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Unternehmensziele: Reduzieren Sie den Barnum-Effekt

Vage Aussagen. Generelle Formulierungen. Schon schnappt der Barnum-Effekt zu, bei dem jeder die Unternehmensziele nach seinen Vorstellungen umsetzt. Stoppen Sie dies.

13.06.2023 Von: Brigitte Miller
Unternehmensziele

Ein Zirkusdirektor liefert den Namen: Der Barnum-Effekt

Im 19. Jahrhundert gab es einen Zirkusgründer und –direktor: Phineas Taylor Barnum, der „Greatest Showman Alive“. Barnum unterhielt in seinem Zirkus ein Kuriositätenkabinett, in dem es u.a. eine Ausstellung mit ausgestopften Vögeln und Mumien gab, Zwerge und Riesen, Bauchredner, Schlangen, Hunde und Affen. Alles bewarb er mit dem Versprechen „A little something for everybody“. Und so war es auch: Jeder konnte etwas nach seinem Geschmack vorfinden, weil jeder die vage Barnum-Formulierung so interpretierte, dass sie einfach auf ihn selbst zutraf.

Der Barnum-Effekt

Begriff

Der Psychologe Paul Meehl hat diese kognitive Verzerrung im Jahr 1949 nachgewiesen und nach dem Zirkusgründer Barnum benannt. Zu diesem Phänomen hatten jedoch bereits in den 1920er und 1930er Jahre in Deutschland und Frankreich Forschungen stattgefunden, die unter der Bezeichnung „Verifikationsphänomen“ wesentliche Aspekte des Barnum-Effekts beinhalteten.

Definition

Beim Barnum-Effekt handelt es sich um eine kognitive Verzerrung. Menschen fassen dabei vage, generelle Aussage so auf, als ob diese nur für sie selbst gelten und für sie persönlich relevant wären.

Voraussetzung

Damit der Barnum-Effekt wirkt, sind drei Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Universelle Inhalte wählen
  2. Inhalte vage, schwammig und allgemeingültig formulieren
  3. Sich an eine unspezifische, breite Zielgruppe richten

Beispiele

Barnum-Aussagen haben eins gemeinsam: Sie sind allgemein gehalten. Sie betonen Aspekte, die allen Menschen, Unternehmensvisionen, Unternehmenszielen, Produkten und/oder Dienstleistungen gemein sind. Sie beinhalten Eigenschaften, die jeder gerne besitzen würde.

  • „Für den Schutz Ihrer Liebsten würden Sie alles tun.“
  • „Heute ist Ihnen der Erfolg hold.“
  • „Sie sind zielstrebig, ohne sich selbst und Ihre Mitmenschen aus den Augen zu verlieren.“
  • „Weil Sie es sich wert sind“ – L`Oréal Kampagne
  • „Gute Wachstumsperspektiven trotz starker Konkurrenz.“
  • „Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Unsere Vision.“
  • „Es bestehen Einsparpotenziale.“
  • „Unser Fokus liegt auf neuen Märkten. So sichern wir uns zukünftig wichtige Marktanteile.“

Der Barnum-Effekt im Unternehmen

Einige der obigen Beispiele zeigen es: Der Barnum-Effekt ist in jedem Unternehmen anzutreffen. Und nicht allein im Marketing und bei der Werbung, da er dort hervorragende Dienste leistet, um Kunden für Ihre Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen. Nein. Der Barnum-Effekt betrifft auch die Unternehmensvision, Unternehmenszielen, das Controlling, die Planung, das Personalmanagement, Vorgaben und Mitarbeiterführung.

Denn in all diesen Bereichen werden ja tagtäglich Aussagen formuliert und mitgeteilt. Aussagen, die oftmals alles und nichts beinhalten – beispielsweise

  • „Unser Fokus bei der Teambildung liegt auf Synergie“
  • „Wir suchen Sie: Sie sind ein Teamplayer, kreativ und packen gerne an“
  • „Unsere Kunden stehen im Mittelpunkt“
  • „Den Kunden ein besseres Leben verschaffen“
  • „Den Arbeitsprozess effektiver gestalten“
  • „Wir sind füreinander da“
  • „Innovation ist unser Ziel“

Der Barnum-Effekt schlägt zu …

Sicher fallen Ihnen weitere Beispiele ein. Und zweifelsfrei stellen Sie fest: Die Aussagen haben Sie nicht allein persönlich angesprochen. Der Inhalt hat definitiv in Ihnen auch Vorstellungen getriggert. Denn Schlagworte wie Teambildung, Synergie, Innovation rufen eben Assoziationen hervor. Sie verbinden etwas mit diesen Worten.

Wunderbar. Aber leider ist dies auch die Crux. Denn so wie bei Ihnen triggern die Aussagen auch bei Ihren Mitarbeiter, Kollegen, Geschäftspartner und Kunden ganz persönliche Vorstellungen. So ist dies eben mit dem Barnum-Effekt.

Beispiel und Übung: Der Barnum-Effekt schlägt zu

Aussage: Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Unsere Vision

Lassen Sie die Aussage auf sich wirken. Sensibilisieren Sie sich für Ihre Reaktion, die diese Aussage in Ihnen auslöst. Achten Sie auf Ihre Gedanken und Gefühle. Listen Sie alles auf, was Ihnen zu dieser Aussage einfällt: Erste Ideen, was Sie unter Nachhaltigkeit für sich selbst, das Unternehmen, für Ihre Arbeit, für Ihre Mitarbeiter usw. verstehen und all Ihre Fragen, die sich daraus ergeben. Konkretisieren Sie,

  • was diese Aussage für Ihre Führungsaufgaben oder für Ihre Aufgaben als Mitarbeiter bedeuten könn(t)en,
  • welche Entscheidungen Sie deshalb treffen werden,
  • was Sie tun und unterlassen würden,
  • welche Vorgaben und Anweisungen Sie von der Geschäftsleitung erhalten haben, um diese Aussage mit Inhalt zu füllen.

