
Vorsorgeauftrag hinterlegen: Fehlende Urteilsunfähigkeit

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Wer durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit seine Urteilsfähigkeit verliert, kann wichtige persönliche, finanzielle und rechtliche Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln. Ohne vorherige Vorkehrungen übernimmt in solchen Fällen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) die Entscheidungsgewalt – oft mit weitreichenden Konsequenzen. Ein Vorsorgeauftrag stellt sicher, dass die eigenen individuelle Wünsche respektiert werden.
Im Gegensatz zu einem Testament ist der Vorsorgeauftrag auf eine Lebensphase ausgerichtet, in der durch eintretende Urteilsunfähigkeit nicht mehr selber entschieden werden kann. Er ist ein Instrument zur Selbstbestimmung, denn ist kein Vorsorgeauftrag vorhanden, überlässt man den Behörden die Handlungsmacht. Die Empfehlung lautet somit – Vorsorgeauftrag hinterlegen!
Lea Studer (35) hat sich vor einem Jahr selbstständig gemacht. Seither führt sie ihre eigene Werbeagentur mit drei Mitarbeitern. Lea ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Ihr Ehemann ist ebenfalls im Marketing tätig, jedoch als Angestellter eines internationalen Unternehmens.
An einem Freitagmorgen spaziert Lea von der Bushaltestelle zum Büro. Sie beantwortet bereits erste Kundenmails an ihrem Smartphone. Die Strasse überquert sie, ohne aufzublicken – auf eine verkehrsarme Lage hat sie bei der Bürosuche ohnehin geachtet. Doch an diesem Tag wäre ein prüfender Blick nötig gewesen, denn der Fahrer des sich nähernden Fahrzeugs rechnet nicht damit, dass Lea so plötzlich das Trottoir verlässt. Er bremst, was ihr im Nachhinein wohl das Leben rettet. Dennoch wird sie vom Auto getroffen und durch die Luft geschleudert. Der Aufprall ist hart, Lea spürt noch einen stechenden Schmerz im Kopf, danach wird es dunkel.
Verliert jemand aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Krankheit die Urteilsfähigkeit, so ist es in der Regel vorbei mit der Selbstbestimmung. Denn ohne Urteilsfähigkeit bestehen auch keine Handlungsfähigkeit und damit keine Möglichkeit, im Rechtsverkehr aufzutreten. Doch wer bezahlt in einem solchen Fall die fälligen Rechnungen oder trifft Entscheidungen über das Vermögen?
Wer schliesst Verträge ab oder regelt interne Geschäftsangelegenheiten? Wer entscheidet über notwendige medizinische Behandlungen oder über einen allfälligen Heimaufenthalt?
KESB-Kritik statt Selbstbestimmung
Eine zufriedenstellende Antwort auf alle diese Fragen gibt es erst seit Anfang 2013. Damals nämlich traten das neue Erwachsenenschutzrecht und mit ihm zwei neue Rechtsinstitute in Kraft:
- der Vorsorgeauftrag
(im Sinne einer Generalvollmacht) - die Patientenverfügung
(im Sinne einer medizinischen Spezialvollmacht)
Weitaus grössere Bekanntheit als diese zwei Instrumente hat bisher die gleichzeitig eingeführte Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) erlangt. "Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden haben die Aufgabe, den Schutz von Personen sicherzustellen, die nicht selbstständig in der Lage sind, die für sie notwendige Unterstützung einzuholen", schreibt die KESB Zürich über ihre Funktion. So beispielsweise, wenn eine erwachsene Person psychisch und/oder physisch beeinträchtigt oder schwer suchtkrank sei. "Erfährt die KESB durch die betreffende Person selbst oder durch Angehörige, Nachbarn, Arzt, Polizei oder von anderen Personen von einer Gefährdungssituation, klärt sie ab, wie geholfen werden kann", heisst es weiter. Vorerst ist es aber wichtig zu wissen, ob die Person überhaupt noch urteilsfähig ist. "Nötigenfalls setzt die KESB einen Beistand ein, wenn z.B. eine betagte Person mit ihren finanziellen Angelegenheiten überfordert ist" – oder wenn sich eine verunfallte Person im Koma befindet. Schlussendlich schreibt die KESB Zürich: "In besonderen Fällen kann die Behörde die Unterbringung einer Person in einer psychiatrischen Klinik oder in einem Heim anordnen."
In Medien und Politik ist die KESB seit ihrer Entstehung harscher Kritik ausgesetzt. Der Grundtenor: zu viel Fremdbestimmung durch eine staatliche Behörde. Einzelne Stimmen fordern gar die Abschaffung des neuen Erwachsenenschutzrechts. Dabei scheinen die erwähnten Rechtsinstitute Vorsorgeauftrag paradoxerweise völlig vergessen zu werden. Schliesslich sind es diese, welche das Selbstbestimmungsrecht fördern, individuelle Massnahmen ermöglichen und einen verbesserten Rechtsschutz liefern – also das Problem der Fremdbestimmung nichtig machen, für welches die KESB verantwortlich gemacht wird.
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