Zolltarifnummer: Eine internationale Codierung für verschiedene Zwecke

Personen haben Namen, um sie identifizieren zu können. Produkte haben hingegen zugeordnete Nummern für den länderübergreifenden Güterverkehr zur Zuordnung insbesondere durch die Zollbehörden. Weltweit werden Waren im Handelsverkehr mittels einer bestimmten Codierung bezeichnet, um im internationalen Warenaustausch über vergleichbare Daten zu verfügen und auch die Deklarationen und Durchsetzung von sonstigen Bestimmungen durch die jeweiligen Zollbehörden vornehmen zu können. Warum diese Einreihung bzw. Tarifierung sowohl für die Unternehmen als auch für die Behörden wichtig ist, soll der nachfolgende Beitrag aufzeigen.

15.09.2025 Von: Christoph M. Meier
Zolltarifnummer

Grundlage der Zolltarifnummer

Basis der internationalen Codierung von Waren ist das Übereinkommen über das Harmonisierte System (kurz «HS»), welches Ende der 1980er Jahre unter der Schirmherrschaft der Weltzollorganisation (WZO; amtlich: Organisation Mondiale des Douanes (OMD) oder World Customs Organization (WCO)) erarbeitet wurde und derzeit von 186 Vertragsparteien in mehr als 200 Ländern und Zollgebieten zur Anwendung gelangt. Somit sind ca. 98% des Welthandels von dieser Systematik erfasst.

Jeder Ware ist in einem systematisch aufgebauten Warenverzeichnis, der sogenannten HS Nomenklatur, eine bestimmte 6-stellige Nummer zugeordnet. Die derzeitige HS Nomenklatur umfasst 21 Abschnitte und 97 Kapitel. Auf dieser HS Nomenklatur sind dann die jeweiligen nationalen Zolltarife der Länder aufgebaut. Auf internationaler Ebene wird die HS Nomenklatur in regelmässigen Abständen von fünf Jahren revidiert und angepasst, damit sie mit den sich ständig ändernden Bedingungen des internationalen Handels und den technischen Entwicklungen der modernen Warenstrukturen Schritt halten kann. Die jüngste 6. Revision mit einer Vielzahl von Änderungen und neuen Tarifnummern ist am 1.1.2022 in Kraft getreten (HS 2022).

Die Mitglieder der WZO müssen die HS Nomenklatur und auch die periodischen Änderungen in die Gesetzgebung ihres eigenen Gebietes übernehmen. In der Schweiz ist dies der Gebrauchszolltarif «Tares» mit seinen 8-stelligen schweizerischen Zolltarifnummern (ZTN). Zur 6-stelligen weltweit gültigen und harmonisierten HS-Nummer wurden noch zwei weitere Stellen hinzugefügt, um die nationalen Bedürfnisse und teilweise auch die Wünsche der Wirtschaft abzudecken. Der schweizerische Zolltarif ist elektronisch verfügbar (unter www.tares.ch) und enthält über 8600 verschiedene Zolltarifnummern.

Hinweis
Trotz fester Regeln sowie einer logischen Struktur des Zolltarifs stellt die Thematik «Einreihung von Waren» oder «Warentarifierung» in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit höchste Anforderungen an aussenhandelsorientierte Unternehmen. Die korrekte Warentarifierung wird häufig unterschätzt, nicht ausreichend beachtet, und oft kommt es zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung der richtigen Tarifnummer. Umfrageberichte zeigen durchschnittliche Fehlerquoten bei Unternehmen von 30 bis 40 Prozent.

International bis zu 11-stellige Codenummern

Die EU kennt hingegen eine 11-stellige Codenummer, die ebenfalls auf dem 6-stelligen HS beruht und für die Kombinierte Nomenklatur (KN) um die zwei Stellen 7 und 8 erweitert wurde. Die neunte und die zehnte Stelle für den sogenannten TARIC (integrierter Tarif der Europäischen Gemeinschaft) verschlüsseln gemeinschaftliche Massnahmen, und die elfte Stelle wird für nationale Zwecke der einzelnen Mitgliedsstaaten verwendet (z.B. Umsatzsteuersätze). Die EU verfügt somit über rund 16 000 Zolltarifnummern.

