Wohnungsrückgabe: Die vorzeitige Rückgabe durch den Mieter

Gibt der Mieter die Mietsache im Rahmen einer vorzeitigen Wohnungsrückgabe zurück, ohne die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen einzuhalten, wird der Mieter genau genommen vertragsbrüchig. Art. 264 OR regelt diesen Sachverhalt aber explizit und gewährt dabei eine wichtige Ausnahme.

30.10.2025 Von: Oliver Knakowski-Rüegg
Wohnungsrückgabe

Es handelt sich bei diesem Artikel um eine relativ zwingende Norm des Rechts. Das heisst, diese Norm darf zuungunsten des Mieters nicht abgeändert werden. Vereinbarte Konventionalstrafen, andere erschwerende Vereinbarungen bei vorzeitiger Wohnungsrückgabe, sind nichtig.

Praxis-Beispiel: Unzulässig sind zum Beispiel Vereinbarungen, wonach ein ausserterminlicher Auszug nur unter Einhaltung einer Frist oder auf ein Monatsende möglich ist.

Voraussetzungen für die befreiende Wohnungsrückgabe

Der Mieter kann die Sache ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder eines Kündigungstermins mit befreiender Wirkung zurückgeben, wenn er einen neuen Mieter stellt, der die in Art. 264 OR angegebenen gesetzlichen Kriterien erfüllt:

  • Der ausziehende Mieter muss einen zumutbaren neuen Mieter stellen (Art. 264 Abs. 1 OR).
    • der zu leistende Mietzins darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Einkommen des neuen Mieters stehen;
    • der Auszug aus dem Betreibungsregister darf keine begründeten Zweifel an der Solvenz des neuen Mieters aufkommen lassen.

Der neue Mieter muss zahlungsfähig sein. d.h.:

  • Der neue Mieter muss bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Insbesondere dürfen sich der Mietzins, die Nebenkosten oder die Kündigungsmodalitäten nicht ändern.  

Zumutbarkeit des neuen Mieters

Der Mieter muss dem Vermieter nach Art. 264 Abs. 1 OR einen zumutbaren neuen Mieter vorschlagen.

Keine strengen Anforderungen

An das Kriterium der Zumutbarkeit dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden.

Achtung: Als nicht annehmbar gilt ein neuer Mieter nur dann, wenn wichtige Gründe vorliegen. Unbestimmte Befürchtungen, Antipathie oder eine grundsätzlich negative Einstellung gegen eine gewisse Kategorie von Menschen genügen für eine Ablehnung eines neuen Mieters nicht. Für eine mögliche Ablehnung eines vorgeschlagenen neuen Mieters kommen nur objektive Kriterien infrage.

Mit anderen Worten: der Vermieter darf an den neuen Mieter keine anderen oder höheren Anforderungen stellen als an den bisherigen Mieter.

Beispiele: Unzumutbar ist beispielsweise ein neuer Mieter, der eine erheblich grössere Familie hat als der Vorgänger. Zumutbar ist hingegen ein Ersatzmieter, der ein Tier halten will, ohne dass der Mietvertrag ein Tierhaltungsverbot vorsieht, obschon der Vormieter keine Haustiere hielt.

Kriterien zur Beurteilung der Zumutbarkeit

Bei der Berücksichtigung der Zumutbarkeit ist sowohl die Situation des Vermieters als auch des Mieters zu beachten:

  • Im Einzelfall kann zur Beantwortung der Frage der Zumutbarkeit auf die Zweckbestimmung der Mietsache und den vertragsmässigen Gebrauch abgestellt werden (Alterswohnung, Genossenschaftswohnungen):
  • Der Mentalität und den Lebensgewohnheiten der übrigen Hausbewohner ist entsprechend Rechnung zu tragen.
  • Wohnt der Vermieter selbst in der Liegenschaft, ist seine Situation zu berücksichtigen, sofern diese vernünftig erscheint und objektiv nachvollziehbar ist.

Wichtig: Es ist stets vom Grundsatz auszugehen, dass der Vermieter bei Wohnungsrückgabe einen neuen Mieter nur aus wichtigen Gründen ablehnen darf.

Beispiele: Unzumutbare Ersatzmieter bei der Geschäftsmiete
Bei der Geschäftsmiete kann der Vermieter einen neuen Mieter nur dann zurückweisen, wenn dieser im Mietobjekt einen Konkurrenzbetrieb einrichten möchte. Unzumutbar ist im geschäftlichen Bereich auch ein neuer Mieter, der nicht über die erforderlichen behördlichen Bewilligungen verfügt.

Zahlungsfähigkeit des neuen Mieters

Der Mieter muss dem Vermieter gemäss Art. 264 Abs. 1 OR bei Wohnungsrückgabe einen zahlungsfähigen Ersatzmieter vorschlagen. Der Vermieter muss sich Gewissheit darüber verschaffen können, dass der vorgeschlagene neue Mieter auch zahlungsfähig und zahlungswillig ist, um für den Mietzins und die Nebenkosten aufzukommen. Das Einkommen des neuen Mieters muss sich nicht zwingend in gleicher Höhe bewegen wie das Einkommen des Mieters. Es muss aber, gemessen am Mietzins und den Nebenkosten, Gewähr für eine problemlose Zahlung bieten.

In der Lehre gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie streng die Anforderungen an die Zahlungsfähigkeit des Nachmieters zu fassen sind. Das Bundesgericht lässt dem Vermieter einen gewissen Beurteilungsspielraum, verlangt aber eine objektive und verhältnismässige Prüfung

Faustregel: Als Orientierungshilfe gilt, dass Mietzins und Nebenkosten idealerweise ein Drittel des Einkommens nicht übersteigen sollten. Entscheidend ist jedoch eine Gesamtwürdigung der Zahlungsfähigkeit, wobei das Bundesgericht betont, dass das Verhältnis zwischen Einkommen und Mietzins nicht überbewertet werden darf.

Möglichkeiten des Vermieters zur Abklärung

Um diesen Sachverhalt zu belegen, kann der Vermieter:

  • eine verbindliche Zusage des Mietinteressenten verlangen, dass sein Einkommen unter den oben genannten Umständen reicht, um die Mietzinszahlung zu gewährleisten.
  • einen Auszug aus dem Betreibungsregister verlangen. 

Achtung: Sind auf dem Betreibungsregisterauszug einzelne Betreibungen ersichtlich, heisst dies allerdings noch nicht, dass der Ersatzmieter nicht zahlungsfähig wäre. In der Schweiz kann nämlich jeder jeden betreiben, ohne den Bestand der Forderung beweisen zu müssen. Zudem werden Rechnungen oftmals nicht bezahlt, weil die Geschäftsparteien im Streit um Leistung und Gegenleistung liegen. Häuft sich allerdings die Anzahl der Betreibungen, wurde die Person schon fruchtlos gepfändet oder bestehen Verlustscheine, muss die Zahlungsfähigkeit verneint werden.

  • den Lohnausweis des Mietinteressenten oder eine Kopie desselben verlangen.

Anmerkung: Dieses Vorgehen ist unter dem Aspekt des Datenschutzes bedenklich und daher abzulehnen, denn ein Mietinteressent mit sehr geringem Einkommen kann dennoch zahlungsfähig im Sinne des Art. 264 Abs. 1 OR sein, z. B., wenn von dritter Seite, etwa von einer Fürsorgebehörde oder einer karitativen Organisation, eine Kostengutsprache erfolgt.

Member werden Newsletter