
Rechnungslegungsstandards: Überblick OR; Swiss GAAP FER & IFRS

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Für verantwortliche Verwaltungsräte in Schweizer Unternehmen stellt sich danach, welche Rechnungslegungsstandards für die Unternehmenspublizität bzw. Rechnungslegungspublizität die richtige Wahl ist. So definiert Art. 716a Abs. 1 Nr. 6 OR die Verantwortung für die Rechnungslegung als eine unübertragbare und nicht entziehbare Aufgabe des Verwaltungsrats gegenüber den Anspruchsgruppen einer Unternehmung; denn erst die Rechnungslegung führt dazu, dass die risikotragenden Eigen- und Fremdkapitalgeber mit entscheidungsnützlichen Informationen über den Zustand der Unternehmung versorgt werden und gleichzeitig die notwendige Transparenz über die Leistung der besser informierten Leitungsorgane der Unternehmung erhalten. Allerdings sind der Informationsstand und die Qualität der Information abhängig vom jeweils zur Anwendung kommenden Rechnungslegungsstandard.
Der vorliegende Beitrag gibt einen kompakten Überblick zu den wichtigsten Rechnungslegungsstandards aus Sicht einer Schweizer Organisation, wobei neben dem Schweizerischen Obligationenrecht (OR) auch die Swiss GAAP FER, die International Financial Reporting Standards (IFRS) und die International Financial Reporting Standards for Small and Medium-sized Entities (IFRS for SMEs) kurz vorgestellt werden.
Obligationenrecht
Das Obligationenrecht versteht sich nicht als reiner Rechnungslegungsstandard, sondern als Gesetz, welches den kaufmännischen Verkehr im Allgemeinen bzw. die einzelnen Vertragsverhältnisse im Besonderen regeln soll. Im Unterschied zu den Rechnungslegungsstandards, die noch vorgestellt werden, ist die Anwendung des Obligationenrechts für alle rechenschaftspflichtigen Organisationen obligatorisch, weil die Besteuerung über das Massgeblichkeitsprinzip am obligationenrechtlichen Abschluss, genauer gesagt an der obligationenrechtlichen Erfolgsrechnung, anknüpft. Als Massgeblichkeitsprinzip versteht man gemäss Art. 58 Abs. 1 lit a. DBG, dass die steuerrechtliche Gewinnermittlung sich nach der handelsrechtskonformen Erfolgsrechnung richtet, sofern keine ausdrücklichen steuerrechtlichen Korrekturvorschriften ein Abweichen vom handelsrechtlichen Gewinnausweis erlauben.
Im Vordergrund der obligationenrechtlichen Vorschriften steht der Gläubigerschutz. Deshalb sind die Bewertungen von Vermögenswerten in erster Linie nach dem Grundsatz der Vorsicht und nicht nach dem Prinzip des beizulegenden Zeitwerts («Fair Value») vorzunehmen, wie er durch die übrigen Standards der Rechnungslegung eingefordert wird. Auch aus diesem Grund zählt der Abschluss nach Schweizer Obligationenrecht nicht zu den Abschlüssen nach anerkanntem Standard.
Das Obligationenrecht vernachlässigt das Bedürfnis nach einer Darstellung bzw. Bewertung, welche dem Prinzip des «True & Fair View» bzw. «Fair Presentation» entspricht. Eine Unternehmung kann sogar, in Absprache mit der Revisionsstelle, auf Angaben im Anhang verzichten, wenn diese der Gesellschaft oder dem Konzern erhebliche Nachteile bringen könnten. Die Offenlegungspflichten im Anhang sind vergleichsweise eher zurückhaltend. Das Schweizer Obligationenrecht unterscheidet bei den Vorschriften sowohl nach der Grösse bzw. wirtschaftlichen Bedeutung als auch nach der Rechtsform.
Zudem erlaubt das OR ausdrücklich die Bildung stiller Reserven, wenn diese der Sicherung des dauernden Gedeihens der Unternehmung dienen (Art. 960e Abs. 3 Nr. 4 OR). Das Gesetz geht sogar so weit, dass getätigte Abschreibungen bzw. Wertberichtigungen nicht wieder aufgelöst werden müssen, selbst wenn die betreffende Anlage nicht mehr in den Büchern geführt wird (siehe beispielsweise Art. 960e Abs. 4 OR für den Fall nicht mehr benötigter Rückstellungen).
Das OR definiert eine Mindestgliederung für Bilanz und Erfolgsrechnung. Der Gesetzgeber lässt dem Unternehmen gemäss Art. 959b Abs. 1 OR die Wahl zwischen der Darstellung der Erfolgsrechnung nach Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahren (Produktions- oder Absatzerfolgsrechnung).
Grössere Unternehmen, die zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind, müssen gemäss Art. 961 OR zusätzlich eine Geldflussrechnung erstellen, mehr Angaben im Anhang vornehmen sowie einen Lagebericht erstellen.
Insgesamt kann durch die weitreichenden Spielräume zur Bildung stiller Reserven sowie durch die politische Einflussnahme bei der Revision des Schweizer Obligationenrechts, das eine explizite Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) aufweist, nicht von einer transparenten Berichterstattung im Sinne eines «True and Fair View» bzw. einer «Fair Presentation» gesprochen werden. Allerdings handelt es sich hierbei auch nicht um einen Standard im eigentlichen Sinne, sondern um ein Gesetz zur Rechnungslegung, dass die Mindest-Regeln zur Rechnungslegung definiert und sich eben nicht primär an den Informationsbedürfnissen von Eigen- und Fremdkapitalgebern ausrichtet.
Bei den übrigen Rechnungslegungsstandards ist das Ziel ein anderes, nämlich die möglichst transparente und umfangreiche Information der Anspruchsgruppen, wobei die Interessen der Investoren im Vordergrund stehen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass das OR auch Vorschriften zur Rechnungslegung für Kleinst- und Kleinunternehmen beinhaltet und somit auch den Ansprüchen an eine möglichst schlanke und kostengünstige Administration gerecht werden muss. Gleichzeitig kennt das Obligationenrecht auch Vorschriften zur Rechnungslegung von Konzernen und deckt somit eine grosse Bandbreite an Unternehmen ab, welche ihre Jahresrechnung nach Obligationenrecht erstellen bzw. erstellen müssen.
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