Ein Blick nach Südostasien gibt uns ein anderes Bild. Die ASEAN Länder (Verband Südostasiatischer Nationen) haben 2003 die harmonisierte ASEAN Tarifnomenklatur (sog. AHTN) ins Leben gerufen. Diese ist 8-stellig, gilt aber nur für den intra-ASEAN Handel. Unternehmen, welche somit innerhalb, aber auch ausserhalb der ASEAN Zone tätig sind, müssen sich dieser Doppelsystematik bewusst sein.

Vorsicht ist geboten, da gewisse Länder in Südostasien ihre AHTN Version noch auf ältere HS Versionen abstützen, was zu Unstimmigkeiten bei Ein-oder Ausfuhren von Waren führen kann. Um es noch komplizierter zu machen, hat beispielsweis Malaysia neben dem AHTN noch eine zusätzliche interne Tarifnomenklatur (sog. PDK), welche nationale Spezialitäten einschliesst. Im Ursprungszertifikat innerhalb der ASEAN Freihandelsabkommen wird explizit die Erwähnung der AHTN Zolltarifnummer des Einfuhrlandes verlangt, was ebenfalls immer wieder zu Diskussionen mit den Zollbehörden führt.

International vergleichbar sind somit nur die ersten 6 Stellen der Zolltarifnummer. Die unterschiedlichen nationalen Implementierungen des HS im Ausland zeigen auf, dass Unternehmen, welche aus der Schweiz Produkte vertreiben, sich auch den im Ausland angewandten Regeln zu fügen haben. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Einfuhrland auf einer anderen Zolltarifnummer eines Produktes besteht, da oftmals auch ein Interpretationsspielraum vorhanden ist. Dies fordert geschicktes Verhandlungsvermögen der Unternehmen sowie eine robuste Argumentation der eigenen Produktetarifierung, um die eigene Position durchsetzen zu können.Theoretisch wären die ersten 6 Stellen der Zolltarifnummer weltweit identisch. Praktisch kann es schon hier zu Diskrepanzen kommen.

Hinweis
«Passar» ist der Name des neuen Verzollungssystems bzw. Warenverkehrssystem des Schweizer Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit
(BAZG), das im Rahmen des Transformationsprojekts DaziT die bestehenden Warenverkehrssysteme
NCTS (Transit und Ausfuhr) und e-dec (Import/Export) ab Mitte 2023 schrittweise ablöst. Mittels Passar will das BAZG die Digitalisierung im gewichtigen Handelswarenverkehr vorantreiben.
Damit ist dieses Vorhaben für die Behörde eines der wichtigsten Teilprojekte und ein Schlüsselelement
des im Gang befindlichen Umbaus der Zollbehörde. Weitere Informationen finden Sie hier: https://finesolutions.ch/zollthemen/import-export/passar/ sowie hier: https://www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/services/services-firmen/services-firmen_einfuhr-ausfuhr-durchfuhr/passar.html 

Bedeutung von Zolltarifnummern

Zolltarifnummern (ZTN), oder HS Codes oder Commodity Codes, wie sie international auch genannt werden, bilden die Basis für eine reibungslose und einheitliche Zollabfertigung sowie für die Erhebung von Verbrauchssteuern (MWST bzw. Einfuhr[-Umsatz-]Steuern) , Zöllen sowie weiterer Abgaben (beachte insbesondere die rasch und stark wachsenden Lenkungsabgaben im Umweltbereich wie in der Schweiz CO2-Abgaben, VOC-Abgaben und dergleichen mehr) in den verschiedenen Ländern. Daneben dienen ZTN aber auch noch diversen weiteren Zwecken, beispielsweise:

  • Erfassung wirtschaftsbezogener statistischer Daten (Aussenhandelsstatistik);
  • Bewirtschaftung von Einfuhr- oder Ausfuhrbewilligungen, Verboten, Beschränkungen, Kontingenten, Antidumpingmassnahmen usw.;
  • Als Basis für präferenzielle Ursprungsregeln im Rahmen von Freihandelsabkommen (Listenregeln) und teilweise auch für nicht-präferenzielle Ursprungsregeln.

