Eigene Aktien: Im aktuellen Rechnungslegungsrecht nach OR

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Bis zum 31.12.2012 war alles klar
Bis zur OR-Version per 31.12.2012 bestand bei der Rechnungslegung kein Zweifel darüber, dass eine Reserve für eigene Aktien ausgewiesen werden muss. Dies unabhängig davon, ob nun die Gesellschaft selbst eigene Aktien oder ob deren Tochtergesellschaft Aktien der Mutter hielt. Wegen der Verzögerung bei der Aktienrechtsrevision und der trotzdem per 01.01.2013 in Kraft getretenen Revision des 32. Titels des OR besteht nun eine Unsicherheit, ob die Bildung dieser Reserve weiterhin wie bisher Pflicht ist.
Der Ursprung
Seit 1992 verlangt das Aktienrecht die Bildung einer Reserve für eigene Aktien, wenn eine Gesellschaft solche erwirbt. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass in einem Konzernverhältnis eine Tochtergesellschaft Aktien der Muttergesellschaft hält. In der Botschaft von 1983 wurde zu den damals neu im OR thematisierten eigenen Aktien ausgeführt, dass hierfür frei verfügbarer Bilanzgewinn oder Reserven in Höhe des Kaufbetrags vorhanden sein müssen sowie eine Reserve gebildet werden muss. Die Begründung für Letztere lautete: «[...] die Reserve für eigene Aktien ist somit gegen Ausschüttungen gesperrt. Sie wird gebildet durch Umbuchung von freien Reserven oder von Bilanzgewinn». Der Zweck der bis zum 01.01.2023 in Art. 659a und 671a aOR erwähnten Reserve für eigene Aktien war somit klar: Man muss die sonst für eine Ausschüttung zur Verfügung stehenden Eigenkapitalanteile um jenen Betrag reduzieren, den man den Aktionären beim Kauf der eigenen Aktien ausbezahlt hat. Aus der Bilanz war danach – solange man diese eigenen Aktien hält – ersichtlich, wie viel an die Aktionäre mittels Kauf von Aktien «ausgeschüttet» wurde. Je nach Höhe des Kaufpreises dieser Aktien wird mit der Zahlung an den Aktionär einerseits Aktienkapital zurückerstattet und andererseits, wenn der Preis für die Aktien über dem Nennwert liegt, auch ein Anteil aus den frei verfügbaren Reserven und/oder dem Gewinnvortrag ausbezahlt. Die Umbuchung auf ein separates Konto stellt sicher, dass nur die für eine zukünftige Ausschüttung verfügbaren Mittel als solche auf dem Gewinnvortrag oder den für Ausschüttungen verfügbaren Reserven ausgewiesen werden.
Das Rechnungslegungsrecht ab 01.01.2013
Seit dem 1.1.2013 verlangt Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 Bst. e OR den Ausweis der eigenen Aktien als Minusposition beim Eigenkapital. Eine Zeile «Reserve für eigene Aktien» wird in der neuen Mindestpflicht, wie das Eigenkapital dargestellt werden muss, nicht erwähnt. In verschiedenen Publikationen wird nun die Ansicht vertreten, eine Reserve für eigene Aktien sei in einem Abschluss nach neuem Recht nicht mehr auszuweisen.
Pro- und Kontra-Begründungen
Grund für die Meinung, man könne auf einen Ausweis der Reserven für eigene Aktien verzichten, könnte folgende Ausführung in der Botschaft zum neuen Rechnungslegungsrecht sein: «Neu werden die eigenen Aktien dagegen bis zu ihrer Veräusserung vom Eigenkapital abgezogen, und zwar in der Höhe ihres Anschaffungswerts (Kaufpreis). Die bisherige Reserve für eigene Aktien wird neu als Minusposten gezeigt und nicht mehr als separate Reserve.»
Die Botschaft zum neuen Aktienrecht unterliess es, hier den ursprünglich genannten Zweck dieser Buchung aufzuführen, wonach die Reserve für eigene Aktien eine Ausschüttungssperre darstellt. Zudem ist die Reserve ein Habensaldo auf dem entsprechenden Konto, das Konto der eigenen Aktien beinhaltet einen Sollsaldo, der mit Minus auf der Passivseite ausgewiesen wird. Die beiden Konti haben keine Ähnlichkeit, die darauf schliessen lässt, dass das eine das andere ersetzen könnte. Ohne die Reduktion des Bilanzgewinns oder der freien Reserven bleibt auf den entsprechenden Konti ein zu hoher Betrag, der vermeintlich ausgeschüttet werden kann.
Die Botschaft zum Aktienrecht vertrat zudem die Ansicht, dass eine Aktivierung der eigenen Aktien bisher Pflicht war. Das HWP liess jedoch bereits früher einen Abzug der eigenen Aktien beim Eigenkapital zu. Klar ist in diesen Unklarheiten einzig, dass eigene Aktien nur erworben werden können, wenn frei verwendbares Eigenkapital vorhanden ist.
Die Fassung des ab 1.1.2023 gültigen Art. 659a Abs. 4 OR lautet:«Die Gesellschaft hat in der Bilanz für die eigenen Aktien einen dem Anschaffungswert oder des Ausgabebetrags entsprechenden Betrag als Minusposten des Eigenkapitals darzustellen (Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 Bst. e).» Nur falls eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens Aktien der Muttergesellschaft hält, ist nach neuem Art. 659b OR für solche Aktien eine gesetzliche Gewinnreserve auszuweisen. Dies entspricht bis auf die Klarstellung, dass es sich um eine gesetzliche Gewinnreserve handelt, auch dem aktuellen Recht.
In verschiedenen im Verlaufe des Jahres 2013 und danach publizierten Ausführungen zu eigenen Aktien wird die Ansicht vertreten, dass mit der Begründung «lex posterior derogat legi priori» (das jüngere Gesetz hebt das ältere auf) keine Reserve für eigene Aktien zu bilden sei.
Diese Begründung blendet aus, dass seinerzeit in der Botschaft als Grund für diese Reservebuchung eine Ausschüttungssperre genannt wurde. Es ging 1983 nicht um eine Darstellungsvorschrift, wie sie nun seit dem 1.1.2013 gilt.
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