Bürokratieabbau: Hausgemachte Bürokratie ade

Passende Arbeitshilfen
Einleitung Bürokratieabbau
Neulich auf einem Event: „Unsere Leute sind bis oben zu mit Arbeit. An weitere Projekte ist grad gar nicht zu denken. Die brauchen jetzt erst mal ‘nen Puffer, um das Aufgetürmte wegzuarbeiten.“ Bitte so nicht, kann ich nur sagen, denn mit solchem Vorgehen kuriert man höchstens Symptome. Man muss schon an die Wurzel des Übels. Was es in Wirklichkeit braucht, ist ein radikaler Abbau selbsterschaffener Bürokratie.
Sprich: Alles, was eine Organisation langsam macht, muss schleunigst weg. Und alles, was sie schnell macht, muss her. Denn je schwerfälliger eine Organisation, desto anfälliger ist sie für Überholmanöver. Doch klassische Managementformationen sind die meiste Zeit damit beschäftigt, sich selbst zu organisieren. Prozessbesessenheit, Zielfetischismus und Kennzahlenmanie sind eine kolossale Verschwendung von Zeit, Geld und Talenten, die sich niemand noch länger leisten kann.
Bürokratie macht ein Unternehmen träge und dumm, weil alles einem vordefinierten Weg folgen muss und in starren Verfahrensweisen versinkt. Standards erzeugen zudem Isomorphie: Alles gleicht sich immer mehr an. Doch nur das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine Zukunft. Bei Vergleichbarem hingegen entscheidet allein der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. Und das ist der Anfang vom Ende.
Das Bürokratieabbauprogramm „Minus50“
Im Eilschritt die Zukunft erreichen bedeutet zuallererst: rigide Strukturen lockern, Altlasten entsorgen und Hürden entfernen, um flotter laufen zu können. Die Schnelligkeitslücke muss eiligst geschlossen werden. 50 Prozent weniger Bürokratie, Administration, Regelwerke, Statusberichte, Formulare und Genehmigungsverfahren sind dabei eine vernünftige Zielzahl. „Minus50“ nenne ich dieses Programm.
Hiermit sind allerdings nicht die gesetzlichen Regularien und behördlichen Vorschriften gemeint, sondern überholte interne Routinen. Ohne Strukturen geht es natürlich nicht, schon allein deshalb ist „Minus50“ vernünftig. Einleuchtende Funktionsvorgaben sichern ein qualitatives Leistungsniveau. Sie helfen, böse Fehler zu vermeiden. Solche Prozesse sind kluge Prozesse. Dumme Prozesse hingegen verplempern wertvolle Zeit.
Eine ausufernde Bürokratie sorgt zudem für gute Gründe, sich von den Kunden abzuwenden, etwa frei nach dem Motto: „Würde nicht so viel Zeit mit dem Reporting draufgehen, hätte ich mehr Zeit zum Verkaufen.“ Und jeden Freitag ist Märchenstunde: Der Wochenbericht muss geschrieben werden. „Irgendwann habe ich den einfach nicht mehr abgegeben – und niemand hat ihn vermisst“, erzählt mir ein Vertriebsmitarbeiter.
Wie man Transformation Taskforces aktiviert
Um sich per „Quick Wins“ für die Zukunft zu rüsten, werden schnell losstürmende Einsatzkräfte benötigt. Solche Sturmtrupps nenne ich Transformation Taskforces (TTs). Sie gehören zu keiner Business Unit, sondern agieren crossfunktional. Sie gehen quer durch das gesamte Unternehmen auf Entschlackungstour und interne Bürokratiemonsterjagd. Denn Bürokratie muss interdisziplinär abgebaut werden.
Entscheidend bei einem solchen Projekt:
- Die jeweilige Taskforce darf von den Abteilungs- und Bereichsleitern nicht an ihrer Arbeit gehindert werden.
- Von Widerständen, die aus allen Ecken kommen werden, darf sich die Taskforce nicht abhalten lassen.
- Die Teams sollten selbstorganisiert arbeiten, damit sie schnell Fahrt aufnehmen und entscheidungsfrei sind.
- Verzichten Sie auf aufwendige Berichtsmassnahmen und umfängliche Kontrollaktivitäten.
- Lassen Sie Experimente und Irrwege und damit auch Fehlschläge zu.
- Die unbedingte Rückendeckung der obersten Leitungsebene ist essenziell.
