Gewinnplanung: Retrograde Zielgewinnplanung für KMU

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Einleitung
Die retrograde Zielgewinnplanung lässt sich im Budgetierungsprozess durch einen Reverse-Engineering-Ansatz einsetzen und so Stakeholder-Interessen mit operativer Umsetzung verbinden. Dabei arbeitet sich das Modell vom gewünschten Zielgewinn schrittweise rückwärts durch die Erfolgsrechnung bis zum erforderlichen Umsatz vor.
Im vorliegenden Beitrag wird ein Konzept zur praktischen Umsetzung der Gewinnplanung vorgestellt, die als rückwärtsgerichtete Unternehmensplanung dem Management dient.
Vorgehensweise
Die Entwicklung eines Zielgewinnkonzepts für ein KMU erfordert eine systematische Vorgehensweise, die als sogenannter Reverse-Engineering-Ansatz entlang der folgenden sechs Schritte umgesetzt werden kann:
Die retrograde Gewinnplanung im Budgetierungsprozess lässt sich durch einen sechsstufigen Reverse-Engineering-Ansatz umsetzen, der Stakeholder-Interessen mit operativer Umsetzung verbindet:
1. Stufe: Stakeholder-Anspruchsanalyse
In einem ersten Schritt sind die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen zu ermitteln und zu priorisieren. Während Eigentümer (Shareholder) ihren Anspruch regelmässig als Eigenkapitalrendite zum Ausdruck bringen, wird von Fremdkapitalgebern eine Zinsdeckung gefordert, die deren Gegenparteirisiko abdeckt. Mitarbeitende dagegen beanspruchen eine Partizipation am Unternehmenserfolg in Form von Lohnsteigerungen. Schliesslich beansprucht der Fiskus eine leistungsgerechte Gewinnbesteuerung.
Anspruchsgruppen | Minimalrendite | Bezugszeitraum |
---|---|---|
Eigentümer | 8–12% Eigenkapitalrendite | 3–5 Jahre |
Banken | 1,5–2 × Zinsdeckung | Jahresbudget |
Mitarbeitende | 5–7% Lohnwachstum | Jahresbudget |
Fiskus (Staat) | 15–18% Steuerbasis | Jahresbudget |
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Grundsätzlich stellt die Identifizierung der Anspruchsgruppen eines Unternehmens einen wichtigen ersten Vorgehensschritt dar, bei der sowohl interne als auch externe Stakeholder berücksichtigt werden.
Methodische Ansätze hierzu sind z.B.:
Stakeholder-Interviews:
Direkte Gespräche mit Stakeholdern liefern tiefe Einblicke in ihre Erwartungen, Bedürfnisse und Bedenken. Diese Methode ermöglicht es, qualitative Daten zu sammeln und die Perspektiven der Stakeholder detailliert zu verstehen.
Umfragen und Fragebögen:
Quantitative Methoden wie Umfragen helfen, die Meinungen, Zufriedenheit und Erwartungen einer breiteren Gruppe von Stakeholdern zu erfassen. Sie eignen sich besonders für die Analyse von Kunden oder Mitarbeitenden.
2. Stufe: Zielgewinnsynthese
In einer zweiten Stufe erfolgt dann die Konsolidierung der Einzelansprüche zum minimalen Gesamtgewinn mittels der folgenden Formel:
Beispielrechnung:
Eigenkapital: CHF 2 Mio. →8% EK-Rendite = CHF 160 000.–
Lohnsumme (CHF 1,5 Mio.) → 7% Lohnwachstum = CHF 105 000.–
Zinslast (CHF 50 000.–) → Zinsendeckungsfaktor 2 × = CHF 100 000.–
Steuervorgabe → 15% Gewinnsteuersatz = CHF 176 470.–
3. Stufe: Retrograde Umsatz-Kosten-Kalkulation
Berechnungsweg:
Zielgewinn nach Steuerabzug = CHF 13 000.–
Steuersatz = 15% = 0,15
Daraus folgt ein Zielgewinn vor Steuerabzug = Zielgewinn / (1 – Steuersatz)
Zielgewinn = CHF 152 941.–
Unter der Annahme, dass die Betriebskosten 65% vom Umsatz ausmachen, ergibt sich folgender Umsatzbedarf bzw. Zielumsatz:
Zielumsatz = (Zielgewinn vor Steuer + fixe Gemeinkosten) / (1 – 0,65)
Bei Fixe Gemeinkosten von CHF 200 000.– ergibt sich folglich ein Betrag von CHF 1 '008 117.– als Umsatzbedarf.