Dabei gibt es zahlreiche Zollvorteile, die nicht nur dem eigenen Unternehmen nützen, sondern auch für Kunden wichtig sind und somit die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Ebenfalls eine wichtige Aufgabe ist die Durchführung und Beachtung der Präferenzkalkulation im Bereich Warenursprung und Freihandelsabkommen. Insbesondere dieser Bereich bietet den Unternehmen finanzielle Optimierungsmöglichkeiten und Kundenzufriedenheit, birgt jedoch auch ein hohes Risikopotenzial im Falle von Arbeitsfehlern.

Nachfolgend einige Gründe, die Zolltarifnummern für das eigene Warensortiment (Fertigwaren wie auch Komponenten/Rohstoffe) regelmässig zu überprüfen:

  • Weniger Beanstandungen und Rückfragen bei der Zollabwicklung im Import und Export;
  • Mehr Sicherheit bei Zollprüfungen; falsche Tarifnummern können zu höheren Zollabgaben, zu höheren Einfuhrumsatzsteuern (Beispiel: Fälschlicherweise Klassifizierung einer Trinkflasche als Getränk; welche dann bei der Einfuhr nicht dem reduzierten MWST-Satz von aktuell 2.6%, sondern dem MWST-Normalsatz von aktuell 8.1% unterliegt) und somit zu empfindlichen Nachforderungen führen (in der Schweiz beispielsweise rückwirkend bis 5 Jahre);
  • Transparenz und Sicherheit bei der Produktekalkulation durch Berücksichtigung der Zollkosten;
  • Korrekte zollrelevante Stammdaten als Basis für die richtige Ursprungsberechnung und Anwendung der verschiedenen Freihandelsabkommen.
  • Neben korrekten ZTN sind auch korrekte Bemessungsgrundlagen, also (Zoll-)Werte bedeutend. Zölle werden international auf dem Zollwert erhoben, in der Schweiz jedoch auf dem Gewicht. Letzteres ist objektiv einfacher bestimmbar und es besteht kaum Spielraum für Interpretationen und Diskussionen mit Behörden. Einfuhrumsatzsteuern werden immer auf dem Wert der einzuführenden Waren bemessen. In der Regel muss dieser einem objektiven Marktwert entsprechen bzw. einem Drittpreisvergleich Stand halten.

Abbildung: Zolltarifnummern

Praxistipp
Es ist daher wichtig, rechtzeitig in einer Produkteentwicklung auch die ZTN des Produktes festzulegen und diese ZTN in den Artikelstammdaten zu erfassen. ZTN sollen regelmässig von einer fachkundigen Person im Unternehmen überprüft werden. In Industrien, wo Zolltarife hoch oder komplex sind, ist ein Handbuch mit produktespezifischem und technischem Argumentarium zu empfehlen, um bei Diskussionen mit Zollbehörden professionell vorbereitet zu sein. Dies kann nämlich auch Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben.

Systematik der Zolltarifeinreihung

Der Aufbau des Zolltarifs gliedert sich wie folgt (am Beispiel eines Damenmantels dargestellt):

  • Abschnitte (z.B. Spinnstoffe – Abschnitt XI)
  • Kapitel (z.B. Bekleidung aus Geweben – Kapitel 62)
  • Positionen (z.B. Mäntel für Damen – Position 6202)
  • Unterpositionen (z.B. Mäntel für Damen aus Wolle – Unterposition 6202 20)
  • Warennummer/Zolltarifnummer (z.B. Mäntel für Damen aus Wolle – schweizerische Zolltarifnummer 6202.2000)

Die sachliche Gliederung des Zolltarifs basiert auf dem sogenannten Produktionsprinzip, welches den Weg einer Ware vom «Rohprodukt» über das «Halberzeugnis» bis hin zur «Fertigware» wiedergibt. Dabei steht bei der Einreihung von Rohstoffen oder Halberzeugnissen eher das Ausgangsmaterial oder die stoffliche Zusammensetzung im Vordergrund, während bei einer mehrmaligen Bearbeitung einer Ware zunehmend ihr Verwendungszweck an Bedeutung gewinnt. Viele Waren können jedoch nur eingereiht werden, wenn sowohl die stoffliche Beschaffenheit als auch der Verwendungszweck einer Ware berücksichtigt werden.

