «dem Werte nach» (Art. 522 ZGB). Damit dürfte es sich für den Erben kaum mehr lohnen, einzig wegen der fehlenden formellen Erbenstellung den Prozessweg zu beschreiten. Dem Erblasser ist es somit faktisch möglich, durch ein Legat einen «Streithahn» von der Erbengemeinschaft fern zu halten.
4 Lebzeitige Zuwendung
Zu Lebzeiten kann der Erblasser frei über sein Vermögen verfügen. Richtet der Erblasser bei Vorhandensein von Pflichtteilserben lebzeitig Schenkungen an Pflichtteilserben aus, sind solche Zuwendungen ausgleichungspflichtig und zum Nachlass hinzuzurechnen. Massgebend ist der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt des Erbganges. Wird die verfügbare Quote durch die lebzeitigen Zuwendungen überschritten, können diese herabgesetzt werden. Lebzeitige Zuwendungen können somit später beim Erbgang zwar ebenfalls zu Ausgleichs- bzw. Herabsetzungsansprüchen führen. Zur Diskussion steht aber nur noch der Wert der lebzeitigen Zuwendung. Die übertragenen Vermögensteile selbst sind zu Lebzeiten gültig vom Erblasser übertragen worden und bilden nicht mehr Bestandteil des Nachlasses.
Damit kann der Erblasser mit Bezug auf einzelne Vermögensteile (z.B. Liegenschaften, Kunstgegenstände) die physische Teilung faktisch vorwegnehmen. Wertmässig erhält der Pflichtteilserbe bereits zu Lebzeiten seinen Anteil am Nachlass und hat in der späteren Erbteilung keine weiteren Ansprüche mehr.
5 Überlebender Ehegatte
Da der Erbteilung des Nachlasses beim verheirateten Erblasser in jedem Fall die güterrechtliche Auseinandersetzung voraus geht, sind gegebenenfalls über einen Ehevertrag bzw. einen Ehe- und Erbvertrag Vorkehrungen zu treffen. Potentiell strittige Fragen über die Zuweisung von Vermögenswerten zu einzelnen Gütermassen (z.B. Errungenschaft oder Eigengut), einschliesslich Festlegung von Ansprüchen, können so verbindlich geregelt werden. Gerade bei einem Unternehmer, der unter dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung lebt, kann beispielsweise die Zuweisung des während der Ehe geschaffenen Mehrwerts eines vom Erblasser in die Ehe eingebrachten Unternehmens zur Errungenschaft oder zum Eigengut zu Diskussionen führen.
6 Erbauskauf
Um allfälligen Streitigkeiten mit einem schwierigen Miterben vorzubeugen, kann der Erblasser mit diesem präsumtiven Erben einen Erbvertrag abschliessen. Darin bezieht dieser seinen Teil im Voraus und verzichtet im Gegenzug auf die Teilnahme am Erbgang (Erbauskauf).
7 Teilungsvorschriften des Erblassers
Im Testament kann der Erblasser Zuweisungen von Objekten des Nachlasses vornehmen. Mit solchen Anordnungen kann der Erblasser Streitigkeiten vermeiden und besondere Bedürfnisse einzelner Erben absichern. Die Anordnungen sind in der Erbteilung grundsätzlich verbindlich.
8 Wertbestimmungen
Um Streitigkeiten bezüglich Übernahmewerten von wertvollen Nachlassgegenständen (Liegenschaften, Beteiligungen etc.) zu vermeiden, kann der Erblasser Anordnungen hinsichtlich Bewertung treffen. Wo der Wert eines Gegenstandes bis zum Erbgang erheblich schwanken kann (z.B. Aktien an einem nicht kotierten Unternehmen), kann es sich lohnen, zumindest die Bewertungsmethode und allenfalls die Person des Bewerters festzulegen.
9 Willensvollstrecker
Der Erblasser kann testamentarisch oder erbvertraglich einen Willensvollstrecker einsetzen. Dieser übt die Erbschaftsverwaltung aus und kann den spezifischen Anordnungen des Erblassers zum Durchbruch verhelfen. Die Ernennung eines Willensvollstreckers macht auch Sinn, wenn lediglich die gesetzlichen Teilungsregeln anzuwenden sind; er kann den Erben Vorschläge für die Erbteilung unterbreiten und zwischen den Erben als unabhängiger Dritter Streit verhindern.
10 Transparenz
Erfahrungsgemäss empfiehlt es sich, auch die testamentarischen Regelungen zu Lebzeiten möglichst transparent mit allen Erben zu besprechen (bei erbvertraglichen Regelungen sind die Erben ohnehin einbezogen). Dadurch lassen sich böse Überraschungen oder falsche Erwartungen der Erben bei der Testamentseröffnung vermeiden und oftmals auch Erbstreitigkeiten verhindern. Für diese anspruchsvolle Aufgabe empfiehlt sich der Beizug eines externen Beraters bzw. des künftigen Willensvollstreckers.