- Lassen Sie solche Projekte nie von einer externen Beratercrew machen.
Beim Bürokratieabbau können nicht nur die erfahrenen Mitarbeitenden helfen, sondern Neuankömmlinge, Praktikanten und vor allem auch umtriebige junge Talente. Warum? Sie haben einen unverstellten Blick und den immanenten Drang, die Dinge frischer, agiler, kollaborativer und digitaler zu machen. Je nachdem, wo sie vorher waren, sind sie mit modernen Methoden der Zusammenarbeit oft auch schon bestens vertraut.
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TTs: Einsatztrupps auf Bürokratiemonsterjagd
Ein Bürokratie-Transformationsteam kann sich um überholte Abläufe quer durch das ganze Unternehmen kümmern. Zum Beispiel so: „Bisher dauert die Abwicklung von x eine Woche. Wie schaffen wir das in einem Tag?“ Oder so: „Bisher brauchte die Dokumentation von Vorgang y zehn Seiten. Wie gelingt das in zehn Sätzen?“ So kann man Verfahren digitalisieren, Komplexität reduzieren, Tempo machen, mithilfe agiler Tools die Effizienz nachdrücklich steigern und deutlich mehr Wertschöpfung erzielen.
Sie meinen, die einzelnen Abteilungen sollen sich selbst um Effizienzzuwächse kümmern? Genau das wird nicht klappen. Ausufernde Verfahrensweisen und Vorschriftenberge sind Selbsterhaltungsmechanismen. Sie untermauern die Wichtigkeit und dienen der Bedeutungserhöhung. Durch einen Verwaltungsapparat, der letztlich vom Kunden bezahlt werden muss, und eine aufgeblähte Vorgaben- und Steuerungsadministration schaffen sich viele Bereiche überhaupt erst eine Existenzberechtigung. Das blockiert nicht nur, es verhindert auch Innovationen.
Schnell entrümpeln mit „Kill a stupid rule“
„Kill a stupid rule“ wurde ursprünglich von US-Banker Vernon Hill entwickelt. Er belohnte jeden Mitarbeitenden mit 50 Dollar, der eine bestehende Vorschrift ausmachte und abschaffen half, die daran hinderte, die Kunden der Bank glücklich zu machen.
Eine ideale „Kill a stupid rule“-Ausgangsfrage ist diese:
„Von welchen untauglichen Standards, Regeln und Verfahren und von welchem administrativen Unsinn sollten wir uns schnellstmöglich trennen?“
Bitten Sie - etwa im Rahmen eines Meetings oder Workshops - die Anwesenden, sich zu zweit zusammenzusetzen und innerhalb von zehn Minuten so viele „stupid rules“ wie nur möglich zu finden, auf Haftzettel oder Moderatorenkärtchen zu schreiben und an eine umgedrehte Pinnwand zu heften. Sie werden sich wahrscheinlich wundern, wie auf einmal die Funken sprühen und was so alles zusammenkommt.
Ist die Sammlung komplett, wird eine Priorisierung vorgenommen. Danach machen sich bereichsübergreifende Dreier-Teams an die Arbeit, um „stupid rules“ ganz zu streichen oder durch neue, agilere Vorgehensweisen zu ersetzen. Zum Start fängt man am besten dort an, wo sich schnell was bewegen lässt. Erste Erfolgserlebnisse, die im Unternehmen via Storytelling die Runde machen, machen schnell Lust auf mehr.
Möglichst viele Bürokratiemonster identifizieren um den Bürokratieabbau zu starten
Neben überflüssigem Papierkram, antiquierten Routinen, lästigen Arbeitsabläufen, unnötigen Verfahren, bremsenden Vorschriften und sonstigen Bürokratiemonstern kann man sich bei dieser Gelegenheit auch von vielen weiteren Monstern trennen:
- Schreibstil-, Textbaustein- und Floskelmonster
- Kundenverärgerungsmonster
- Meeting-, Powerpoint- und Email-Monster
Vor dem „Was brauchen wir noch?“ steht fortan immer die Frage: „Was muss weg?“ Jedes Weglassen unnötiger Bürokratie bringt hohe Kostenersparnis. Dabei wird nicht nur wertvolle Arbeitszeit eingespart, es werden auch bedeutende Mittel frei, um mit leichtem Gepäck und schnellen modernen Vorgehensweisen in die Zukunft zu starten.