
Erbrecht neu: Unternehmenserbrecht nach der Erbrecht-Revision

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Das Unternehmenserbrecht wird in der Praxis vermutungsweise von grosser Relevanz sein. Denn oftmals möchte ein Unternehmer sein Lebenswerk einem einzigen Erben, bspw. einem seiner Kinder, zur Fortführung überlassen. Bislang kennt das Erbrecht allerdings noch keine spezifischen Unternehmenserbrechtsregeln, was zu vielen Schwierigkeiten führen kann: Wie kann der Unternehmer sicherstellen, dass dieser Generationenwechsel in seinem Sinne vonstattengeht und der Erbe das Unternehmen erhält? Wie kann er die anderen Erben abfinden? Was ist der Wert des Unternehmens? Obschon bereits die erste Etappe der Revision eine Unternehmensnachfolge positiv beeinflusst, insbesondere, da die grössere Verfügungsfreiheit des Erblassers eine einfachere Übergabe ermöglicht, soll die zweite Etappe nun spezifische Regeln aufstellen und solche Schwierigkeiten vermeiden.
Wann wurde der Gesetzesentwurf zum Erbrecht neu verabschiedet? Der Gesetzesentwurf sowie die Botschaft zur zweiten Etappe wurden im Juni 2022 verabschiedet. Das Datum des Inkrafttretens dieser zweiten Etappe ist aber noch nicht bekannt.
Die wichtigsten Änderungen werden nachfolgend dargestellt.
Recht auf Integralzuweisung (Art. 617 E-ZGB)
Unter geltendem Recht kann eine Person durch Verfügung von Todes wegen (d.h. Testament oder Erbvertrag) ihren Erben verbindliche Vorschriften über die Erbteilung machen (vgl. Art. 608 Abs. 1 und 2 ZGB). Damit ist es ihr grundsätzlich auch möglich, ihr Unternehmen als Ganzes einem ihrer Erben zuzuteilen.
Anders sieht es hingegen dann aus, wenn eine Person keine Verfügung von Todes wegen getroffen hat und ihre Erben sich später im Erbfall nicht einigen können. In diesem Fall kommen nämlich die gesetzlichen Teilungsvorschriften zur Anwendung. Das Gericht muss die Erbschaftssachen dann grundsätzlich mittels Losziehung verteilen. Unter geltendem Recht ist es allerdings nur sehr eingeschränkt möglich, ganze Unternehmen einem einzigen Erben zuzuteilen, sofern dieses Unternehmen einen überproportional grossen Anteil des Nachlasses ausmacht. Andere Erben haben nämlich bei Zuteilung einer Sache Anspruch auf Ausgleichszahlungen (zur Erstattung der Wertdifferenz, wenn sie weniger wertvolle Gegenstände erhalten). In der Lehre wird hierbei die sogenannte 10%-Regel angeführt, wonach eine integrale Zuweisung einer Erbschaftssache nur dann möglich ist, wenn die Zuweisung nicht übermässige Ausgleichszahlungen (über 10%) innerhalb der Erbengemeinschaft zur Folge hat. Diese Regel verunmöglicht die Unternehmenszuteilung als Ganzes in den meisten Fällen und kann dazu führen, dass das Unternehmen veräussert werden muss.
Um diese Problematik zu entschärfen, sieht der Entwurf der Revision Erbrecht neu als ein Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens oder aller Beteiligungen vor, wenn diese dem Erben die Kontrolle über das Unternehmen einräumt oder wenn er bereits die Kontrolle über das Unternehmen ausübt (Art. 617 Abs. 1 E-ZGB). Damit soll sichergestellt werden, dass nur eine Person (mit den entsprechenden Machtverhältnissen) das Unternehmen weiterführen kann und das Unternehmen somit nicht zerstückelt wird. Letztlich soll dies auch helfen, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Das Recht auf Integralzuweisung steht gemäss dem Entwurf im Erbrecht neu allen Erben einzeln zu. Sofern mehrere Erben eine Integralzuweisung verlangen, müsse das Gericht danach entscheiden, wer am besten geeignet erscheint (Abs. 2). Ausnahmsweise können auch mehrere Erben das Unternehmen gemeinsam weiterführen, wenn sie sich darauf einigen (Abs. 3). Hat der Erblasser hingegen selbst durch Verfügung von Todes wegen bestimmt, welcher Erbe das Unternehmen oder Beteiligungen erhalten soll, haben die anderen Erben keinen Anspruch auf Zuweisung.