Massgebend für die Tarifierung sind jeweils der Wortlaut der Tarifnummer sowie die Anmerkungen zu Abschnitten und Kapiteln. Die wichtigsten internationalen Regeln für die einheitliche Einreihung von Waren in den Zolltarif sind die Allgemeinen Vorschriften zur Auslegung des Harmonisierten Systems (AV). Sie regeln beispielsweise, wie bei unvollständigen bzw. unfertigen Waren oder Warenzusammenstellungen (Sets) zu verfahren ist. Diese Auslegungsmethoden werden im Streitfall von Gerichten angewandt, was zeigt, dass die Tarifierung ein in sich geschlossenes System ist und strikten Regeln unterliegt.

Zolltarifanfragen

Ist man trotz dem vorstehend Erwähnten unsicher, unter welcher ZTN ein Produkt korrekterweise einzureihen ist, ist sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland im konkreten Einzelfall eine spezifische und verbindliche Anfrage bei den jeweils zuständigen Behörden möglich.

In der Schweiz ist das BAZG dafür zuständig. Um eine ZTN in der Schweiz anzufragen, soll zuerst das elektronische Zolltarifsystem Tares auf der Website des BAZG verwendet werden. Wenn sich dort keine sicher passende Nummer finden lässt oder eine verbindliche Auskunft benötigt wird, ist der Fragebogen "Tarifanfrage" des BAZG auszufüllen und zusammen mit allen erforderlichen Unterlagen per E-Mail an tarifauskunft@bazg.admin.ch zu senden. Siehe dazu auch die folgende Seite des BAZG: https://www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/services/services-firmen/services-firmen_einfuhr-ausfuhr-durchfuhr/zolltarif-tares/zolltarifauskuenfte.html

Im Ausland sind in der Regel ebenfalls bei den jeweils zuständigen Behörden verbindliche Anfragen bei den jeweiligen Behörden nach deren Vorgaben möglich.

In der Praxis ist es nicht vermeidbar, dass unterschiedliche Behörden gleiche Produkte unterschiedlich klassifizieren bzw. einem gleichen Produkt unterschiedliche ZTN zuweisen. Behörden sind nicht an Auskünfte von Behörden aus anderen Staaten gebunden. Dennoch können bereits vorliegende Auskünfte von Behörden anderer Staaten zumindest als Hinweis bzw. Argument verwendet werden.

Zum Schluss noch dies – zum Schmunzeln

Wenn Sie es bis hierhin geschafft haben, werden Sie mit einer amüsanten Anekdote belohnt, die die Einreihung eins Produkts, nämlich Bündnerfleisch, in das System der Zolltarifnummerierung illustriert: Im 2010 durfte der damalige Bundesrat Merz dem Parlament eine entsprechende Antwort, vorbereitet durch die Eidgenössische Zollverwaltung (damaliger Name des heutigen BAZG), vortragen. Die Antwort war inhaltlich korrekt, aber dermassen in «Beamtendeutsch» verfasst und komplex, dass sich Bundesrat Merz im Laufe seiner Rede einen Lachanfall überhaupt nicht mehr verkneifen konnte, der selbst international Beachtung und Sympathie fand. Die Ausführungen von Bundesrat Merz illustrieren treffend die Komplexität, um die es auch im vorliegenden Artikel geht. Das entsprechende und immer noch empfehlenswerte Video dazu ist immer noch verfügbar, siehe beispielsweise https://www.youtube.com/watch?v=cErlcvfjyZU .

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