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Lebzeitige Zuwendung: Definition, Anwendungsbereich und Rechtsfolgen

Als sogenannte lebzeitige Zuwendungen gelten unentgeltliche Vermögensübertragungen. Sie bewirken einen Vermögensvorteil bei ihrem Empfänger. Der Erblasser muss sich zudem der (teilweisen) Unentgeltlichkeit bewusst sein (Schenkungswille; animus donandi). Solche Zuwendungen haben definitionsgemäss unter Lebenden zu erfolgen, d.h. bereits zu Lebzeiten des Erblassers.

21.11.2023 Von: Werner Jahnel, Kinga M. Weiss
Lebzeitige Zuwendung

Definition

Grundsätzlich kann der Erblasser zu Lebzeiten frei über sein eigenes Vermögen verfügen. Es besteht kein Anspruch der Erben auf ein Erbe in einem gewissen Umfang. Der Erblasser ist mitunter befugt, beliebig unentgeltliche Zuwendungen zu Lebzeiten vorzunehmen (vgl. Art. 494 Abs. 2 ZGB). Dennoch können lebzeitige Zuwendungen erbrechtlich relevant sein, nämlich, wenn sie zur Ausgleichung oder Herabsetzung führen.

Anwendungsbereich

Als unentgeltlich gilt eine lebzeitige Zuwendung, sofern keine oder nur eine Gegenleistung von merklich geringerem Wert erbracht wurde, sodass ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung resultiert. Erfasst sind somit nicht nur vollkommen unentgeltliche Zuwendungen, sondern auch Zuwendungen, bei denen ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Ein solches liegt beispielsweise vor, wenn für ein Grundstück mit einem Verkehrswert von CHF 1'500'000.– lediglich CHF 300'000.– bezahlt wurden. Diese sogenannten gemischten Schenkungen können ebenfalls der Herabsetzung oder der Ausgleichung unterliegen, jedoch nur für den unentgeltlichen Teil und den darauf entfallenen Wertzuwachs der Schenkung.

Der Umfang der Zuwendung muss zudem ein gewisses Mass erreichen. So gilt beispielsweise ein Geburtstagsgeschenk in Höhe von CHF 200.– aufgrund seiner überschaubaren Grösse kaum als ausgleichungs- oder herabsetzungspflichtige lebzeitige Zuwendung. Ab welcher Grösse eine Zuwendung ausgleichungspflichtig ist oder zur Herabsetzung gebracht wird, bestimmt sich aber jeweils nach den finanziellen und persönlichen Verhältnissen des Erblassers.

Die typischste unentgeltliche lebzeitige Zuwendung ist die (gemischte) Schenkung (Art. 239 ff. OR). Ebenfalls unentgeltlich können namentlich der Schulderlass, die Abtretung von Forderungen oder das unentgeltliche Überlassen einer Wohnung sein. In der Praxis häufig ist auch der Erbvorbezug. Es handelt sich dabei um eine unentgeltliche lebzeitige Zuwendung (beispielsweise um eine Schenkung), die aber i.d.R. ausdrücklich der Ausgleichung unterstellt ist. Der Erblasser antizipiert somit seine zukünftige Erbfolge. Die Bezeichnung des Erbvorbezugs ist in der Praxis nicht einheitlich. So wird auch von «Erbvorausbezug», «Erbvorempfang» oder «Zuwendung aufs Erbe» gesprochen. 

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen einer lebzeitigen Zuwendung können die Herabsetzung oder die Ausgleichung sein. Die Herabsetzung ist subsidiär zur Ausgleichung, sodass sie nur zur Anwendung gelangt, wenn keine Ausgleichungspflicht besteht. Ausgleichung bedeutet, dass sich der Empfänger einer lebzeitigen Zuwendung diese im Erbfall des Zuwendungsgebers an den Erbteil anrechnen lassen muss und somit vom Nachlass entsprechend weniger erhält. Eine Ausgleichungspflicht kann vom Erblasser angeordnet werden oder kommt im Fall von Nachkommen teilweise von Gesetzes wegen zur Anwendung, wenn der Erblasser diese nicht explizit ausgeschlossen hat. Die Ausgleichung findet statt, indem die ausgleichungspflichtige Person den Gegenstand in natura einwirft (sog. Realkollation) oder den Wert den anderen Erben zurückerstattet (sog. Idealkollation).

Die Herabsetzung bedeutet demgegenüber die Minderung des empfangenen Werts zur Wiederherstellung von verletzten Pflichtteilen. Das heisst, dass der Empfänger das Erhaltene ganz oder teilweise wieder rückerstatten muss, bis der entsprechende Pflichtteil wiederhergestellt ist. Der Umfang der Rückerstattung ist dabei abhängig davon, ob die Zuwendungsempfängerin die Zuwendung gutgläubig erhalten hat. Ist dies der Fall, so hat sie nur eine Rückerstattung in dem Umfange zu leisten, in dem sie noch bereichert ist. War sie jedoch bösgläubig, so hat sie den vollen Wert der Zuwendung zu ersetzen.

Eine Besonderheit besteht zudem in güterrechtlicher Hinsicht bei unentgeltlichen lebzeitigen Zuwendungen, welche ein Ehegatte während der letzten fünf Jahre vor Auflösung des Güterstands ohne Zustimmung des anderen Ehegatten aus seiner Errungenschaft gemacht hat (Art. 208 ZGB). Von Gesetzes wegen sind diese – mit Ausnahme von üblichen Gelegenheitsgeschenken – der Errungenschaft hinzuzurechnen. Im Anschluss an die güterrechtliche Auseinandersetzung hat die Zuwendung damit auch Auswirkungen auf den Nachlass, welcher sich dadurch proportional erhöht.

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