Formelle MWST-Anforderungen: Aufgepasst in Deutschland und der EU

Unternehmer in der Schweiz sehen sich im Bereich der Mehrwertsteuer meist einer pragmatischen Steuerverwaltung gegenüber, die ihr Handeln eher an Sinn und Zweck einer Regelung orientiert als an rein formalistischen Vorgaben. Drei jüngere Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung zeigen, dass die Unternehmer regelmässig auf weniger Verständnis bei formellen Fehlern hoffen dürfen, sobald sie sich (mehrwertsteuerlich) im EU-Raum bewegen. Deutschland bietet sich als starker Handelspartner für Schweizer Firmen als Beispiel an. Dabei sind insbesondere die Länder im Osten und Süden der EU keineswegs weniger streng als der unmittelbare Nachbar im Norden. Die Konsequenzen können angesichts eines durchschnittlichen Steuersatzes im EU-Raum von über 20% gravierend sein. In diesem Beitrag geht es um die formelle MWST-Anforderungen in Deutschland und der EU.

11.08.2025 Von: Christoph Drexl
Formelle MWST-Anforderungen

Mehrwertsteuerlich «richtige» Rechnungen, E-Rechnungspflicht ab 2025 und Recht auf Vorsteuerabzug

In dem ersten hier beispielhaft vorgestellten Fall (Bundesfinanzhof, Urteil vom 7.7.2022, V R 33/20) ging es um die Frage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Dabei ist zu beachten, dass nach den europarechtlichen Vorgaben das Recht zum Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und in Höhe der geschuldeten Steuer entsteht – dass die Steuer auch gezahlt wurde, ist (anders als in der Schweiz) nicht massgeblich. Für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts ist der Besitz einer ordnungsgemässen Rechnung Voraussetzung – die formellen MWST-Anforderungen sind dabei klar gesetzlich geregelt.

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung und der Rechtsprechung kann eine Rechnung nur dann rückwirkend berichtigt werden, wenn das zu berichtigende Dokument fünf wesentliche Merkmale (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) enthält. Bei Fehlen eines dieser Elemente fehlt es demnach bereits an einer Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne. Dabei war es bis anhin für die Qualifikation als Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne nicht schädlich, wenn die Merkmale inhaltlich fehlerhaft waren – doch das BFH-Urteil von 7.7.2022 bestätigt, dass bei fehlender Umsatzsteuer kein rückwirkend berichtigungsfähiges Dokument mehr vorliegt. In dem hier entschiedenen Fall kam die leistende Partei irrtümlich zu dem Schluss, die Leistungsempfängerin sei im Ausland ansässig und die Leistung unterliege in Deutschland daher nicht der Mehrwertsteuer. Entsprechend rechnete sie mit «Umsatzsteuer 0%» ab. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte sich später heraus, dass die Leistungsempfängerin in Deutschland ansässig war und mit deutscher Umsatzsteuer hätte abgerechnet werden müssen.

HINWEIS
Seit der Einführung der E-Rechnungspflicht hat auch der UStAE (Abschnitt 15.2a) klargestellt, dass eine Rückwirkung auf den Vorsteuerabzug nur dann gegeben ist, wenn die ursprüngliche Rechnung bereits alle fünf Kernmerkmale enthielt. Enthält die ursprüngliche Rechnung keine Umsatzsteuer (z. B. „0 %“ irrtümlich ausgewiesen), ist keine rückwirkende Korrektur möglich – es liegt keine „Rechnung“ im umsatzsteuerlichen Sinne vor.

Nach Ansicht des Gerichts war das Dokument aber mangels gesondert ausgewiesener Steuer so fehlerhaft, dass es keine Rechnung mehr darstellte und die Berichtigung keine Rückwirkung auf den Vorsteuerabzug hat. Die Qualifikation als steuerlich wirksame Rechnung ist also formell streng gebunden an die Vollständigkeit aller fünf Pflichtangaben.

Seit dem 1. Januar 2025 ist die elektronische Rechnung (E-Rechnung) im B2B-Bereich in Deutschland verpflichtend, sofern sowohl Leistender als auch Leistungsempfänger im Inland ansässig sind (§ 14 Abs. 2 UStG, § 27 UStG i. V. m. § 5 UStDV). Zulässige Formate sind strukturierte Datensätze gemäß EN 16931, insbesondere XRechnung und ZUGFeRD 2.x (Profil EN 16931-konform). Papierrechnungen oder PDF-Dateien gelten nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung des Empfängers als zulässig – diese Ausnahmeregelung entfällt spätestens zum 1. Januar 2028. Unternehmen müssen daher in der Lage sein, ab 2025 elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten. Alle Unternehmen müssen daher ab 2025 in der Lage sein, E-Rechnungen im korrekten Format zu empfangen.

Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung I

In einem älteren Urteil (Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen, unter denen der Nachweis gelingt, dass Waren im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung tatsächlich das Hoheitsgebiet des einen Mitgliedsstaats verlassen und in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats gelangt sind. Und wieder ging es um die Frage einer richtigen bzw. hinreichenden Ortsbestimmung.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Abnehmer dem Lieferanten bei Abholung der Ware schriftlich bestätigt: «Das Fahrzeug wird am … von mir in das Zielland Spanien verbracht.» Dies war den deutschen Finanzbehörden allerdings nicht hinreichend präzise genug, weil der konkrete (!) Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne Weiteres mit der Unternehmensanschrift des Abnehmers gleichgesetzt werden könne.

Wiederum schliesst sich der BFH der Auffassung der Verwaltung an – und versagt mithin die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung. Und wiederum betont der BFH, dass sich vorliegend die Frage nach Gutglaubensschutz nicht stellte, da es an der formellen Vollständigkeit fehle (geschützt werden könne allenfalls der gute Glaube an die inhaltliche Richtigkeit). Diese Anforderungen gelten weiterhin und wurden durch keine jüngeren Urteile gelockert.

Seit Inkrafttreten der sog. „Quick Fixes“ (2020) ist der Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen gemäß § 6a UStG und § 17a UStDV noch stärker formalisiert. Die Nachweise müssen dem Doppelbelegprinzip entsprechen, wobei insbesondere die Gelangensbestätigung oder Frachtpapiere erforderlich sind. Der BFH bleibt bei seiner Linie, dass bloße Absichtserklärungen oder Zeugenbeweise i. d. R. nicht ausreichend sind, um eine Steuerbefreiung zu begründen.

Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung II

Auch in dem letzten hier kurz vorgestellten Beispiel (BFH, Urteil vom 19.3.2015, V R 14/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen des Nachweises der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen. Und wieder fällt die Entscheidung zuungunsten der Steuerpflichtigen aus.

Streitgegenständlich war die Frage, ob dem Kläger der Nachweis gelungen war, dass alle Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorlagen. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob eine Zeugenaussage als taugliches Beweismittel geeignet sei, das Vorliegen der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen zum Zeitpunkt der Lieferung zu bestätigen. Die Vorinstanz verneinte dies und sah den Nachweis als nicht erbracht an.

Diese Ansicht teilt der BFH. Der Gesetzgeber habe festgestellt, dass der Nachweis durch entsprechende Buch- und Belegnachweise zu erbringen sei. Nur in krassen Ausnahmefällen, in denen der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden könne, gebiete es das Verhältnismässigkeitsprinzip, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen. Da ein solcher Ausnahmefall vorliegend nicht erkannt wurde, bestätigte der BFH die Versagung der Steuerbefreiung für die streitgegenständliche innergemeinschaftliche Lieferung. 

Auch hier hat sich an der strengen Auslegung bis heute nichts geändert.

Fazit zu formelle MWST-Anforderungen

Die Beispiele machen deutlich, dass die deutschen Finanzbehörden [...] hohe Anforderungen an die formelle Richtigkeit stellen. Dies gilt umso mehr seit Einführung der verpflichtenden E-Rechnung ab 2025, strengeren Anforderungen an die Rechnungsberichtigung (UStDV § 31) sowie einer zunehmenden Digitalisierung der Umsatzsteuerkontrolle (u. a. mit Einführung des bundesweiten E‑Rechnungsportals ab 2026). Unternehmer sollten daher ihre Prozesse laufend prüfen und digitalisieren, um Risiken beim Vorsteuerabzug oder bei Steuerbefreiungen zu minimieren. Die «gute» Nachricht für die Unternehmer ist, dass sie Gegenmassnahmen ergreifen können (aber auch müssen), denn die formellen Voraussetzungen sind regelmässig klar in den entsprechenden Gesetzen vorgegeben. Es empfiehlt sich daher für Unternehmer, die im EU-Raum Handel treiben und Leistungen erbringen oder beziehen, frühzeitig interne Prozesse, Kontrollen und/oder Checklisten zu etablieren, die sicherstellen, dass z. B. Eingangsrechnungen (auch) auf formelle Richtigkeit geprüft werden und bei eigenen, allenfalls steuerbefreiten Leistungen alle erforderlichen Nachweise in der vorgeschriebenen Form vorliegen. Die formellen MWST-Anforderungen sind entscheidend für den Vorsteuerabzug und müssen bei jeder Rechnungsstellung beachtet werden. 

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