Der Entwurf der Bestimmung lautet bislang wie folgt:
Umfasst die Erbschaft ein Unternehmen oder Beteiligungen an einem Unternehmen und hat der Erblasser darüber nicht verfügt, so kann jeder Erbe verlangen, dass:
1. ihm das Unternehmen oder alle Beteiligungen, welche die Kontrolle über das Unternehmen einräumen, zugewiesen werden;
2. alle Beteiligungen, welche allein nicht die Kontrolle über das Unternehmen einräumen, ihm zugewiesen werden, wenn er die Kontrolle bereits ausübt oder durch die Zuweisung erlangt.
- Verlangen mehrere Erben die Zuweisung, so sind das Unternehmen oder die Beteiligungen demjenigen von ihnen zuzuweisen, der für die Führung des Unternehmens am geeignetsten erscheint.
- Die vorgenannten Bestimmungen gelten sinngemäss, wenn Erben gemeinsam die Zuweisung verlangen.»
Der Erbe, der die Zuteilung verlangt, muss sich allerdings gemäss Entwurf z.B. nicht verpflichten, das Unternehmen für eine gewisse Zeit zu halten und/oder Arbeitsplätze zu sichern. Er muss nach der Zuteilung auch keine Funktion im Unternehmen übernehmen. Es wird sodann auch nicht verlangt, dass er besondere Fähigkeiten oder Ausbildungen hat, um eine Zuweisung nach Abs. 1 zu verlangen. Ob dies in der Praxis zu Schwierigkeiten für den Fortbestand eines Unternehmens führen könnte, bleibt abzuwarten.
Ebenfalls könnte der Begriff der «Geeignetheit» gemäss Abs. 2 im Erbrecht neu zu Rechtsunsicherheiten führen. Der Bundesrat beschreibt dieses Kriterium in der Botschaft wie folgt: «Das Kriterium der Eignung für die Führung des Unternehmens umfasst namentlich die Berufs- und Führungserfahrung im betreffenden Unternehmen, die Erfahrung im betreffenden Geschäftsbereich, die allgemeine Management- und Unternehmensführungserfahrung sowie die Berufsausbildung.» Wie das Gericht aber in einem Praxisfall entscheiden würde, in welchem keiner der Erben oder allenfalls alle Erben gleichermassen geeignet erscheinen, ist noch unklar.
Jedenfalls ist es aus Sicht des Erblassers oder der Erblasserin weiterhin wichtig und empfehlenswert, die Unternehmensnachfolge bereits zu Lebzeiten zu regeln, um die Übergabe nicht dem Gericht oder den Erben frei zu überlassen.
Keine Minderheitsanteile (Art. 618 E-ZGB)
Gegen den Willen eines Pflichtteilserben kann ihm gemäss Art. 618 E-ZGB kein Minderheitsanteil auf Anrechnung an den Pflichtteil zugewiesen werden, wenn der Nachlass ein Unternehmen oder Mehrheitsbeteiligungen umfasst. Minderheitsanteile an Unternehmen sind in der Praxis nämlich nicht leicht zu veräussern und schmälern gewissermassen den Pflichtteil. Zweck dieser Bestimmung ist es also, dass Pflichtteilsberechtigte den Wert ihres Pflichtteils in bar oder in Form «leicht verwertbarer Vermögensgegenstände» erhalten. Sofern nicht andere Erben bereits die Integralzuweisung gemäss Art. 617 E-ZGB verlangen, kann ein Pflichtteilserbe gemäss Art. 618 E-ZGB vom Gericht die Veräusserung des Unternehmens begehren.
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