Gehen Sie einen Schritt weiter. Versetzen Sie sich in Ihre Kollegen, Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden. Wie würden diese die obige Aussage interpretieren?

Diskutieren Sie die obige Aussage mit Ihren Mitarbeitern und Kollegen. Fragen Sie sich gemeinsam – beispielsweise:

  • Wie verstehen Sie als Mitarbeiter/Kollege diese Aussage? Welche Vorstellungen und Assoziationen ruft diese in Ihnen hervor? Was würden Sie tun oder nicht tun?
  • Was glauben Sie, versteht die Geschäftsleitung unter dieser Aussage? Welches Ziel verbindet diese damit?
  • In welchen Bereichen soll Nachhaltigkeit praktiziert werden? Bei der Entwicklung? Bei der Produktion? Beim Hersteller? Bei der Lieferung und den Lieferketten? Beim Verkauf? Der Logistik? Innerhalb des Unternehmens – in allen Abteilungen?
  • Welche Kriterien gibt es, die die Nachhaltigkeit messbar für uns alle macht?
  • Wer ist dafür wie und in welcher Weise betroffen?
  • Welche Verantwortungen übernimmt wer und/oder wir alle?
  • Wie müsste nun eigentlich die obige Aussage formuliert werden, damit kein Barnum-Effekt eintritt, sondern jeder weiss, wer was wie, wann und wo zu tun hat?

… mit seinen negativen Folgen

Das Interessante an diesen klärenden Diskussionen ist nicht allein das Ergebnis, sondern vielmehr die Erkenntnis: Jeder hat innerhalb seiner Sichtweise ein korrektes Verständnis für den Sachverhalt aktiviert, weil er die vage Aussage nach seinen Werten und Wissen interpretierte. Und genau dies hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. Es

  • kommt zu Missverständnissen und Problemen,
  • führt zu Konflikten,
  • behindert den Entscheidungsprozess, weil eben „zu viel Raum der Interpretation“ geboten wird,
  • erhöht die Fehlerquote,
  • steigert die Frustration, weil konkrete Ansagen fehlen,
  • drosselt das Leistungsniveau,
  • undundund…

Den Barnum-Effekt reduzieren: 5 Tipps

Minimieren Sie den Barnum-Effekt innerhalb des Unternehmens und seiner –strukturen. Die folgenden Tipps unterstützen Sie dabei, sich, Ihre Kollegen und Mitarbeiter für den Barnum-Effekt zu sensibilisieren. Dadurch gelingt es, diesen kurz-, mittel- und langfristig so gering, als möglich zu halten.

Tipp 1: Die kritischen Bereiche aufspüren

Universelle und vage Aussagen triggern den Barnum-Effekt – und zwar auf allen Unternehmensebenen. Überlegen Sie,

  • welche Aussagen Ihnen (spontan) einfallen, die den Barnum-Effekt triggern könn(t)en,
  • welche Aussagen in Berichten, Präsentationen, Vorgaben usw. zu universell und vage formuliert wurden,
  • welche vagen Aussagen innerhalb von Arbeitsprozessen, Projekten und Aufgaben den Barnum-Effekt triggern könn(t)en. 

Tipp 2: Aussagen konkretisieren

Formulieren Sie die Aussagen um. Achten Sie darauf, dass diese

  • präzise,
  • explizit,
  • nachvollziehbar,
  • umsetz- und realisierbar,
  • kontrollierbar sind.

Tipp 3: Visionen herunterbrechen

Visionen haben erst einmal eine Aufgabe: Sie sollen den Adressaten beflügeln. Deshalb sind Aussagen wie „Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: Unsere Vision“ durchaus legitim. Denn sie bringen erst einmal die Vision kurz und bündig auf den Punkt.

Allerdings darf die Vision nicht auf dieser Kommunikations-Ebene verharren. Die Vision muss unbedingt heruntergebrochen werden – und zwar bis auf die unterste Ebene des Unternehmens. Jeder muss wissen,

  • was die Vision für ihn, seine Funktion und Arbeit bedeutet,
  • was von ihm gefordert wird,
  • was er fordern darf, um die Vision mit Leben zu füllen.

Tipp 4: Eigene Aussagen prüfen

Ob als Führungskraft, Kollege und/oder Mitarbeiter, Sie teilen sich jeden Tag mit. Oft genug, sind es Anweisungen, die Sie erteilen. Sei es, weil Sie eine Aufgabe delegieren oder Sie einen Kollegen auffordern, einen Sachverhalt zu klären. In manchen Fällen triggern Ihre Aussagen auch den Barnum-Effekt. Deshalb achten Sie darauf, selbst so präzise als möglich, Ihre Anweisungen zu erteilen.

Tipp 5: Nachfragen und Raum für Fragen bieten

Sichern Sie sich ab – in jedem Falle bei wichtigen Aufgaben. Bitten Sie Ihr Gegenüber, ob Kollege oder Mitarbeiter, Ihre Anweisung kurz zusammenzufassen. Stellen Sie Fragen, um zu klären, ob alles so verstanden wurde, wie Sie es gemeint hatten. Bieten Sie aber auch dem Mitarbeiter Gelegenheit, selbst Fragen zu stellen.

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