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4. Stufe: Kostenbudgetierung mit Target Costing
Zuordnung der Kostenvorgaben (in Anlehnung an die Produktionserfolgsrechnung im OR):
ER-Posten | Maximalbudget (CHF) | Steuerungshebel |
---|---|---|
Materialaufwand | 350 000.– | Einkaufsbündelung, Lageroptimierung |
Personalaufwand | 280 000.– | Flexibilisierung Arbeitszeitmodelle |
Abschreibungen | 45 '000.– | Investitionsplanung |
Finanzaufwand | 22 000.– | Zinshedging |
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5. Stufe: Dynamische Pufferbildung
Eine Pufferbildung zur Bildung von Risikoreserven ist anzuraten und sollte Risiken abdecken, wie:
- CHF-Aufwertung
- Exportabhängigkeit
- Lieferkettenstörungen
- Globalisierung und
- potenzielle regulatorische Änderungen
6. Stufe: Kommunikationscontrolling
Wünschenswert ist aus Sicht des Kommunikationscontrollings ein Echtzeit-Reporting mit den folgenden Stakeholder-spezifischen KPIs:
- Eigentümer: EBIT-Marge vs. Branchenmedian
- Mitarbeitende: Lohnquote/Umsatz
- Gläubiger: Cashflow/Deckungsgrad
- Staat: Vorauszahlungsentwicklung
Wichtige Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung
Die retrograde Gewinnplanung ist eine effektive Methode, um vom gewünschten Zielgewinn rückwärts auf die notwendigen Umsätze und Kosten zu schließen.
Dabei gilt es, möglichst Tools wie Cloud-ERP-Systeme (z.B. Abacus, Bexio) für die automatisierte retrograde Kalkulation und das Monitoring von Zielabweichungen zu nutzen.
Auch ist die retrograde Planung mit Target Costing anzuraten, um eine effiziente Kostensteuerung zu erreichen.
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Umsetzung gelten:
1. klare Zieldefinition
- Definiere den Zielgewinn präzise, basierend auf Stakeholder-Ansprüchen (z.B. Eigenkapitalrendite, Steuerbasis) und strategischen Zielen.
- Nutze SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, erreichbar, relevant, terminiert) für die Zielformulierung.
2. datenbasierte Rückrechnung
- Analysiere historische Finanzdaten (Umsatz, Kosten, Gewinn) als Grundlage für die retrograde Kalkulation 13.
- Berücksichtige externe Faktoren wie Marktpreise, Wettbewerb und Wechselkursrisiken.
3. Kostenoptimierung mit Target Costing
Leite Zielkosten ab aus der Gleichung:
Zielkosten = Marktpreis – Zielgewinn
und verteile sie auf Kostenstellen (Material, Personal, Overhead).
- Identifiziere Kostentreiber und implementiere Effizienzmaßnahmen (z.B. Digitalisierung, Prozessoptimierung).
4. dynamische Anpassung
- Führe regelmäßige Soll-Ist-Vergleiche durch und passe die Planung bei Abweichungen an.
- Integriere Risikopuffer (z.B. 5–10% für CHF-Aufwertung, Lieferkettenstörungen).
5. Stakeholder-Einbindung
- Kommuniziere die Ziele und Maßnahmen transparent an alle Beteiligten (Eigentümer, Mitarbeitende, Gläubiger).
- Nutze Workshops und Feedbackschleifen, um Interessenkonflikte frühzeitig zu erkennen.
Dagegen haben sich die folgenden Risikofaktoren als problematisch erwiesen und sind daher unbedingt zu vermeiden:
6. unrealistische Ziele
- Setze Ziele, die nicht mit den verfügbaren Ressourcen oder Marktbedingungen vereinbar sind.
- Ignoriere historische Daten oder Branchenbenchmarks bei der Zielformulierung.
7. starre Planung
- Verharre an einer statischen Planung ohne Berücksichtigung von Marktveränderungen oder Risiken.
- Vernachlässige die regelmässige Überprüfung und Anpassung der Planungsannahmen.
8. mangelnde Transparenz
- Arbeite ohne klare Kommunikation der Ziele und Verantwortlichkeiten an Stakeholder.
- Unterschätze die Bedeutung von Teamworkshops und Feedbackschleifen.
9. übermässige Komplexität
- Überlade die Planung mit unnötigen Details oder zu vielen Variablen.
- Verliere dich in der Analyse von historischen Daten, ohne klare Handlungsempfehlungen abzuleiten.
10. fehlende Risikobewertung
- Ignoriere Risiken wie CHF-Aufwertung, Lieferkettenstörungen oder regulatorische Änderungen.
- Plane ohne ausreichende Puffer für unvorhergesehene Ereignisse.
Fazit
Die retrograde Gewinnplanung erfordert daher eine klare Zieldefinition, datenbasierte Rückrechnung und kontinuierliche Anpassung. Im Umkehrschluss gilt es, unrealistische Ziele, mangelnde Transparenz und fehlende Risikobewertung unbedingt zu vermeiden, um den Erfolg der Planung sicherzustellen.
Quellen und Literaturhinweise
Accounting Insights: Achieving Target Profit: Strategies and Analysis Techniques – Accounting Insights
Faster Capital: Target profit: How to set your target profit and how to achieve it – FasterCapital
KPMG: Planning, Budgeting and Forecasting, Planning, Budgeting and Forecasting: an eye on the future
Schweizerische Eidgenossenschaft: Switzerland SME Support, KMU-Förderung-Schweiz_EN.pdf
Schweizerische Eidgenossenschaft: Business Plan – Schlüssel zum Erfolg, Businessplan